19. Februar 2021
BGB § 93; BGB § 1090; BGB § 516; BGB § 1018; BGB § 94

Eigengenutzte und einspeisende Photovoltaikanlage als wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes; beschränkte persönliche Dienstbarkeit zur nachträglichen Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 180875
letzte Aktualisierung: 19. Februar 2021

BGB §§ 93, 94, 95, 516, 1018, 1090
Eigengenutzte und einspeisende Photovoltaikanlage als wesentlicher Bestandteil eines
Gebäudes; beschränkte persönliche Dienstbarkeit zur nachträglichen Begründung der
Scheinbestandteilseigenschaft

I. Sachverhalt

Auf einem Wohnhaus mit zwei Wohnungen befindet sich eine Photovoltaikanlage. Bisher stehen
Wohnhaus und Photovoltaikanlage beide im Eigentum der Eltern. Die Eltern bewohnen
auch eine der Wohnungen im Wohnhaus selbst. Die andere Wohnung bewohnt der Sohn, ein
explizites Rechtsverhältnis zur Regelung dieses Sachverhalts (z. B. Mietvertrag) besteht nicht.

Der von der Photovoltaikanlage eingespeiste Strom wird, soweit dies möglich, eigenverbraucht.

Soweit die Produktion überschießend ist, wird der Strom in das öffentliche Netz eingespeist.
Geplant ist nunmehr eine Überlassung des Hauses an den Sohn unter Vereinbarung eines Wohnungsrechts
für die Eltern an deren Wohnung. Die Photovoltaikanlage möchten die Eltern zurückbehalten,
um weiterhin die Einspeisevergütung als Baustein ihrer Altersversorgung zu erhalten.

II. Frage

Stellt eine Photovoltaikanlage, die sowohl der Eigennutzung als auch der Einspeisung dient (wie
dies bei allen neueren Anlagen erfahrungsgemäß der Fall ist) eine bewegliche Sache dar und
kann somit bei der Übergabe des Hauses zurückbehalten werden?

III. Zur Rechtslage

1. Photovoltaikanlage als bewegliche Sache oder wesentlicher Bestandteil, §§ 93, 94
BGB

Unstreitig kann sich der Übergeber bei Überlassung des Grundstücks das Eigentum an der
Photovoltaikanlage zurückbehalten, wenn diese sonderrechtsfähig ist (vgl. hierzu und zur
Problematik der Photovoltaikanlage im Kontext von Überlassungsverträgen jüngst Meier,
MittBayNot 2019, 548, 549 ff.); damit darf es sich bei ihr nicht um einen wesentlichen
Bestandteil des Gebäudes (§ 94 Abs. 2 BGB) und damit in der Folge des zu überlassenden
Grundstücks (§ 94 Abs. 1 BGB) handeln. Soweit man hinsichtlich der
Photovoltaikanlage nicht vom Vorliegen eines wesentlichen Bestandteils, sondern allenfalls
von Zubehör i. S. d. § 97 BGB ausgeht, wäre diese sonderrechtsfähig (vgl. § 97 BGB).

Fraglich ist also, ob es sich bei der Photovoltaikanlage um einen wesentlichen Bestandteil
des Grundstücks gem. §§ 93, 94 Abs. 1 S. 1, 94 Abs. 2 BGB handelt. Die Einordnung einer
Photovoltaikanlage als wesentlicher Bestandteil ist stets eine Frage des Einzelfalls
(Flache, notar 2017, 83, 87).

Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören nach § 94 Abs. 1 S. 1 BGB
die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die
Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Nach § 94
Abs. 2 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes die zu dessen Herstellung
eingefügten Sachen. Nach § 93 BGB ist ein wesentlicher Bestandteil jedenfalls dann
gegeben, wenn zum Zwecke der Trennung entweder dieser oder der andere Bestandteil
zerstört werden müsste (Binger, MittRhNotK 1984, 205, 206).

Für die Einordnung der Photovoltaikanlage kommt es auf die konkreten Eigenschaften der
Anlage an: Sogenannte dach- oder fassadenintegrierte Anlagen sind nach ganz h. M.
stets als wesentliche Bestandteile des Gebäudes zu werten, da durch sie die Gebäudehülle
und damit das Gebäude erst als fertiggestellt zu betrachten ist (so etwa
LG Passau RNotZ 2012, 511, 512; Flache, notar 2017, 83, 85; Meier, MittBayNot 2019, 548,
549).

Soweit es sich um sogenannte Aufdachanlagen handelt, wird häufig angenommen, dass
es an der Einbringung zur Herstellung fehlt, da diese schon optisch als nachträglich aufgebauter
Fremdkörper wirken und sich nicht in die Gesamtarchitektur einfügen
(OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.9.2012 – 12 W 230/12, BeckRS 2013, 3671; ebenso Reymann,
DNotZ 2010, 84, 96). Eine Aufdachanlage soll aber dann als wesentlicher Bestandteil
einzuordnen sein, wenn die Anlage den Strom nicht ins öffentliche Netz einspeist, sondern
dieser ausschließlich auf dem Grundstück selbst verbraucht wird (sog. Inselanlage, vgl.
ebenso Reymann, DNotZ 2010, 84, 96 f.). In diesem Fall sei die Anlage schon deshalb als
Bestandteil zu werten, weil sie der Versorgung dient und das Gebäude ohne sie als unfertig
anzusehen ist (Flache, notar 2017, 83, 86).

In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Photovoltaikanlage nicht nur der Versorgung
des betreffenden Grundstücks, sondern auch der Einspeisung von Solarenergie in das öffentliche
Stromnetz dient (netzgekoppelte Anlage), soll es nach Reymann indiziell auf die
überwiegende Nutzung ankommen (Reymann, DNotZ 2010, 84, 97). Dies scheint nach
unserem Dafürhalten nicht überzeugend. Denn die Menge des Stroms, der in das öffentliche
Stromnetz eingespeist wird, dürfte zum einen vom Umfang des eigengenutzten Stroms
und zum anderen von der Intensität der Sonneneinstrahlung abhängen; beide Parameter
unterliegen (naturgemäß) Schwankungen. Hiervon darf aber die – ansonsten möglicherweise
ebenfalls schwankende – sachenrechtliche Einordnung der Photovoltaikanlage als wesentlichem
Bestandteil des Gebäudes bzw. Grundstücks oder als sonderrechtsfähigem Scheinbestandteil
nicht abhängen. Lässt man die nachträgliche Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft
analog § 95 Abs. 1 S. 2 BGB (dazu sogleich 2.) entgegen der überzeugenden
Ansicht der Literatur nicht zu, so hinge die Möglichkeit der Übergeber, sich das Eigentum
an der Photovoltaikanlage vorzubehalten – überspitzt formuliert – davon ab, ob die Überlassung
an einem sommerlichen Tag im Juli oder einem bewölkten Tag im Winter erfolgte.

Richtigerweise dürfte daher im Sinne der Rechtssicherheit in Fällen der sowohl eigengenutzten
als auch fremdeinspeisenden Anlage gerade umgekehrt danach zu differenzieren
sein, ob die Stromversorgung des Gebäudes ausschließlich durch die Photovoltaikanlage
sichergestellt ist (oder diese etwa eine anderweitig nicht herzustellende Warmwas-
serversorgung bewirkt, vgl. Meier, MittBayNot 2019, 548, 549) – dann ist sie wesentlicher
Bestandteil i. S. v. § 94 Abs. 2 BGB –, oder diese Funktionen (auch) durch einen Anschluss
an das öffentliche Netz sichergestellt sind (in diese Richtung wohl auch Meier, MittBayNot
548, 549 und Staudinger/Stieper, BGB, 2017, § 94 Rn. 31a). Im letzteren Falle mag die Photovoltaikanlage
zwar auch dem (wirtschaftlichen) Zweck des Gebäudes dienen. Dies begründet
aber unseres Erachtens lediglich die Zubehöreigenschaft gem. § 97 Abs. 1 BGB,
weil die Anlage dann zur Herstellung des Bauwerks nicht notwendig ist (und eine „Fertigstellung“
des Gebäudes nach der Verkehrsanschauung auch ohne die Photovoltaikanlage
denkbar ist, vgl. dazu allgemein Staudinger/Stieper, § 94 Rn. 25) und sie das Gebäude auch
nicht in seiner spezifischen Eigenart prägt, was von der Rechtsprechung unter Berücksichtigung
der jeweiligen Verkehrsanschauung für die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil
gem. § 94 Abs. 2 BGB regelmäßig gerade gefordert wird (so etwa BGH NJW 1970, 895
zur Eigenschaft eines Heizkessels mit Ölheizung als wesentlichem Bestandteil des
Gebäudes; dort wurde „die Heizung [nach dem Einbau] nur noch ölbefeuert“; vgl. auch
BGH NJW-RR 1990, 586). Zu anderen Ergebnissen mag man allenfalls dort kommen, wo
es sich nach der Verkehrsanschauung in energietechnischer Sicht augenscheinlich um ein
Selbstversorgerhaus handelt und dem passiven Anschluss des Gebäudes an das öffentliche
Stromnetz – unabhängig von der selbst durch die Photovoltaikanlage eingespeisten
Strommenge – lediglich eine untergeordnete Sicherungs- bzw. Auffangfunktion zukommt.

Wir weisen insofern allerdings darauf hin, dass das vorstehende Ergebnis sich weder auf
Rechtsprechung noch auf (ausführliche) Stellungnahmen in der Literatur stützen kann und
damit eine gewisse Rechtsunsicherheit verbleibt.

Die konkrete Prüfung der Bestandteilseigenschaft ist mangels Kenntnis sämtlicher Umstände
des Einzelfalls im Rahmen eines abstrakten Rechtsgutachtens naturgemäß nicht
möglich. Aufgrund der regelmäßig – auch nach Sachverhaltsermittlung durch den Notar –
verbleibenden Rechtsunsicherheit wird vereinzelt geraten, faktisch regelmäßig von der
wesentlichen Bestandteilseigenschaft der Photovoltaikanlage auszugehen (Meier
MittBayNot 2019, 548, 549). Ob man dem folgen mag, wird von den Umständen abhängen,
die die Beteiligten im Rahmen der Sachverhaltsermittlung mitzuteilen vermögen.

2. Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft

a) Anfängliche Begründung eines Scheinbestandteils, § 95 Abs. 1 S. 1 BGB
Für den Fall, dass ursprünglich die Voraussetzungen der §§ 93, 94 BGB gegeben waren,
ist hilfsweise daran zu denken, dass bereits im Zeitpunkt der Errichtung der Anlage
ein Scheinbestandteil gem. § 95 BGB begründet wurde. Gemäß § 95 Abs. 1 S. 1
BGB werden zu Scheinbestandteilen des Grundstücks bzw. des Gebäudes Werke, die
nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden
sind.

Der für die Dauer der beabsichtigten Verbindung maßgebliche Zweck bestimmt sich
nach der inneren Willensrichtung des Verbindenden, die zwar nicht erkennbar geäußert
worden, aber mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang
zu bringen sein muss (BeckOGK-BGB/Mössner, Std.: 1.4.2020, § 95 Rn. 9).

Letztlich ist dies Tatfrage und kann daher vom DNotI ohne nähere Kenntnis des
Sachverhalts nicht beurteilt werden. Insoweit sei allerdings erneut auch auf die Ausführungen
von Meier (MittBayNot 2019, 548, 550) hingewiesen, der im Ergebnis wohl zutreffend
davon ausgeht, dass schon die Verbindung zu einem vorübergehenden
Zweck jedenfalls dann ausscheidet, wenn – wie bei privaten Photovoltaikanlagen üb-
lich – der Ausbau erst erfolgen soll, nachdem die Sache in ihrem wirtschaftlichen und
praktischen Wert zerstört ist.

Sollte im vorliegenden Fall eine dahingehende innere Willensrichtung nicht gegeben
sein, wären die Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 S. 1 BGB nicht erfüllt gewesen und es
handelte sich – wenn man die Anlage nicht als bewegliche Sache ansieht – um einen
wesentlichen Bestandteil.

b) Nachträgliche Begründung eines Scheinbestandteils, § 95 Abs. 1 S. 2 BGB
analog

Sollte man im vorliegenden Fall von einem wesentlichen Bestandteil ausgehen müssen,
so ist eine getrennte Veräußerung nur dann möglich, wenn es gelingt, nachträglich
eine sog. Scheinbestandteilseigenschaft nach § 95 Abs. 1 S. 2 BGB (analog) herzustellen.

Ob dies rechtlich möglich ist, ist umstritten.

Wir erlauben uns insofern, auf unser Gutachten DNotI-Report 2014, 57 ff., insb. 61,
zu verweisen. Den dortigen Ausführungen kann entnommen werden, dass das
Meinungsbild in der Literatur stark divergiert und sich in jüngerer Vergangenheit einige
Obergerichte gegen eine analoge Anwendung des § 95 Abs. 1 S. 2 BGB ausgesprochen
haben (Gutachten DNotI-Report 2014, 57, 60 f. m. w. N.; ausführlich Meier,
MittBayNot 2020, 1).

Nach einer Ansicht in der Literatur (v. a. Reymann, ZIP 2013, 605, 607), die Meinung
vertritt, dass die Grundstücksveräußerung insofern einen Sonderfall bildet. Danach
soll es beim Verkauf eines Grundstücks mit aufstehendem Haus und einer auf dem
Dach befindlichen Photovoltaikanlage möglich sein, dass sich der Veräußerer das
Eigentum an der Photovoltaikanlage „vorbehält“. Dazu müsse für den Veräußerer
eine beschränkt persönliche Photovoltaikdienstbarkeit (§ 1090 BGB) bestellt werden.
Zwar könne die anlässlich der Veräußerung bestellte Dienstbarkeit keinen gesetzlichen
Eigentumsübergang (§ 946 BGB), wohl aber einen rechtsgeschäftlichen Miterwerb
der Anlage (vgl. §§ 873 Abs. 1, 925, 93, 94 BGB) verhindern. In diesem Fall sprächen
daher gute Argumente für die analoge Anwendung des § 95 Abs. 1 S. 2 BGB
(Reymann, ZIP 2013, 605, 607). Folgt man dem, so wäre es nur konsequent, auch in
Ihrem Fall die nachträgliche Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft durch
Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zuzulassen. Zum gleichen
Ergebnis kommt – unter ausführlicher Begründung, die sich sowohl auf die Entstehungsgeschichte
als auch auf den Telos von § 95 Abs. 1, 2 BGB stützen kann –
jüngst auch Meier (MittBayNot 2020, 1, 4), der0 auch einen Formulierungsvorschlag
unterbreitet.

Wir weisen jedoch darauf hin, dass eine bejahende Rechtsprechung zu dieser Frage
bislang nicht existiert und die Problematik auch in der Literatur umstritten ist, sodass
erhebliche Rechtsunsicherheiten verbleiben, auf die die Beteiligten hinzuweisen
sind.

3. Ergebnis

Im Lichte der vorstehenden Ausführungen zeigt sich, dass sich die Frage nach der Bestandteilseigenschaft
einer Photovoltaikanlage, die an vorhandenen Gebäuden angebracht
ist, nur durch die Kenntnis der konkreten Einzelfallumstände beantworten lässt. So-
weit die Photovoltaikanlage sowohl der Eigenversorgung des Gebäudes als auch der Einspeisung
in das öffentliche Netz dient, muss die Rechtslage als ungeklärt bezeichnet werden.
Gleiches gilt für Frage der nachträglichen Herbeiführung der Scheinbestandteilseigenschaft
mittels Dienstbarkeit gem. § 95 Abs. 1 S. 2 BGB analog.

Gutachten/Abruf-Nr:

180875

Erscheinungsdatum:

19.02.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Normen in Titel:

BGB § 93; BGB § 1090; BGB § 516; BGB § 1018; BGB § 94