07. Januar 2021
BGB § 2287

Zustimmung des Vertragserben zur beeinträchtigenden Schenkung; Vertretung des Vertragserben aufgrund privatschriftlicher Vollmacht

BGB § 2287
Zustimmung des Vertragserben zur beeinträchtigenden Schenkung; Vertretung des Vertragserben aufgrund privatschriftlicher Vollmacht

I. Sachverhalt
Die Erblasserin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann haben 1961 mit notarieller Urkunde einen Erbvertrag errichtet. Darin haben sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und in vertraglich bindender Form die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen als Erben des zuletzt Versterbenden eingesetzt. Als Kinder sind aus der Ehe eine Tochter und ein Sohn hervorgegangen. Der Sohn ist an Demenz erkrankt und nicht mehr geschäftsfähig.

Die Erblasserin beabsichtigt nunmehr, eines ihrer beiden Häuser im Wege des Überlassungsvertrags zur Hälfte an die Tochter zu übertragen und zu je ¼ an die beiden Kinder des Sohnes.

Der Sohn hat 2018 – als er (wohl) noch geschäftsfähig war – eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht zugunsten seiner Schwester und eines seiner beiden Söhne erteilt. Die Vollmacht sieht vor, dass Schenkungen (nur) insoweit vorgenommen werden können, als es einem Betreuer rechtlich gestattet ist.

Die Beteiligten erwägen, dass der Sohn, vertreten durch die beiden Bevollmächtigten, der beabsichtigten Überlassung zustimmt. Dadurch wollen sie eine spätere „Anfechtbarkeit“ des Überlassungsvertrags nach § 2287 BGB ausschließen.

II. Fragen
1. Kann die Zustimmung eines Vertragserben zu einer ihn beeinträchtigenden Zuwendung durch einen Bevollmächtigten erklärt werden?

2. Falls ja: Genügt dafür eine privatschriftliche Vollmacht?

3. Wäre eine Zustimmung des Sohnes, vertreten durch die beiden Bevollmächtigten, zu der ihn beeinträchtigenden Schenkung (die der Wirkung nach einem gegenständlich beschränkten Zuwendungsverzicht gleichkommt) als Schenkung zu betrachten?

III. Zur Rechtslage
1. Ausschluss der Beeinträchtigung bei Zustimmung zur Schenkung
Ein Erbvertrag hindert den Erblasser nicht, über sein Vermögen unter Lebenden wirksam zu verfügen (§ 2286 BGB). Darin liegt, was die Rechtsfolgen angeht, der maßgebliche Unterschied zur erbvertragswidrigen letztwilligen Verfügung, die gem. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam wäre. Hat der Erblasser jedoch in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe – nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist – gem. § 2287 Abs. 1 BGB die Herausgabe des Geschenks nach Bereicherungsrecht verlangen.

Es ist allgemein anerkannt, dass der Vertragserbe auf den zu seinen Gunsten bestehenden Schutz verzichten kann, vor allem dadurch, dass er einer beeinträchtigenden Schenkung des Erblassers zustimmt. Eine solche Zustimmung schließt nach h. M. die objektive Beeinträchtigung des Vertragserben und damit bereits den Tatbestand des § 2287 BGB aus (vgl. nur BeckOGK BGB/Müller-Engels, Std.: 1.10.2020, § 2287 Rn. 117 m. w. N.).

2. Zustimmung als höchstpersönliche Erklärung?
Die Frage, ob der Vertragserbe bei der Zustimmung im Rahmen des § 2287 BGB vertreten werden kann oder ob es sich dabei um eine höchstpersönliche Erklärung handelt, ist nach unserer Kenntnis bisher gerichtlich nicht entschieden und in der einschlägigen Literatur auch nicht explizit erörtert worden.

Für die Zulässigkeit der Vertretung spricht, dass Rechtsgeschäfte grundsätzlich nicht vertretungsfeindlich sind. Sofern das Gesetz kein Stellvertretungsverbot normiert, kann man daher von der Zulässigkeit einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretung ausgehen (vgl. nur MünchKommBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 100).

Etwas anderes könnte sich dogmatisch möglicherweise aus der Nähe der Zustimmung zum Zuwendungsverzichtsvertrag (§ 2352 BGB) ergeben. Wegen dieser Nähe hat der BGH etwa entschieden, dass die Zustimmung im Rahmen des § 2287 BGB der notariellen Beurkundung entsprechend § 2348 BGB bedarf (DNotZ 1990, 803, 804 f.; vgl. dazu auch Gutachten DNotI-Report 2009, 173, 174). Des Weiteren verlangt der BGH zur entsprechenden Verzichtserklärung eines Minderjährigen die Genehmigung des Familiengerichts analog § 2347 Abs. 1 S. 1 BGB (NJW 1982, 1100, 1102). Betrachtete man die Zustimmung als zweiseitiges Rechtsgeschäft (auch diese Rechtsfrage ist noch nicht abschließend geklärt), so könnte man aus der vorstehenden Rechtsprechung herleiten, dass gemäß der – vom BGH mehrfach zum Vergleich herangezogenen – Rechtslage beim Zuwendungsverzicht (vgl. §§ 2352 S. 3, 2347 BGB) die Willenserklärung zumindest aufseiten des Erblassers persönlich abgegeben werden muss und dass eine Vertretung allenfalls des geschäftsunfähigen Erblassers durch seinen gesetzlichen Vertreter möglich ist (vgl. §§ 2352 S. 3, 2347 Abs. 2 BGB).

Im Gegensatz zum Erblasser kann sich indes der Verzichtende bei einem Erbverzichtsvertrag (Zuwendungsverzichtsvertrag) durch seinen rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreter vertreten lassen (vgl. § 2347 Abs. 1 BGB).

Selbst wenn man also – entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung – die Bestimmungen für den Zuwendungsverzichtsvertrag auf die Zustimmung im Rahmen des § 2287 BGB überträgt, lässt sich daraus u. E. nicht die Höchstpersönlichkeit der Zustimmungserklärung des Verzichtenden herleiten. Wenn schon beim Zuwendungsverzicht (der unmittelbar zur Beseitigung des Anfalls der Zuwendung beim Verzichtenden führt) eine Stellvertretung zulässig ist, muss dies vielmehr erst recht für ein lebzeitiges Rechtsgeschäft in Bezug auf den Gegenstand gelten.

Aus unserer Sicht kann daher bei der Zustimmung im Rahmen des § 2287 BGB – wie bei einem Zuwendungsverzichtsvertrag – aufseiten des Verzichtenden ein Bevollmächtigter (oder gesetzlicher Vertreter) handeln.
    
3. Formfrage
Bejaht man aufgrund der obigen Ausführungen die Zulässigkeit der rechtsgeschäftlichen Vertretung, dann stellt sich die Formfrage. Wie bereits dargelegt hält der BGH die Zustimmung zu einer beeinträchtigenden Schenkung entsprechend § 2348 BGB für beurkundungsbedürftig.

Daraus lässt sich indes nicht ableiten, dass bei einer rechtsgeschäftlichen Vertretung auch die Vollmacht formpflichtig wäre. Denn nach § 167 Abs. 2 BGB ist die Vollmacht grundsätzlich auch dann formfrei, wenn das Vertretergeschäft, das aufgrund der Vollmacht vorgenommen werden soll, einer bestimmten Form bedarf. Hinsichtlich der Form ist im Ausgangspunkt also zwischen dem Vertretergeschäft und der Vollmacht strikt zu trennen. Eine Ausnahme gilt allenfalls dort, wo der Vertretene bereits bei der Bevollmächtigung so ge­bunden ist, als sei das formbedürftige Vertretergeschäft zustande gekommen (vgl. MünchKommBGB/Schubert, § 167 Rn. 20 m. w. N.). Die Kriterien, die in den anerkannten Ausnahmefällen herangezogen werden (Bindung des Vertretenen, Vollmacht im Inte­resse des Vertreters, unwiderrufliche Vollmacht; vgl. MünchKommBGB/Schubert, § 167 Rn. 20 ff.), sind vorliegend jedoch alle nicht erfüllt.

Aus unserer Sicht kann daher die Zu­stimmung zu einer beeinträchtigenden Schenkung – sofern man die Vertretung nach den Ausführungen unter Ziff. 2 für zulässig erachtet – aufgrund einer privatschriftlichen Vollmacht abgegeben werden.

4. Schenkungscharakter der Zustimmung?
Die Zustimmung zu einer Schenkung, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten tätigt (§ 2287 BGB), soll einen bereicherungsrechtlichen Anspruch des Vertragserben, der erst mit dem Erbfall entsteht, ausschließen. Der Zustimmende verzichtet folglich nicht auf einen aktuellen oder bedingten, sondern auf einen künftigen Anspruch oder es wird – anders gesagt – der Tatbestand ausgeschlossen, der einen solchen Anspruch begründet. Damit wird aus Sicht des Zustimmenden kein aktueller Wert aus seinem Vermögen ausgegliedert, sondern nur vermieden, dass ihm zu einem späteren Zeitpunkt (Erbfall) ein schuldrechtlicher An­spruch aus der Schenkung erwächst. Hierin liegt u. E. keine Schenkung i. S. d. § 516 BGB. Die Erklärung entspricht vielmehr dem Verzicht auf ein künftiges Recht; diesem kommt aber nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 517 BGB kein Schenkungscharakter zu.

5. Ergebnis
Die Zustimmung im Rahmen des § 2287 BGB ist u. E. durch die Vertretungsmacht der Bevollmächtigten (die im konkreten Fall bei Schenkungen auf die rechtsgeschäftlichen Handlungsbefugnisse eines Betreuers beschränkt ist) gedeckt.

Gutachten/Abruf-Nr:

175670

Erscheinungsdatum:

07.01.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbvertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 4-6

Normen in Titel:

BGB § 2287