03. September 2021

Datenschutzrechtliche Beurteilung der Weitergabe von Unterlagen des Verkäufers an den Käufer im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags

Gutachten-Abruf-Dienst
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 183895
letzte Aktualisierung: 3. September 2021

DSGVO Art. 1, 6 Abs. 1
Datenschutzrechtliche Beurteilung der Weitergabe von Unterlagen des Verkäufers an
den Käufer im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags

I. Sachverhalt

V verkauft an K ein vermietetes Haus. K verlangt, in den Kaufvertrag eine Pflicht des V aufzunehmen,
ihm nach Kaufpreiszahlung die Hausunterlagen (Mietvertrag, Nebenkostenabrechnungen,
Energieausweis, Bauanträge, Baupläne, etc.) herauszugeben. V fragt den Notar, ob er bei
der Herausgabe dieser Unterlagen Pflichten nach der DSGVO zu beachten hat. V und K sind
natürliche Personen und handeln hier jeweils als Verbraucher.

II. Frage

Ob und ggf. welche datenschutzrechtliche Pflichten hat der Privatverkäufer einer Immobilie zu
beachten, wenn er objektbezogene Unterlagen an den Käufer weitergibt?

III. Zur Rechtslage

1. System des Europäischen Datenschutzrechts

Die Datenschutzgrundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 27. April 2016, DSGVO) regelt Vorschriften zum Schutz natürlicher
Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, Art. 1 DSGVO. Zu diesem
Zweck enthält Art. 6 DSGVO ein Verbot mit einem Erlaubnisvorbehalt, demzufolge die
Verarbeitung personenbezogener Daten nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.

Als personenbezogene Daten gelten dabei alle Informationen, die sich auf eine identifizierte
oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen. Als
identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere
mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu
Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen,
die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen,
kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden
kann (Art. 4 Nr. 1 DSGVO). „Verarbeitung“ umfasst jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter
Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang
mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das
Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen,
die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form
der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen
oder die Vernichtung (Art. 4 Nr. 2 DSGVO).

2. Anwendung auf notarielle Kaufverträge

Eine Bereichsausnahme für Kaufverträge zwischen Verbrauchern enthält die DSGVO
nicht, sodass bei der Verarbeitung von Daten jeweils zu prüfen ist, ob die Anwendung nach
der DSGVO gerechtfertigt ist (vgl. auch Klausch/Hartmann, BB 2019, 1030). Dabei ist
nach den verschiedenen Daten zu differenzieren.
a) Mietvertrag

Der Mietvertrag enthält regelmäßig Informationen, die sich auf eine natürliche Person
– den Mieter – beziehen. Ist der Mietvertrag dagegen mit einer juristischen Person oder
Personengesellschaft geschlossen, findet die DSGVO regelmäßig keine Anwendung, da
kein Bezug zu einer natürlichen Person besteht (Klausch/Hartmann, BB 2019, 1030,
1030 f.). Die Offenlegung durch Übermittlung stellt auch einen Verarbeitungsvorgang
dar, sodass gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO ein Rechtfertigungsgrund erforderlich ist.
Denkbar ist daher eine Offenlegung mit Einwilligung des Mieters (Art. 6 Abs. 1 lit. a
DSGVO); im Fall einer solchen Einwilligung ist die Offenlegung stets möglich.
Fehlt eine Einwilligung, ist ferner an die Verarbeitung zur Erfüllung eines Vertrags
oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen zu denken (Art. 6 Abs. 1 lit. b
DSGVO). Beim Vertrag handelt es sich hier nicht um den Kaufvertrag, da das Tatbestandsmerkmal
des Vertrags nicht zu Lasten Dritter durch einen Vertrag ausgefüllt
werden kann, an dem der Betroffene (= Mieter) nicht beteiligt ist (vgl. den Wortlaut
„Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist“;
Buchner/Petri, in: Kühling/Bucher, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 6 DSGVO
Rn. 32a; Kramer, in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 7. Aufl. 2020, Art. 6 DSGVO
Rn. 30). Vielmehr ist der Mietvertrag relevant, in den der Erwerber nach § 566 BGB
eintritt. Allerdings erfolgt der Eintritt bekanntlich erst mit Umschreibung des Eigentums
im Grundbuch, gewollt ist nach dem Kaufvertrag jedoch regelmäßig ein wirtschaftlicher
Übergang von Nutzungen bereits mit Kaufpreiszahlung und Übergabe.
Nach der Logik der DSGVO handelt es sich damit um vorvertragliche Maßnahmen, die
nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO grundsätzlich auf Anfrage der betroffenen Person
erfolgen müssen. Eine solche Anfrage des Mieters dürfte im Regelfall nicht vorliegen.
Dieses Tatbestandsmerkmal zielt auf die Beschränkung ungewünschter Vertragsanbahnungen
ab (Buchner/Petri, Art. 6 DSGVO Rn. 34), sodass die vorliegende
Konstellation nicht unter den Schutzzweck dieser Norm fällt. Dennoch verbleiben
Restzweifel, ob die Offenlegung des Mietvertrags auf Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO
gestützt werden kann (offenbar großzügiger Klausch/Hartmann, BB 2019, 1030, 1034).

Schließlich ist an die Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu denken. Demzufolge
ist die Verarbeitung gerechtfertigt, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen
des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen
oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz
personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei
der betroffenen Person um ein Kind handelt. Die Prüfung erfolgt dreistufig. Zunächst
ist ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen (Verkäufer) oder eines Dritten
(Erwerber) zu begründen, das – wie sich aus Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO ergibt – jeden-
falls bei der Verarbeitung von Daten zur Geltendmachung oder Ausübung von
Ansprüchen vorliegt (Buchner/Petri, Art. 6 DSGVO Rn. 147). In der Vereinbarung des
Übergangs von Nutzungen mit Kaufpreiszahlung wird man eine Abtretung von Mietzinsforderungen
sehen können, sodass sich dieses Tatbestandsmerkmal bejahen lässt.

Auf der zweiten Stufe ist die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zu prüfen
(Buchner/Petri, Art. 6 DSGVO Rn. 147a), was sich vorliegend ebenfalls bejahen lassen
dürfte. Auf der dritten Stufe ist schließlich eine Abwägung mit entgegenstehenden
Interessen des Mieters zu prüfen. Solche schutzwürdigen Interessen des Mieters, die
gegen eine Verarbeitung, d. h. Offenlegung seiner Daten, sprechen, dürften bei Weitergabe
der Daten nach Kaufvertragsabschluss im Regelfall nicht anzunehmen sein (so
auch Klausch/Hartmann, BB 2019, 1030, 1034). Besondere Sorgfalt ist bei Kindern
angebracht, die jedoch nach der allgemeinen Lebenserfahrung wohl regelmäßig nicht
selbst in den Mietvertrag aufgenommen werden. Dabei soll nach dem Alter zu
differenzieren sein; bis zu einem Alter von 16 Jahren sollen schutzwürdige Interessen
des Kindes regelmäßig überwiegen, während zwischen 16 und 18 Jahren eine
Abwägung im Einzelfall stattfinden soll (Buchner/Petri, Art. 6 DSGVO Rn. 155). U. E.
sind freilich auch bei einem Kind als Mieter schutzwürdige Interessen gegen die Offenlegung
von Informationen nach Kaufvertragsabschluss nicht ohne Weiteres ersichtlich.
Im Ergebnis lässt sich u. E. die Offenlegung des Mietvertrags nach bzw. mit Kaufvertragsabschluss
jedenfalls auf die Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen.

b) Nebenkostenabrechnung

Für die Nebenkostenabrechnung dürften ähnliche Erwägungen gelten wie für den
Mietvertrag. Das Vorliegen personenbezogener Daten lässt sich wohl auch hier regelmäßig
bejahen, auch wenn die Daten häufig nach Haushalten bzw. Zählerstellen aggregiert
sein werden. Auch wenn eine Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) im Einzelfall
nicht vorliegt und die Daten bereits vor Eintreten in den Mietvertrag (Art. 6
Abs. 1 lit. b DSGVO) übergeben werden sollen, dürfte sich die Übergabe von
Nebenkostenabrechnungen jedenfalls durch eine Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f
DSGVO rechtfertigen lassen. Dies gilt insoweit, als die Nebenkosten mit den Mietern
noch nicht abschließend abgerechnet sind, lässt sich u. E. aber auch darüber hinaus für
abgerechnete Jahrgänge bejahen, bei denen die Verjährungsfristen noch nicht
abgelaufen sind. U. E. lässt sich sogar für einen gewissen Zeitraum (etwa für die
vergangenen fünf Jahre) ein gewisses Interesse des Erwerbers an Unterlagen
begründen, aus denen sich ergibt, wie sich die Nebenkosten und der Verbrauch
entwickelt haben. Je länger die Nebenkosten zurückreichen, desto geringer dürfte
freilich das berechtigte Interesse des Erwerbers an den Unterlagen sein, sodass bei noch
länger zurückliegenden Abrechnungen die Interessen der (damaligen) Mieter am Schutz
ihrer Daten überwiegen dürften.

c) Energieausweis

Beim Energieausweis ist u. E. bereits fraglich, ob er überhaupt personenbezogene
Daten enthält. Selbst wenn dies – im Einzelfall – so sein sollte, wäre eine Offenlegung
nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO (rechtliche Verpflichtung) bereits deswegen gerechtfertigt,
weil der Verkäufer zur Übergabe des Energieausweises nach § 80 Abs. 4 S. 5
Gebäudeenergiegesetz (GEG) unverzüglich nach Abschluss des Kaufvertrags den
Energieausweis oder eine Kopie hiervon zu übergeben hat. Obwohl die Übergabepflicht
an einen Vertragsschluss anknüpft, handelt es sich nicht um eine ver-
tragliche Verpflichtung (die für Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO nicht ausreichen würde,
Kramer, Art. 6 DSGVO Rn. 53), sondern ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und
ist von den Vertragsparteien des Kaufvertrags auch nicht disponibel.

d) Bauantrag, Baupläne

Sofern es sich um Bauunterlagen handelt, dürften u. E. dort personenbezogene
Daten regelmäßig nicht enthalten sein, sodass die DSGVO keine Anwendung
findet. Sofern dies im Einzelfall anders sein sollte – etwa die Namen der Antragsteller
aus den Unterlagen hervorgehen –, dürfte dies regelmäßig durch deren Einverständnis
gedeckt sein (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO), wenn die damaligen Antragsteller die Verkäufer
sind (ein solches Einverständnis kann sich bereits aus dem notariellen Kaufvertrag
ergeben, wenn dort die Übergabe von Unterlagen erwähnt ist). Sind die Daten
anderer Personen betroffen, dürfte im Regelfall – abhängig von den konkret in den
Unterlagen enthaltenen Daten – kein schutzwürdiges Interesse der Betroffenen
bestehen, das gegenüber dem Interesse des Erwerbers (auch dessen wirtschaftliche
Interessen sind bereits schutzwürdig, Buchner/Petri, Art. 6 DSGVO Rn. 146a
m. w. N.) überwiegt. Anders kann dies sein, sofern die Unterlagen Angaben zu Kreditverträgen
enthalten oder Rückschlüsse auf die Finanzierung oder Bonität der damaligen
Antragsteller zulassen. Im Ergebnis dürfte die Übergabe der Unterlagen daher u. E.
regelmäßig jedenfalls auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu stützen sein.

3. Ergebnis

Vorbehaltlich einer Prüfung des Einzelfalls auf besonders vertrauliche Daten bestehen aus
unserer Sicht gegen die Weitergabe der genannten Unterlagen keine generellen Bedenken
aus datenschutzrechtlichen Gründen.

Gutachten/Abruf-Nr:

183895

Erscheinungsdatum:

03.09.2021

Rechtsbezug

National