01. Januar 2006
EGBGB Art. 25

Vietnam: Gesetzliche Erbfolge (Ehefrau und gemeinsame Kinder, Eltern)

Deutsches Notarinstitut

DNotI
14215 21.09.2005

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EGBGB Art. 25 Vietnam: Gesetzliche Erbfolge (Ehefrau und gemeinsame Kinder, Eltern)

I. Sachverhalt Ein vietnamesischer Staatsangehöriger verstarb mit letztem Wohnsitz in Deutschland. Der Erblasser hinterlässt seine Ehefrau und vier Kinder aus dieser Ehe. Des Weiteren leben noch die Eltern und Geschwister des Erblassers. Der Erblasser hat keine Verfügung von Todes wegen errichtet.

II. Fragen 1. 2. Gilt für die Erbfolge vietnamesisches oder deutsches Erbrecht? Wie ist die gesetzliche Erbfolge nach vietnamesischem Erbrecht?

III. Zur Rechtslage 1. Erbstatut a) Deutsches IPR Aufgrund der ausschließlich vietnamesischen Staatsangehörigkeit des Erblassers verweist das deutsche Recht hier ­ vorbehaltlich einer Rechtswahl des Erblassers nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB und einem vorrangigen Einzelstatut nach Art. 3 Abs. 3 EGBGB ­ grundsätzlich gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB auf das vietnamesische Heimatrecht. Allerdings wäre insoweit zunächst zu beachten, dass trotz der vietnamesischen Staatsangehörigkeit deutsches Recht Personalstatut ist, wenn es sich bei dem Erblasser um einen Asylberechtigten handelt (§ 2 AsylVfG, Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention), um einen Kontingentflüchtling (z.B. sog. boat people), oder sonstigen Flüchtling i. S. d. Genfer Flüchtlingskonvention. In diesem Fall würde statt des vietnamesischen Heimatrechts unmittelbar deutsches Recht anwendbar sein, soweit der Erblasser

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Seite 2 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte (s. Palandt/Heldrich, 65. Aufl. 2006, Anh. zu Art. 5 EGBGB Rn. 19 ff.). b) Vietnamesisches IPR Bei der Verweisung auf vietnamesisches Recht, ist nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB zunächst dessen Kollisionsrecht anzuwenden (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Das vietnamesische Zivilgesetzbuch (ZGB) von 1996 enthält in den Art. 826 ff. einige kollisionsrechtliche Bestimmungen. Das internationale Erbrecht ist dort jedoch nicht geregelt, obgleich das ZGB das Erbrecht materiellrechtlich regelt. Auch i. Ü. enthält das vietnamesische Recht keinerlei spezielle Kollisionsnormen für das Erbstatut. In Art. 15 der allgemeinen Bestimmungen regelt das vietnamesische Zivilgesetzbuch seinen Anwendungsbereich.
Article 15. Champ d'application du Code civil 1. Le Code civil est applicable aux rapports civils établis à compter de la date de son entrée en vigueur. Le Code civil est applicable également aux rapports civils établis avant son entrée en vigueur si une loi ou une Résolution de l'Assemblée Nationale l'a prévu. 2. Le Code civil est applicable sur toute l'étendue du territoire de la République Socialiste du Vietnam. 3. Le Code civil est applicable aux rapports civils impliquant, sur le territoire national, les vietnamiens résidant à l'étranger, sauf certains rapports civils spécifiés par la loi. 4. Le Code civil est applicable également aux rapports civils comportant un élément étranger, sauf les cas où les traités internationaux signés par la République Socialiste du Vietnam ou auxquels elle adhère en disposent autrement. (Zitiert nach der Übersetzung durch: Maison du Droit Vietnamo-Française, Internet: http:, auch auf der Homepage des DNotI, www.dnoti.de unter Links International/Asien).

Danach bezieht sich das Zivilgesetzbuch, vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen, auf alle zivilen Beziehungen, die Vietnamesen mit Wohnsitz im Ausland betreffen, soweit gleichzeitig das vietnamesische Staatsgebiet betroffen ist (Abs. 3). Es ist daher davon auszugehen, dass soweit Vermögen in Vietnam betroffen ist, aus vietnamesischer Sicht vietnamesisches Recht anwendbar ist. Somit wird insoweit die Verweisung des deutschen Rechts vom vietnamesischen Recht angenommen. Art. 15 Abs. 4 des Zivilgesetzbuches ist wohl so zu verstehen, dass das Zivilgesetzbuch auch bei Auslandsbezug anwendbar ist, soweit keine vorrangigen internationalen Verträge bestehen. Staatsvertragliche Regelungen der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Vietnam bestehen nicht im Bereich des internationalen Erbrechts. Somit ist davon auszugehen, dass das vietnamesische Zivilgesetzbuch im Falle der vietnamesischen Staatsangehörigkeit des Erblassers Anwendung findet. Dies bestätigt u. E. auch Art. 827 Abs. 1 viet. ZGB, der besagt, dass das vietnamesische Zivilgesetzbuch auch bei Auslandsbezug anwendbar ist, wenn das Zivilgesetzbuch nichts anderes statuiert. Sicherheit besteht insoweit jedoch nicht. Jedoch vermutet auch Dörner, Staudinger, 2000, Anh. zu Art. 25

Seite 3 f. EGBGB Rn. 756, dass das Erbstatut in Vietnam an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird. Somit ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass das vietnamesische Recht nicht auf das deutsche Recht zurückverweist und es daher bei der Geltung des vietnamesischen Rechtes bleibt. Mithin wird der Erblasser nach vietnamesischem materiellen Recht beerbt und es ist ein sog. Fremdrechtserbschein nach § 2369 BGB zu beantragen (zu dessen Inhalt vgl. etwa Palandt/Edenhofer, § 2369 BGB Rn. 10). 2. Gesetzliche Erbfolge nach vietnamesischem Recht a) Erbfolge Hat der Erblasser kein Testament errichtet, so tritt gem. Art. 678 des viet. ZGB die gesetzliche Erbfolge ein. Dabei sind der Ehegatte, die Eltern und die Kinder des Erblassers gem. Art. 679 Abs. 1 lit. a viet. ZGB Erben erster Ordnung. Die Ehefrau des Erblassers, seine Kinder und die Eltern erben gem. Art. 679 Abs. 2 viet. ZGB zu gleichen Teilen nach Köpfen, mithin bei vier Kindern zu je 1/7. b) Einfluss des Güterstandes Etwas anderes könnte sich im vorliegenden Fall allein dann ergeben, wenn die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts gelebt haben, da dann eine Erhöhnung des Ehegattenerbteils um ¼ gem. § 1371 Abs. 1 BGB in Betracht käme (streitig, vgl. Palandt/Heldrich, a. a. O., Art. 15 EGBGB Rn. 26 m. w. N.). Hatten die Ehegatten beide bei Eheschließung die vietnamesische Staatsangehörigkeit, ist gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB auf ihre güterrechtlichen Beziehungen das vietnamesische Recht anzuwenden. Zunächst ist das vietnamesische Kollisionsrecht zu beachten (Art. 4 Abs. 1 EGBGB). Gem. Art. 5 2. HS. des Dekretes Nr. 68/2002/ND-CP der vietnamesischen Regierung vom 10.7.2002 ist das vietnamesische Recht dann anzuwenden, wenn die ausländische Gesetzgebung auf das vietnamesische Recht verweist. Dies ist u. E. so zu verstehen, dass das vietnamesische Recht die Verweisung des deutschen Rechts annehmen würde. Hatten die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit, käme gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB die Geltung deutschen Güterrechts im vorliegenden Fall dann in Betracht, wenn die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt haben, andernfalls das Recht des Staates, in dem dieser zum Zeitpunkt der Eheschließung bestand. Wurde die Ehe des Erblassers nach dem 31.3.1953 und vor dem 9.4.1983 geschlossen, ist Art. 220 Abs. 3 EGBGB zu beachten, der zwar ebenfalls primär an die gemeinsame Staatsangehörigkeit bei Eheschließung angeknüpft wird, aber andere Hilfsanknüpfungen vorsieht. Soweit vietnamesisches Güterrecht gilt, leben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft (Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Vietnam, 108. Lfg., Stand: 30.6.1991, S. 23). Hierbei wird das von den Eheleuten während der Dauer der Ehe entgeltlich erworbene Vermögen gemeinsames, von ihnen gesamthänderisch gehaltenes Vermögen. Mithin wäre im vorliegenden Fall vor der erbrechtlichen Teilung eine Auseinandersetzung des Güterstandes vorzunehmen. Die in die Gemeinschaft fallenden Gegenstände wären also zwischen der überlebenden Ehefrau auf der einen Seite und der Erbengemeinschaft auf der anderen Seite zu teilen. Die Erhöhung des Ehegattenanteils findet dann nicht statt.

Seite 4 3. Erbengemeinschaft nach vietnamesischem Recht Ob die Erbengemeinschaft nach vietnamesischem Recht als Bruchteils- oder als Gesamthandsgemeinschaft ausgestaltet ist, ergibt sich aus dem vietnamesischen Zivilgesetzbuch nicht. Gem. Art. 684 Abs. 2 viet. ZGB muss jede Vereinbarung zwischen den Erben schriftlich erfolgen. Die die Erbengemeinschaft betreffenden Bestimmungen des vietnamesischen Zivilgesetzbuches sind beigefügt. 4. Gesetzliche Vertretung der minderjährigen Kinder Gem. Art. 21 EGBGB unterliegt das Rechtsverhältnis zwischen einem Kind und seinen Eltern grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn sich die Kinder in Deutschland aufhalten, wäre somit deutsches Recht anwendbar. Der auf das Heimatrecht des Kindes verweisende Art. 3 MSA ist insoweit nicht anzuwenden, da keine konkrete Schutzmaßnahme nach Art. 1, 2 MSA in Rede steht und Art. 3 MSA keine eigenständige Kollisionsnorm ist (BGH 111, 205 ff. = NJW 1990, 3073 ff.). Art. 21 EGBGB regelt die elterliche Sorge und damit auch die Frage der gesetzlichen Vertretung und deren Beschränkungen, insbesondere die Genehmigungsbedürftigkeit von Rechtsgeschäften (Palandt/Heldrich, a. a. O., Art. 21 Rn. 5; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 1288). Somit ist im Rahmen der Erbauseinandersetzung für die Vertretung der minderjährigen Kinder das deutsche Recht als Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Kinder anzuwenden (sofern dies der Fall ist).

Gutachten/Abruf-Nr:

14215

Erscheinungsdatum:

01.01.2006

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

EGBGB Art. 25