01. Januar 2007
EGBGB Art. 14

Vietnam: Ehevertrag eines deutsch-vietnamesischen Ehepaares

DNotI
Deutsches Notarinstitut

GUTACHTEN Dokumentnummer: letzte Aktualisierung: 14808 18.12.2003

EGBGB Art. 14, 15, 17, 18, 25, 26 Vietnam; Ehevertrag

I. Sachverhalt Ein deutscher Staatsangehöriger beabsichtigt, mit seiner vietnamesischen Ehefrau einen Ehevertrag zu schließen. In diesem soll Gütertrennung vereinbart werden, der Versorgungsausgleich ausge schlossen und auf Scheidungsunterhalt verzichtet werden. Der Ehemann will gegenüber seiner Ehefrau auf jegliche Erb- und Pflichtteilsansprüche verzichten. Darüber hinaus will er durch testamentarische Verfügung den Sohn seiner Ehefrau zum Erben einsetzen. Der Sohn der Ehefrau stammt aus einer früheren Ehe. II. Frage Ist auf die geplanten Vereinbarungen deutsches oder vietnamesisches Recht anwenbar? III. Zur Rechtslage 1. Zur Vereinbarung der Gütertrennung a) Wirksamkeit aus deutscher Sicht Aus deutscher Sicht wäre zur Bestimmung des auf die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe und damit auch auf die Vereinbarung der Gütertrennung und den Ausschluss des Zugewinnausgleichs anwendbaren Rechts gem. Art. 15 Abs. 2 EGBGB vorrangig auf eine Rechtswahl der Eheleute abzustellen. Dabei wäre wegen der deutschen Staatsangehörigkeit des Ehemannes gem. Art. 15 Abs. 2 Ziff. 1 EGBGB eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts möglich. Auf der Basis der somit herbeigeführten Geltung des deutschen Güterrechts wäre dann entsprechend den Bestimmungen des deut schen Rechts auch die Vereinbarung der Gütertrennung möglich. Ansonsten wäre im vorliegenden Fall aufgrund der unterschiedlichen Staatsangehörigkeit der Eheleute und des Umstands, dass beide zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits in Deutschland lebten, über Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziffer 2 EGBGB das deutsche Recht als das Recht ihres gemeinsamen gewöhnlichen
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Seite 2 Aufent halts zum Zeitpunkt der Eheschließung für die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe maßgeblich. Dementsprechend können sie auch gem. den Vorschriften des deutschen Rechts eine güterrechtliche Vereinbarung treffen, insbesondere den Zugewinnausgleich modifizieren oder die Gütertrennung vereinbaren. b) Anwenbares Recht aus vietnamesischer Sicht Art. 104 Abs. 3 des vietnamesischen Gesetzes über die Ehe und Familie vom 9.6.2000 bestimmt, dass die Abwicklung des Vermögens der geschiedenen Eheleute, soweit sie im Ausland belegene Immobilien betrifft, dem Recht des Staates unterliegt, in dem dieses unbewegliche Vermögen belegen ist. Daraus lässt sich schließen, dass insoweit die ehegüterrechtlichen Verhältnisse aus vietnamesischer Sicht dem jeweiligen Belegenheitsrecht unterliegen. Bezüglich des auf die güterrechtlichen Verhältnisse des beweglichen Vermögens anwendbaren Rechts enthält das vietnamesische Recht keine ausdrückliche Kollisions norm. Allerdings bestimmt Art. 104 Abs. 2 des Gesetzes, dass in dem Fall, in dem ein vietnamesischer Ehegatte im Ausland lebt, die Scheidung nach dem Recht des Staates durchzuführen ist, in dem beide Eheleute ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Hieraus lässt sich vermuten, dass aus vietnamesischer Sicht dann nicht nur die Scheidung an sich, sondern auch die Scheidungsfolgen, insbesondere also die Auseinandersetzung des ehelichen Güterstandes dem Recht des Staates unterliegen soll, in dem die Eheleute ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Soweit mithin die Eheleute zum Zeitpunkt der Scheidung beide noch in Deutschland leben werden (wandelbares Ehegüterstatut), wird also auch aus vietnamesischer Sicht für die güterrechtlichen Verhältnisse das deutsche Recht zur Anwendung kommen, so dass grundsätzlich die Regelungen über den gesetzlichen Güterstand des deut schen Rechts gelten und gleichzeitig auch die Bestimmungen des deutschen Rechts über die vertragliche Modifikation des gesetzlichen Güterstands bzw. die Vereinbarung der Gütertrennung als vertraglichen Güterstand anzuwenden sein werden. 2. Ausschluss des Versorgungsausgleichs Der Versorgungsausgleich unterliegt aus deutscher Sicht gem. Art. 17 Abs. 3 EGBGB dem auf die Scheidung anzuwendenden Recht, welches wiederum gem. Art. 17 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB bei einer gemischt -nationalen Ehe anhand des gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute zu bestimmen ist. Haben die Eheleute zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in demselben Staat, ist gem. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 Fall 2 EGBGB das Recht des Staates einschlägig, in dem die Eheleute zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben. Auf diese Weise kommt es im vorliegenden Fall voraussichtlich zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts, so dass auch bezüglich der Möglichkeiten, den Versorgungsausgleich auszuschließen, das deutsche Recht einschlägig ist. Soweit vietnamesisches Recht zur Anwendung kommen sollte ­ also z. B. weil die Eheleute beide bei Rechtshängigkeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Vietnam haben oder der Ehe mann nach Vietnam alleine zurückkehrt und dort Scheidungsklage erhebt ­ käme ohnehin kein Versorgungsausgleich zustande, da das aktuelle vietnamesische Eheund Familienrecht weder den Versorgungsausgleich noch ein vergleichbares Rechtsinstitut kennt.

Seite 3 3. Verzicht auf Scheidungsunterhalt a) Wirksamkeit aus deutscher Sicht Die Wirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung unterliegt dem auf den Unterhalt anwendbaren Recht. Dieses wiederum würde sich im vorliegenden Fall gem. Art. 4 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über das auf die Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (BGBl. 1986 II, S. 837) richten, dessen Bestimmungen in den Art. 18 Abs. 4 EGBGB inkorporiert worden sind. Zwar ist Vietnam nicht Vertragspartei, gem. Art. 3 Unterhaltsübereinkommen gilt dieses als loi uniforme jedoch unabhängig vom Erfordernis der Gegenseitigkeit auch gegenüber Nichtvertragsstaaten. Gem. Art. 8 Abs. 1 Unterhaltsübereinkommen unterliegt der nacheheliche Unterhalt dem auf die Ehescheidung angewandten Recht. Maßgeblich ist dabei nicht das richtigerweise, sondern das tatsächlich angewandte Eheauflösungsstatut (Palandt/Heldrich, 63. Aufl. 2004, Art. 18 EGBGB Rn. 12). Würde hier die Scheidung durch ein deutsches Gericht erfolgen, würde dieses gem. Art. 17 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB deutsches Recht anwenden, da die Ehegatten beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben bzw. bei Scheidung dort zuletzt gehabt haben werden. Nach Scheidung durch ein deutsches Gericht würde Statut des nachehelichen Unterhalts und damit auch auf die Wirksamkeit der Unterhaltsvereinbarung anwendbares Recht das deutsche Recht sein. Danach ist der Verzicht auf Scheidungsunterhalt grundsätzlich (s. u.) möglich. Bei Scheidung durch ein vietnamesisches Gericht hätte dieses gem. Art. 104 Abs. 2 des vietn. Ehe- und Familiengesetzes das deutsche Recht zugrunde zulegen, solange beide Eheleute noch zum Zeitpunkt der Scheidung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben werden. Sollte allerdings die Ehefrau nach Scheitern der Ehe alleine nach Vietnam zurückgekehrt sein und dann dort Scheidungsklage erheben, hätte das vietnamesische Gericht die Scheidung gem. Art. 401 Abs. 2 Fall 2 Eheund Familiengesetz nach dem vietnamesischen Recht durchzuführen. Anschließend wäre das deut sche Gericht bei der Be urteilung des Unterhaltsstatuts an diese Rechtsanwendung über Art. 18 Abs. 4 EGBGB bzw. Art. 8 Abs. 1 Unterhaltsübereinkommen in der Weise ge bunden, dass dann auch der Scheidungsunterhalt, insbesondere die Wirksamkeit einer hierauf bezogenen Unterhaltsvereinbarung nach dem vietnamesischen Recht zu beurteilen wäre. b) Aus vietnamesischer Sicht anwendbares Recht Zu dem auf den Scheidungsunterhalt anwendbaren Recht enthält das vietnamesische Ehe- und Familienrecht keinerlei Vorschriften. Geht man jedoch davon aus, dass mit der Scheidung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 des viet. Ehe- und Familiengesetzes auch die Scheidungsfolgen geregelt werden, ist anzunehmen, dass auch der Scheidungs unterhalt nach dem deutschen Recht zu beurteilen sein wird, wenn beide Eheleute bei Scheidung noch ihren Wohnsitz in Deutschland haben, vietnamesisches Recht jedoch aus vietna mesischer Sicht zur Anwendung gelangt, wenn die Ehefrau zwischenzeitlich nach Vietnam zurückgekehrt ist.

Seite 4 c) Wirksamkeit von Unterhaltsvereinbarungen nach vietnamesischem Recht Gem. Art. 60 des viet. Ehe- und Familiengesetzes sind Eheleute auch nach der Scheidung nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zum Unterhalt verpflichtet, sofern die Partei, die Unterhalt verlangt mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert ist. Die Unterhaltspflicht endet gem. Art. 61 Ziff. 6 des Gesetzes mit Wiederverheiratung des Unterhaltsberechtigten. Einer Möglichkeit zum Unterhaltsverzicht bezüglich des Scheidungsunterhalts finden sich im Familiengesetz keine ausdrücklichen Vorschriften. Art. 53 Abs. 1 des Gesetzes bestimmt lediglich, dass die Höhe des Unterhalts zwischen dem Unterhaltsverpflichteten und dem Unterhaltsberechtigten auf der Grundlage des aktuellen Einkommens und der Leistungs fähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und der Grundbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten vereinbart wird, eine gerichtliche Entscheidung kommt erst dann zum Tragen, wenn eine Einigung nicht erreicht werden kann. Basis für den Unterhalt ist mithin die Unterhaltsvereinbarung. Ob dies allerdings auch bedeutet, dass Eheleute bereits im Vo raus für den Fall einer späteren Scheidung wirksam jegliche Unterhaltsansprüche vollständig ausschließen können, erscheint fraglich. Damit kann zumindest für den Fall, dass vietnamesisches Unterhaltsrecht zur Anwendung gelangt, nicht sicher gesagt werden, dass ein Unterhaltsverzicht aktuell für den Scheidungsfall bereits jetzt möglich ist. 4. Zur Wirksamkeit des ,,Totalverzichts" Zur Inhalts- und Ausübungskontrolle bei Eheverträgen nach deutschem Recht ist nach den beiden Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahr 2001 (BVerfG DNotI-Report 2001, 40 = FamRZ 2001, 343 = NJW 2001, 957; DNotZ 2001, 708 = DNotI-Report 2001, 142 = FamRZ 2001, 985 = NJW 2001, 2248) und dem Urteil des BGH vom 11.2.2004 (DNotI-Report 2004, 46, 54 = NJW 2004, 930) eine umfangreiche Literatur erschienen, auf die wir nun pauschal verweisen können. 5. Zur Erbeinsetzung Die Erbfolge unterliegt gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB dem Heimatrecht des Erblassers. Dieses gilt insbesondere auch für die Wirksamkeit einer testamentarischen Erbeinsetzung. Die Staatsangehörigkeit des Erben ist mithin ohne Belang. Daher kann der Ehemann entsprechend den Bestimmungen des deutschen Rechts seinen Stiefsohn zum Alleinerben einsetzen. Freilich würden sich dann auch Pflichtteilsansprüche der Ehefrau nach den Bestimmungen des deutschen Rechts richten. 6. Pflichtteilsverzicht a)Anwendbares Recht Die Wirksamkeit eines Erb- und Pflichtteilsverzichts unterliegt aus deutscher Sicht gem. Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB i. V. m. Art. 25 Abs. 1 EGBGB dem Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt der Erklärung des Verzichts (hypothetisches Erbstatut). Für die Möglichkeit des Verzichts des deutschen Ehemannes gegenüber seiner vietnamesischen Ehefrau gelangt daher gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB ihr vietnamesisches Heimatrecht zur Anwendung.

Seite 5 Auf diese Verweisung wäre gem. Art. 4 Abs. 1 EGBGB auch das vietnamesische IPR anzuwenden, insbesondere ist eine Rückverweisung gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu beachten. Das vietnamesische ZGB von 1996 enthält in den Art. 826 ff. einige kollisionsrechtliche Bestimmungen. Das Erbstatut ist jedoch nicht geregelt, obgleich das ZGB das Erbrecht materiell-rechtlich regelt. Auch i. Ü. enthält das vietnamesische R echt keinerlei geschriebene Kollisionsnormen für das Erbstatut. Da das vietnamesische Recht historisch zunächst nach französischem und später vom sowjetischem Recht beeinflusst worden ist, erscheint es durchaus möglich, dass nach vietnamesischem Recht wie dem französischem Recht und dem sowjetischem Recht für die Erbfolge des beweglichen Vermögens das Wohnsitzrecht und für die Erbfolge des unbeweglichen Vermögens das jeweilige Belegenheitsrecht maßgeblich ist. Dann würde sich im vorliegenden Fall ­ soweit keine Immobilien in Vietnam vorhanden sind ­ eine Rückverweisung auf das deutsche Recht auch insoweit ergeben, wie die Erbfolge nach dem Ehemann bzw. der Verzicht auf ihm gegenüber bestehende Pflichtteilsrechte betroffen ist. Freilich ist die Rechtslage insoweit unsicher (so vermutet z. B. Dörner, dass in Vietnam das Erbstatut an die Staatsangehö rigkeit des Erblassers angeknüpft werde, in: Staudinger/Dörner, 2000, Anh. Art. 25 f. EGBGB Rn. 756). b) Kein Pflichtteilsverzicht nach vietnamesischem Erbrecht Das vietnamesische materielle Erbrecht sieht in Art. 645 ZGB lediglich die Möglichkeit einer ,,renunciation" vor. Da diese erst nach Eintritt des Erbfalls erfolgen kann, handelt es sich hierbei allerdings nicht um einen Erbverzicht, sondern um eine Ausschlagung der. die Möglichkeit eines Verzichts auf künftige Erb- und Pflichtteilsrechte durch Vertrag mit dem Erblasser sieht das vietnamesische Erbrecht nicht vor. Damit ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Vereinbarung nach vietnamesischem Recht unwirksam ist. Das Pflichtteil des überlebenden Ehemannes beläuft sich gem. Art. 672 vietn. ZGB auf 2/3 des gesetzlichen Erbteils, der wiederum voraussichtlich ein Halb betragen würde, da die Ehefrau ein Kind hat ­ wobei allerdings auch die Eltern gem. Art. 679 vietn. ZGB Erben erster Ordnung wären. Damit erhielte der Ehemann ein Pflichtteil in Höhe von einem Drittel. c) Verzicht nach Rechtswahl Mithin kann im vorliegenden Fall ein effektiver Verzicht auf Pflichtteilsansprüche nur in der Weise vereinbart werden, dass die Ehefrau für ihr in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB das deutsche Recht als Erbstatut wählt und die Eheleute den Verzicht des Ehemannes auf das deutschem Erbstatut unterliegende Vermögen beschränken.

Gutachten/Abruf-Nr:

14808

Erscheinungsdatum:

01.01.2007

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

EGBGB Art. 14