15. Dezember 2021
BGB § 1906

Vollmacht zur Unterbringung des Vollmachtgebers in einer geschlossenen (beschützenden) Abteilung eines Alters- und Pflegeheims

BGB § 1906
Vollmacht zur Unterbringung des Vollmachtgebers in einer geschlossenen (beschützenden) Abteilung eines Alters- und Pflegeheims

I. Sachverhalt
Es geht um eine Einwilligung des Bevollmächtigten in eine Unterbringung in einem „beschützenden Bereich“ bzw. einer geschlossenen Abteilung eines Alters- und Pflegeheims, die aufgrund einer Krankheit (Demenz) des Vollmachtgebers notwendig ist, um das „Weglaufen des Vollmachtgebers“ bzw. eine Gefahr für Leib und Leben des Vollmachtgebers abzuwenden. Durch den anfragenden Notar wurden regelmäßig zwei Formulierungsvarianten verwendet:
    
Variante 1 (Fassung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten vom 17.7.2017, BGBl. I S. 2426):

„Der Bevollmächtigte ist berechtigt, den Vollmachtgeber in allen vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten zu vertreten, bei denen eine Stellvertretung gesetzlich zulässig ist. Die Vollmacht dient zur umfassenden Vermeidung eines gerichtlichen Betreuungsverfahrens (§ 1896 Abs. 2 BGB). Insbesondere ist der Bevollmächtigte ermächtigt,

- (…)

- in eine Unterbringung einzuwilligen, auch wenn dies mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist (§ 1906 Abs. 1 BGB),

- in unterbringungsähnliche Maßnahmen einzuwilligen, insbesondere wenn dem Vollmachtgeber durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen wird (§ 1906 Abs. 4 BGB).“

Variante 2 (Fassung seit dem 22.7.2017):

„Der Bevollmächtigte ist berechtigt, den Vollmachtgeber in allen vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten zu vertreten, bei denen eine Stellvertretung gesetzlich zulässig ist. Die Vollmacht dient zur umfassenden Vermeidung eines gerichtlichen Betreuungsverfahrens (§ 1896 Abs. 2 BGB). Insbesondere ist der Bevollmächtigte ermächtigt,

- (…)

- in eine Unterbringung oder Verbringung zu einem stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus einzuwilligen, auch wenn dies mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist und/oder dem natürlichen Willen des Vollmachtgebers widerspricht (ärztliche Zwangsmaßnahme, §§ 1906, 1906a BGB),

- in unterbringungsähnliche Maßnahmen einschließlich ärztlicher Zwangsmaßnahmen einzuwilligen, insbesondere wenn dem Vollmachtgeber durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen wird (§§ 1906, 1906a BGB).“

Nach Auffassung des Betreuungsgerichts entspricht die Vollmacht weder in Variante 1 noch in Variante 2 den Anforderungen des § 1906 Abs. 5 BGB. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Vollmacht wörtlich den Ort der Unterbringung, nämlich „Heim oder sonstige Anstalt“ wiedergeben müsse, um den Anforderungen des § 1906 Abs. 5 BGB zu genügen. Deshalb soll der Bevollmächtigte zuerst zum Betreuer bestellt werden, um die Einwilligung zu erteilen, die dann vom Gericht genehmigt werden würde.

II. Frage
Genügt die Vollmacht nach Variante 1 bzw. Variante 2 den Anforderungen des § 1906 Abs. 5 BGB, wenn es um eine Einwilligung des Bevollmächtigten in eine Unterbringung des Vollmachtgebers in einer geschlossenen (beschützenden) Abteilung eines Alters- und Pflegeheims geht?

III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzliche Zulässigkeit der Vollmacht in Angelegenheiten der Personensorge
Die Zulässigkeit einer Vollmacht auch in Angelegenheiten der Personensorge im engeren Sinne (d. h. Vertretung in Gesundheits- bzw. Unterbringungsangelegenheiten) wurde im Rahmen des 1. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes, das zum 1.1.1999 in Kraft getreten ist, geregelt (vgl. DNotI-Gutachten DNotI-Report 2012, 158, 159).

In diesem Zusammenhang wurde im Bereich Unterbringung in § 1906 BGB ein neuer Abs. 5 angefügt. § 1906 Abs. 5 S. 1 BGB regelt ausdrücklich die Zulässigkeit einer Vollmacht hinsichtlich einer freiheitsentziehenden Unterbringung i. S. v. § 1906 Abs. 1 BGB bzw. in Bezug auf sog. unterbringungsähnliche bzw. freiheitsentziehende Maßnahmen gem. § 1906 Abs. 4 BGB.

2. Inhaltliches Konkretisierungserfordernis
Nach § 1906 Abs. 5 S. 1 BGB setzt eine Unterbringung durch den Bevollmächtigten bzw. dessen Einwilligung in unterbringungsähnliche Maßnahmen am Vollmachtgeber voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist (vgl. § 126 BGB) und dass sie die Maßnahmen des § 1906 Abs. 1 BGB (und / oder des § 1906 Abs. 4 BGB), auf die sich die Befugnisse des Bevollmächtigten erstrecken sollen, ausdrücklich umfasst (vgl. LG Düsseldorf NJW-RR 2001, 723; vgl. auch DNotI-Gutachten DNotI-Report 2012, 158, 159 m. w. N.). Auch das BVerfG (NJW 2009, 1803, 1804) hat klargestellt, dass die einem Bevollmächtigen erteilte Vollmacht die Einwilligung in freiheitsentziehende Maßnahmen ausdrücklich umfassen und der Umfang der Bevollmächtigung unmissverständlich benannt werden muss.

Damit steht fest, dass eine lediglich abstrakt formulierte Generalvollmacht im Hinblick auf eine freiheitsentziehende Unterbringung (oder die Einwilligung in unterbringungsähnliche Maßnahmen) nicht genügt. Unzureichend dürfte auch der reine Verweis auf § 1904 BGB und § 1906 BGB sowie die Ermächtigung zu allen Handlungen, „die einem Betreuer i. S. d. § 1896 ff. BGB obliegen“, sein (vgl. OLG Zweibrücken MittBayNot 2003, 45; G. Müller, DNotZ 1999, 107, 113; Keilbach, FamRZ 2003, 969, 980). Eine wörtliche Übernahme des Gesetzestextes sollte dabei stets ausreichend sein, ist jedoch nicht zwingend erforderlich.

Mit dem Erfordernis einer ausdrücklichen Benennung soll sichergestellt sein, dass Vorsorgevollmachten in höchstpersönlichen Angelegenheiten nicht voreilig erteilt werden und sich der Vollmachtgeber über die Tragweite der dem Bevollmächtigten eingeräumten Befugnisse im Klaren ist (vgl. G. Müller, DNotZ 1999, 107, 110). Für eine Unterbringungsvollmacht i. S. v. § 1906 Abs. 1 BGB genügt es daher nicht, wenn lediglich freiheitsbeschränkende Maßnahmen i. S. v. § 1906 Abs. 4 BGB (wie beispielsweise die Anbringung von Bettgittern), nicht aber freiheitsentziehende Maßnahmen ausdrücklich in der Vollmacht benannt sind (vgl. LG Düsseldorf NJW-RR 2001, 723; vgl. auch DNotI-Gutachten DNotI-Report 2012, 158, 159).

3. Befugnis zur freiheitsentziehenden Unterbringung des Vollmachtgebers
Der Sache nach geht es bei den freiheitsentziehenden Unterbringungen i. S. v. § 1906 Abs. 1 BGB um Unterbringungen, d. h. positive Aufenthaltsbestimmungen i. S. d. Veränderung des Aufenthaltsorts des Betroffenen, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden sind (vgl. BeckOK-BGB/Müller-Engels, Std.: 1.8.2021, § 1906 Rn. 5). Eine gesetzliche Definition für die „freiheitsentziehende Unterbringung“ gibt es nicht. Entsprechend § 2 FEVG [aufgehoben durch FGG-ReformG v. 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586) mit Wirkung vom 1.9.2009] wird davon ausgegangen, dass die Unterbringung mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, wenn sie in einer geschlossenen Anstalt, einem geschlossenen Krankenhaus, einer anderen geschlossenen Einrichtung oder in dem geschlossenen Teil einer (sonst offenen) Einrichtung erfolgt (BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 1906 Rn. 5; vgl. auch BGH NJW 2001, 888). Nicht von § 1906 Abs. 1 BGB erfasst ist dagegen die Unterbringung des Betroffenen in einer offenen Einrichtung, wie z. B. in einem offenen Altenpflegeheim (BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 1906 Rn. 6).

Voraussetzung für die wirksame Vollmachtserteilung ist, dass die Vollmacht „die in den Abs. 1 und 4 genannten Maßnahmen“ ausdrücklich umfasst (vgl. § 1906 Abs. 5 S. 1 BGB). Bezugspunkt der Vollmacht sind daher in Bezug auf die Unterbringung die in Abs. 1 genannten Maßnahmen (vgl. auch MünchKommBGB/Schneider, 8. Aufl. 2020, § 1906 Rn. 124). Dort ist jedoch nur die Unterbringung des Betroffenen, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, genannt. Entscheidend ist daher nur die Art der Unterbringung und die Qualität der Freiheitsbeschränkung, nicht der Ort. Aus unserer Sicht ist es daher nicht erforderlich, dass sich die Vollmacht ausdrücklich auf eine freiheitsentziehende Unterbringung in einem beschützenden Bereich eines offenen Pflegeheims erstreckt, sondern es genügt, wenn die freiheitsentziehende Unterbringung des Vollmachtgebers an sich von der erteilten Vollmacht umfasst ist.

4. Übertragung der Grundsätze auf die hier vorliegenden Vorsorgevollmachten
Die unter Variante 1 genannte Vorsorgevollmacht entspricht u. E. den gesetzlichen Anforderungen, da dort explizit klargestellt ist, dass die Vollmacht den Vollmachtnehmer berechtigt, in eine Unterbringung einzuwilligen, auch wenn dies mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist (§ 1906 Abs. 1 BGB). Der Ort, an dem die freiheitsentziehende Unterbringung erfolgen soll, muss – wie ausgeführt – aus unserer Sicht nicht explizit genannt sein.

Bei der zweiten Vollmacht, die unter Variante 2 geschildert ist, ist den Anforderungen des § 1906 Abs. 5 BGB u. E. nur partiell genügt. Dort berechtigt die Vollmacht nur zur Einwilligung in eine Unterbringung oder Verbringung zu einem stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus, auch wenn dies mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist und / oder dem natürlichen Willen des Vollmachtgebers widerspricht (ärztliche Zwangsmaßnahme, §§ 1906, 1906a BGB).

Hier wurden aus unserer Sicht die Voraussetzungen für die freiheitsentziehende Unterbringung (§ 1906 Abs. 1 BGB) und die für die ärztliche Zwangsmaßnahme (§ 1906a BGB) miteinander vermischt, sodass im Ergebnis davon auszugehen ist, dass zwar eine freiheitsentziehende Unterbringung aufgrund der Vollmacht zulässig sein soll, wohl aber nur in einem Krankenhaus. Dies lässt sich nach dem Wortlaut der hier erteilten Vollmacht als Einschränkung der Vollmacht im Hinblick auf die Unterbringungsbefugnisse ansehen, sodass u. E. die Argumentation des Betreuungsgerichts zumindest in Bezug auf diese später erteilte Vorsorgevollmacht nachvollziehbar erscheint.

Auch aus unserer Sicht bestehen daher in Variante 2 Zweifel, ob die erteilte Vollmacht die Befugnis zur freiheitsentziehenden Unterbringung in der geschlossenen (beschützenden) Abteilung eines offenen Pflegeheims – das eben kein Krankenhaus darstellt – umfasst.

5. Abschließender Gestaltungshinweis
Da die ärztliche Zwangsbehandlung mittlerweile in § 1906a BGB selbstständig geregelt ist, dürfte es sich im Rahmen der Formulierung von Vorsorgevollmachten empfehlen, die entsprechenden Befugnisse zu Maßnahmen i. S. v. § 1906 Abs. 1 oder Abs. 4 BGB bzw. zu Maßnahmen i. S. v. § 1906a BGB separat zu formulieren. Dabei sollte aus dem Text der Vollmacht deutlich hervorgehen, dass der Bevollmächtigte

- nicht nur über Unterbringungen mit freiheitsentziehender Wirkung i. S. v. § 1906 Abs. 1 BGB und

- über freiheitsentziehende Maßnahmen in einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung i. S. v. § 1906 Abs. 4 BGB entscheiden können soll, sondern auch

- über ärztliche Zwangsmaßnahmen i. S. v. § 1906a Abs. 1 BGB bzw. die zwangsweise Verbringung zu einem stationären Aufenthalt in ein Krankenhaus i. S. v. § 1906a Abs. 4 BGB (vgl. BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 1906a Rn. 23; Formulierungsvorschlag bei Müller/Renner, Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis, 5. Aufl. 2018, Rn. 1113, 1114; Müller-Engels, in: Limmer/Hertel/Frenz, Würzburger Notarhandbuch, 6. Aufl. 2022, Teil 3 Kap. 3 Rn. 1).

Gutachten/Abruf-Nr:

186339

Erscheinungsdatum:

15.12.2021

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 187-190

Normen in Titel:

BGB § 1906