02. September 2022
WEG § 3; WEG § 8; ErbbauRG § 12; WEG § 5

Aufteilung eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks nach WEG

WEG §§ 3, 5, 8; ErbbauRG § 12
Aufteilung eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks nach WEG

I. Sachverhalt
Ein bebautes Grundstück ist mit einem Erbbaurecht belastet, welches wiederum in 60 Wohnungserbbaurechte aufgeteilt ist. Das Erbbaurecht besteht noch für mehrere Jahre.

II. Frage
Kann ein erbbaurechtsbelastetes Grundstück nach WEG aufgeteilt werden, wenn sich die WEG-Aufteilung auf jenes Bestandsgebäude bezieht, das im Zeitpunkt der Aufteilung noch wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts i. S. d. § 12 Abs. 1 S. 1 u. 2 ErbbauRG ist?

III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines zur Wirksamkeit der WEG-Aufteilung
a) Begründung von Sondereigentum
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 WEG kann das Miteigentum (§ 1008 BGB) an einem Grundstück durch Vertrag der Miteigentümer in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Miteigentümer abweichend von § 93 BGB das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird. Die Begründung von Wohnungseigentum ist eine Verfügung über das Eigentum am Grundstück, und zwar in Gestalt einer inhaltlichen Ausgestaltung des Grundstückseigentums, die gem. §§ 877, 873 BGB i. V. m. § 4 Abs. 1 WEG durch dingliche Einigung der Miteigentümer und Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch wirksam wird (vgl. BeckOK-WEG/Leidner, Std.: 1.7.2022, § 3 Rn. 39 m. w. N.). Entsprechendes gilt gem. § 8 Abs. 1 WEG bei Teilung durch den Alleineigentümer. Die Teilung wird mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam, § 8 Abs. 2 S. 2 WEG a. F., § 9a Abs. 1 S. 2 WEG n. F. (vgl. BeckOK-WEG/Kral, Std.: 1.7.2022, § 8 Rn. 26).

Nach wohl überwiegender – und u. E. zutreffender – Ansicht wird die Aufteilung des Grundstücks in Wohnungseigentum (§ 1 Abs. 2 WEG) oder Teileigentum (§ 1 Abs. 3 WEG) mit der dinglichen Erklärung der Beteiligten sowie Verlautbarung der Rechtsänderung im Grundbuch wirksam. Unerheblich ist demgegenüber, ob das Gebäude bereits errichtet ist oder mit der Bauausführung begonnen wurde. Mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher und Verlautbarung der von den Beteiligten erklärten Rechtsänderung i. S. v. §§ 3 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 1 WEG im Grundbuch entsteht das „Wohnungs-/Teileigentum“, welches seinerseits verkehrsfähig ist und Gegenstand von Rechten Dritter sein kann (vgl. MünchKommBGB/Krafka, 8. Aufl. 2021, Einl. WEG Rn. 58). Ebenso wie ein Erbbaurecht schon dann entsteht, wenn das Bauwerk noch nicht errichtet ist, so ist auch das Wohnungs-/Teileigentum wirksam begründet, sobald die Teilung im Grundbuch vollzogen ist (vgl. Staudinger/Rapp, WEG, 2018, § 3 Rn. 33; BeckOK-WEG/Leidner, § 3 Rn. 80, 33 ff.; BeckOGK-WEG/Monreal, Std.: 1.12.2021, § 5 Rn. 2-14, § 7 Rn. 53.1; Bärmann/Armbrüster, WEG, 14. Aufl. 2018, § 2 Rn. 37; BeckOK-BGB/Hügel, Std.: 1.5.2022, § 3 WEG Rn. 22; BeckOGK-WEG/M. Müller, Std.: 1.6.2022, § 2 Rn. 21-22, 28 ff.; unklar MünchKommBGB/Krafka, Einl. WEG Rn. 59, der nicht zwischen Inhalt und Gegenstand von Sondereigentum unterscheidet).

Diese Rechtsauffassung wird auch vom BGH vertreten, denn in seiner Entscheidung vom 22.12.1989 – V ZR 339/87 – führt das Gericht aus (NJW 1990, 1111, 1112):

„Die Begründung von Wohnungseigentum ist ein sachenrechtlicher Akt, dessen inhaltliche Zulässigkeit nur davon abhängt, ob er den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes entspricht. Nach § 3 I, § 8 I WEG kann durch Teilungsvereinbarung oder, wie hier, durch Teilungserklärung Wohnungseigentum schon vor Errichtung des Gebäudes gebildet werden.“

Als Zwischenergebnis ist mithin festzuhalten, dass die Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungs- und/oder Teileigentum – insbes. die ansonsten nicht zulässige (Vorrats-)Bildung von Miteigentumsanteilen durch einen Alleineigentümer – unabhängig von der tatsächlichen Bauausführung wirksam wird. Das Grundbuch ist nicht deshalb unrichtig i. S. v. § 894 BGB, weil es an der Errichtung des Gebäudes fehlt (vgl. OLG München RNotZ 2010, 644 betr. nicht errichtete Garagen; LG Köln ZWE 2012, 58 zur nachträglichen Errichtung einer im Aufteilungsplan vorgesehenen Garage; BGH ZWE 2019, 403 Rn. 22). Das Grundbuch verlautbart nämlich nur die rechtlichen Verhältnisse am Grundstück, nicht aber die tatsächlichen Verhältnisse (bspw. das Vorhandensein von Grundstücksbestandteilen) auf dem Grundstück (vgl. BeckOGK-WEG/Monreal, § 5 Rn. 2-14, Rn. 58-61, § 7 Rn. 53.1., der auf die Notwendigkeit der Unterscheidung von Inhalt und Gegenstand von (Sonder-)Eigentum hinweist; BeckOGK-WEG/M. Müller, § 2 Rn. 28 ff.).

b) Zeitpunkt der Entstehung des Sondereigentums
Von einer wirksamen Aufteilung des Grundstücks zu unterscheiden ist der Zeitpunkt der Entstehung des Sondereigentums. Nach der wohl überwiegenden Meinung soll das Sondereigentum erst sukzessive mit der entsprechenden Bauausführung entstehen und zuvor bzgl. des Sondereigentums nur eine Anwartschaft bzw. ein Anwartschaftsrecht bestehen (vgl. BGH NJW 1990, 1111; OLG Hamburg ZWE 2002, 592; OLG Hamm DNotZ 1992, 494; BayObLGZ 1957, 99; OLG Frankfurt Rpfleger 1978, 381; OLG Karlsruhe DNotZ 1973, 235; OLG Hamm DNotZ 1988, 34; Rpfleger 1978, 182; OLG Düsseldorf Rpfleger 1986, 132; LG Köln ZMR 2011, 901; Staudinger/Rapp, § 3 Rn. 33; Wenzel, DNotZ 1993, 299; Schmidt, BWNotZ 1989, 49; Streblow, MittRhNotK 1987, 141; Röll, DNotZ 1977, 69; BeckOK-BGB/Hügel, § 3 WEG Rn. 22).

Die Vorstellung einer sukzessiven Entstehung des Sondereigentums ist der sprachliche Ausdruck dessen, dass nicht hinreichend zwischen Inhalt und Gegenstand von (Sonder-)Eigentum unterschieden wird. Die Begründung von Sondereigentum als inhaltliche Ausgestaltung des Grundstückseigentums ist ein rein rechtlicher Akt, der mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher abgeschlossen ist. Das Vorhandensein eines Gebäudes als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist für die Wirksamkeit und Zulässigkeit dieses Rechtsvorgangs (also die rechtsgeschäftliche Bestimmung des Inhalts von Sondereigentum) gänzlich irrelevant; denn sowohl das Grundstück als auch seine wesentlichen Bestandteile sind nicht das Eigentum, sondern sie sind Gegenstand von Eigentum (vgl. insoweit § 5 WEG, in dem zu Recht zwischen Inhalt und Gegenstand von Sondereigentum unterschieden wird). Wenn also die h. M. davon ausgeht, dass das Sondereigentum erst sukzessive mit der Bauausführung entsteht (s. o.), so ist dies Ausdruck einer unpräzisen Sprache, die die Rechtslage ungenau darstellt. Denn mit der Bauausführung entsteht nicht das Sondereigentum, sondern der Gegenstand von Sondereigentum (vgl. BeckOGK-WEG/M. Müller, § 2 Rn. 28 ff.; BeckOGK-WEG/Monreal, § 5 Rn. 2-14, Rn. 58-61, § 7 Rn. 53.1, 53.5).

c) Schicksal von Belastungen bei einer WEG-Aufteilung
Bei Aufteilung des belasteten Grundstücks nach WEG setzen sich die am Gesamtgrundstück bestehenden Belastungen an allen Wohnungseigentumsrechten fort (BeckOGK-WEG/M. Müller, § 2 Rn. 42 ff. m. w. N.), weshalb nach einhelliger Meinung die WEG-Aufteilung auch nicht der Zustimmung jener dinglichen Gläubiger bedarf, die am gesamten Grundstück berechtigt sind (vgl. BeckOGK-WEG/M. Müller, § 2 Rn. 106-107.3; Bärmann/Armbrüster, § 2 Rn. 23; MünchKommBGB/Krafka, § 3 WEG Rn. 7; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 3 Rn. 74-76; explizit für Grundpfandrechte BGH NJW 2012, 1226).

2. Schlussfolgerungen für die WEG-Aufteilung eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks
Nach unserem Dafürhalten ist eine WEG-Aufteilung im geschilderten Sachverhalt zulässig (a. A. jedoch Gutachten DNotI-Report 1998, 13; OLG Hamm NJW-RR 1999, 234; Bärmann/Armbrüster, WEG § 1 Rn. 165; Riecke/Schmid/Schneider; WEG, 5. Aufl. 2019, § 1 Rn. 219; BeckOGK-WEG/M. Müller, § 3 Rn. 44 m. w. N.: Die Belastung mit dem Erbbaurecht stehe der WEG-Aufteilung dann entgegen, wenn sich die Aufteilung auf ein Gebäude beziehe, das gem. § 12 Abs. 1 ErbbauRG Bestandteil des Erbbaurechts sei.). Der Umstand, dass die Räume, die gemäß der WEG-Aufteilung Gegenstand von Sondereigentum sein sollen, im Zeitpunkt der Aufteilung (noch) kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sind, hindert u. E. den rechtlichen Vorgang der WEG-Aufteilung nicht.

Durch das Rechtsgeschäft gem. §§ 3 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 1 WEG wird das Eigentum an dem Grundstück derart inhaltlich ausgestaltet, dass abweichend von § 93 BGB wesentliche Bestandteile des Grundstücks sonderrechtsfähig sein können. In dieser Derogation des § 93 BGB liegt letztlich der eigentliche Rechtsakt der WEG-Aufteilung, der mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher abgeschlossen ist (BeckOGK-WEG/Monreal, § 5 Rn. 2-7, § 7 Rn. 53.1-53.5). Über die Frage, ob die zu Wohn- oder sonstigen Zwecken dienenden Räume auf dem Grundstück auch vorhanden, also ein wesentlicher Bestandteil des aufgeteilten Grundstücks sind, sagt dieser Rechtsakt nichts aus; denn das Grundbuch verlautbart nur die rechtlichen Verhältnisse am Grundstück (hier: betreffend die inhaltliche Ausgestaltung des Grundstückseigentums), nicht aber das Vorhandensein von wesentlichen Bestandteilen. Aus diesem Grund ist nach einhelliger Ansicht auch die Aufteilung eines unbebauten Grundstücks zulässig.

Im vorliegenden Fall fehlt es lediglich am Gegenstand des Sondereigentums (Gebäude als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks), solange das Erbbaurecht besteht. Endet das Erbbaurecht jedoch, wird das Gebäude gem. § 12 Abs. 3 WEG wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Die vorliegende Situation, in der das Gebäude aus rechtlichen Gründen (noch) kein wesentlicher Bestandteil des aufzuteilenden Grundstücks ist, kann u. E. nicht anders behandelt werden als die Situation, in der der Gegenstand von Sondereigentum mangels Bebauung und damit aus tatsächlichen Gründen fehlt. Denn die Begründung von Wohnungseigentum ist ein sachenrechtlicher Rechtsakt, dessen inhaltliche Zulässigkeit nur davon abhängt, ob er den Bestimmungen des WEG entspricht (BGH NJW 1990, 1111, 1112). Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Belastung des Grundstücks mit einem Erbbaurecht samt der hiermit einhergehenden Rechtsfolge des § 12 Abs. 1 ErbbauRG die Existenz von substanzlosem Sondereigentum für längere Zeit vorgibt. Denn auch bei einer „Vorratsteilung“ eines bislang unbebauten Grundstücks obliegt es dem Eigentümer, ob er dieses entsprechend der Aufteilung bebaut oder dies (ggf. für Jahre) unterlässt. Während bei der Aufteilung eines unbebauten Grundstücks die Entstehung des Gegenstands von Sondereigentum ein zukünftiges ungewisses Ereignis ist, bewirkt das Erbbaurecht vorliegend lediglich eine Befristung der Substanzlosigkeit des Sondereigentums. Für uns ist kein sachenrechtlicher Grund ersichtlich, die Substanzlosigkeit aus rechtlichen Gründen anders zu behandeln als die Substanzlosigkeit aus tatsächlichen Gründen, denn die Existenz bzw. Nichtexistenz des Gegenstands von (Sonder-)Eigentum ist für den rechtsgeschäftlichen Vorgang der WEG-Aufteilung (inhaltliche Ausgestaltung des Grundstückseigentums = Inhalt des Sondereigentums) per se unmaßgeblich.

3. Ergebnis
Im Ergebnis halten wir daher – entgegen unserer vormals geäußerten Rechtsauffassung (Gutachten DNotI-Report 1998, 13) und entgegen der ganz h. M. – eine WEG-Aufteilung im vorliegenden Fall für zulässig. Eine höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage steht indes noch aus.

Gutachten/Abruf-Nr:

190968

Erscheinungsdatum:

02.09.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG
Erbbaurecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 129-131

Normen in Titel:

WEG § 3; WEG § 8; ErbbauRG § 12; WEG § 5