05. August 2022
BGB § 883; BGB § 881; GBO § 5; BGB § 890

Vereinigung von Grundstücken; keine grundbuchliche Verwirrung durch Belastung eines der Grundstücke mit einer Auflassungvormerkung nebst Rangvorbehalt

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 189478
letzte Aktualisierung: 05. August 2022

BGB §§ 883, 881, 890; GBO § 5
Vereinigung von Grundstücken; keine grundbuchliche Verwirrung durch Belastung eines
der Grundstücke mit einer Auflassungvormerkung nebst Rangvorbehalt

I. Sachverhalt
Im Grundbuch sollen zwei Grundstücke vereinigt werden. Auf einem der beiden Grundstücke ist
eine Rückauflassungsvormerkung zugunsten einer Gemeinde mit einem Rangvorbehalt für ein
Grundpfandrecht eingetragen. Im Übrigen sind beide Grundstücke lastenfrei. Es soll ein Vereinigungsantrag
vorbereitet werden.

II. Frage
Können die beiden Grundstücke vereinigt werden, wenn nur eines der Grundstücke mit einer
Rückauflassungsvormerkung belastet ist?

III. Zur Rechtslage
1. Vereinigung von Grundstücken
a) (Vermeintlich) Materiell-rechtliche Ebene gem. § 890 BGB
Nach § 890 Abs. 1 BGB können mehrere Grundstücke dadurch zu einem Grundstück
vereinigt werden, dass der Eigentümer sie als ein Grundstück in das Grundbuch eintragen
lässt. Nach ganz herrschender Ansicht handelt es sich hierbei um einen rechtsgeschäftlichen
Vorgang (vgl. BeckOGK-BGB/Hertel, Std. 15.4.2021, § 890 Rn. 33;
MünchKommBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, § 890 Rn. 9; Staudinger/Picker, BGB, Std.:
30.6.2021, § 890 Rn. 24). Nach persönlicher Ansicht des Linksunterzeichners handelt es sich
hingegen um einen tatsächlichen Vorgang, der eine wirksame materiell-rechtliche
Willenserklärung des Grundstückseigentümers nicht voraussetzt. Eine vertiefte Auseinandersetzung
mit der (Rechts-)Natur des Vorgangs gem. § 890 Abs. 1 BGB ist an dieser
Stelle indes entbehrlich, da jedenfalls die unterschiedliche Belastung der Grundstücke auf
der (vermeintlich) materiell-rechtlichen Ebene keinerlei Rolle spielt. Dies verdeutlicht ein
Blick in die Gesetzgebungsmaterialien, in denen es in den Motiven zum BGB heißt:

„Der Begriff des einheitlichen Grundstückes erleidet in Preußen,
Sachsen, Oldenburg und anderen Staaten eine Erweiterung
dadurch, dass mehrere Grundstücke, von welchen an sich jedes
selbständig bz. unter einer besonderen Nummer im Flurbuche aufgeführt
ist, zu einem einheitlichen Gutsverbande vereinigt werden
können. … Der Entwurf gestattet deshalb, mehrere Grundstücke,
von welchen jedes im Flurbuche seine eigene Nummer hat, im
Grundbuche als ein einheitliches Grundstück mit der Wirkung zu
buchen, dass die einzelnen Grundstücke als nicht wesentliche Bestandtheile
des einheitlichen Ganzen in gleicher Weise gelten, wie
die einzelnen Flächentheile eines unter einer Nummer im Flurbuche
aufgeführten Grundstückes. … Die Folge ist, daß, wenn zwei
verschieden belastete Grundstücke zu einem einzigen vereinigt
werden, die Verschiedenheit der Belastung an den nunmehrigen
Bestandtheilen des letzteren sich fortsetzt. Daraus ergeben sich
dann für die Buchführung und das Zwangsversteigerungsverfahren
die Uebelstände, welche oben hervorgehoben worden sind.
Es kann sich deshalb fragen, ob es nicht besser wäre, nach dem
Vorgange des bayer. HypothG § 36 und des hamb. GrundbG. § 16
positiv zu bestimmen, daß in dem vorausgesetzten Falle das eine
Grundstück mit dem anderen nicht vereinigt bz. demselben nicht
zugeschrieben werden dürfe. Die Bedeutung einer solchen Bestimmung
im BGB würde die sein, daß jede derselben zuwiderlaufende
Zuschreibung nichtig wäre. Ein so scharfer Eingriff in die rechtlichen
Beziehungen der Betheiligten ist jedoch nicht erforderlich,
um den mit einer nicht einheitlichen Belastung des Grundstückes
verbundenden Uebelständen zu begegnen. Vielmehr würde hierzu
eine Ordnungsvorschrift genügen, die ihre Stellung in der
GrundbO. zu finden hätte. Der letzteren muß daher die Entscheidung
darüber vorbehalten bleiben, ob es nöthig ist, die Buchung
verschieden belasteter Grundstücke als eines einheitlichen Grundstückes
zu untersagen oder an besondere Voraussetzungen zu
knüpfen.“

(Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB für das Deutsche
Reich, 1899, Bd. III, S. 31 f.)

In den Protokollen heißt es sodann weiter:

„Mit Rücksicht jedoch auf die oben unter a hervorgehobenen theoretischen
Bedenken und die praktischen Unzuträglichkeiten, welche
sich namentlich für den Fall der Zwangsvollstreckung aus der
Zulassung einer selbständigen Belastung der Flächenabschnitte ergeben
können, sei mit dem Entw. davon auszugehen, daß die
GrundbuchO. geeignete Bestimmungen treffe, durch welche die
Möglichkeit einer selbständigen Belastung von nichtabgeschriebenen
Flächenabschnitten thatsächlich verhindert werde. Die Unwirksamkeit
der Vereinigung verschieden belasteter Grundstücke
lasse sich gleichfalls nicht vom Standpunkte des materiellen Rechtes
aus rechtfertigen.“

(Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB für das Deutsche
Reich, 1899, Bd. III, S. 494).

Eine unterschiedliche Belastung der zu vereinigenden Grundstücke ist folglich nur auf
grundbuchverfahrensrechtlicher Ebene von Belang. Dies spiegelt sich im heutigen § 5
GBO wieder. Es handelt es sich hierbei nicht um eine materiell-rechtliche Bestimmung,
sondern um eine bloße Ordnungsvorschrift (vgl. BGH DNotZ 2006, 288, 290).

b) Grundbuchverfahrensrechtliche Voraussetzung gem. § 5 GBO
Nach § 5 Abs. 1 S. 1 u. 2 GBO soll ein Grundstück nur dann mit einem anderen Grundstück
vereinigt werden, wenn hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist (zum Begriff der
Verwirrung vgl. BR-Drs. 794/12, S. 21). Eine Vereinigung soll insbesondere dann unterbleiben,
wenn die Grundstücke im Zeitpunkt der Vereinigung mit unterschiedlichen
Grundpfandrechten oder Reallasten, oder mit denselben Grundpfandrechten oder Reallasten
in unterschiedlicher Rangfolge belastet sind. Im Falle der Belastung der zu vereinigenden
Grundstücke mit unterschiedlichen Verwertungsrechten oder einer unterschiedlichen
Rangfolge derselben kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten im
Zwangsversteigerungsverfahren führen (vgl. BR-Drs. 794/12, S. 22), weshalb der Gesetzgeber
vor einigen Jahren die Bestimmung des heutigen § 5 Abs. 1 S. 2 GBO eingeführt
hat (vgl. DaBaGG v. 1.10.2013, BGBl. I. S. 3719).

Mit Blick auf eine (Rück-)Auflassungsvormerkung ist hingegen keine Verwirrung zu
besorgen, und zwar selbst dann nicht, wenn zusätzlich zu der grundbuchmäßigen Vereinigung
auch eine katastermäßige Verschmelzung erfolgen sollte (vgl. DNotI-Report
2014, 49, 52; Weber MittBayNot 2014, 497, 504; Böhringer, BWNotZ 2015, 34, 38;
Wilsch, in: Beck´sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 11 Rn. 189; Schöner/Stöber,
Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 639; BeckOK-GBO/Kral, 44. Ed. 1.11.2021, § 5
Rn. 40, Bauer/Schaub/Waldner, GBO, 4. Aufl. 2018, § 5 Rn. 28; Meikel/Böttcher,
GBO, 12. Aufl. 2021, § 5 Rn. 46; Lemke/Schneider, GBO, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 70).

c) Unschädlichkeit des Rangvorbehalts
Dem steht u. E. auch der Rangvorbehalt betreffend die Eintragung eines Grundpfandrechts
nicht entgegen, denn nach der Vereinigung kann nur noch das vereinigte Grundstück
insgesamt, nicht jedoch eine Teilfläche desselben mit dem Grundpfandrecht belastet
werden (zur umstrittenen Frage, ob ein Rangvorbehalt bei einer Vormerkung überhaupt
zulässig ist, vgl. BeckOGK BGB/Assman, Std. 1.5.2022, § 883 Rn. 214; BeckOGK
BGB/Kesseler, Std. 1.7.2022, § 881 Rn. 8). Gegenstand in einem etwaigen späteren
Zwangsversteigerungsverfahren wäre mithin das gesamte (vereinigte) Grundstück und
nicht nur eine Teilfläche. Die Bestimmung eines Wertersatzes gem. § 92 Abs. 1 ZVG für
die gem. §§ 44 Abs. 1, 52 Abs. 1 S. 2, 91 Abs. 1 ZVG im Zwangsversteigerungsverfahren
untergehende Auflassungsvormerkung erscheint durchaus möglich, und zwar auch dann,
wenn sie – wie hier – nur auf einem Teil des zu versteigernden Grundstücks lastet (vgl.
OLG Dresden BeckRS 2018, 41084, Rn. 23; Böttcher NJW 2020, 819, 821).

2. Ergebnis
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Belastung eines der beiden Grundstücke mit einer
(Rück-)Auflassungsvormerkung nebst Grundpfandrechtsrangvorbehalt einer Vereinigung
gem. § 890 BGB nicht entgegensteht.

Gutachten/Abruf-Nr:

189478

Erscheinungsdatum:

05.08.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vormerkung
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

BGB § 883; BGB § 881; GBO § 5; BGB § 890