16. September 2022
BGB § 94; BGB § 95; ErbbauRG § 12

Errichtung eines weiteren Gebäudes innerhalb der Grenzen des Erbbaurechts; Schein­bestandteil am Erbbaurecht; Zulässigkeit eines Untererbbaurechts

ErbbauRG § 12; BGB §§ 94, 95
Errichtung eines weiteren Gebäudes innerhalb der Grenzen des Erbbaurechts; Schein­bestandteil am Erbbaurecht; Zulässigkeit eines Untererbbaurechts

I. Sachverhalt
Auf einem Grundstück mit einer Fläche von ca. 50.000 m2 hat der Grundstückseigentümer einer Gesellschaft ein Erbbaurecht eingeräumt. Der Erbbauberechtigte errichtete sodann ein Betriebsgebäude in Ausübung des Erbbaurechts. Die Flächen, auf denen das Betriebsgebäude zu errichten war, wurden vorher genau anhand eines Plans definiert. Ausweislich des notariell beurkundeten Erbbauvertrags wurde in § 2 Abs. 2 bestimmt, dass sich das Erbbaurecht auch auf den für das Bauwerk nicht erforderlichen Teil des Erbbaugrundstücks erstreckt. Weiter wird ausgeführt, dass der Erbbauberechtigte diesen Teil nicht bebauen, jedoch zu jedem Zweck ver­wenden und nutzen darf, der mit dem Zweck der Bestellung dieses Erbbaurechts in Zusam­menhang besteht.

Der Grundstückseigentümer plant, selbst ein Gebäude neben dem bereits bestehenden Be­triebsgebäude des Erbbauberechtigten für eigene Zwecke und eigene Nutzung zu errichten. Es wurde vereinbart, dass das Eigentum hieran dem Grundstückseigentümer zustehen soll. Zur Absicherung dessen und der Nutzung durch den Grundstückseigentümer soll eine Grunddienstbarkeit am Erbbaurecht bestellt werden.

II. Fragen
1. Wer ist Eigentümer eines vom Grundstückseigentümer auf einem erbbaurechtsbelasteten Grundstück errichteten Gebäudes, wenn die überbaute Fläche dem Erbbauberechtigten zugewiesen ist?

2. Kann eine (notariell beurkundete) schuldrechtliche Vereinbarung, flankiert durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit, etwas an der Eigentümerstellung ändern?
3. Kommt alternativ eine Bestellung eines Untererbbaurechts in Betracht und muss dieses ebenfalls den ersten Rang erhalten? Gibt es einfachere Lösungsmöglichkeiten?

III. Zur Rechtslage
1. Sachenrechtliche Zuordnung von Gebäuden auf dem Ausübungsbereich des Erbbaurechts
Gem. § 12 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG gehört ein aufgrund des Erbbaurechts errichtetes Bauwerk als wesentlicher Bestandteil zum Erbbaurecht. Es steht in der Folge im Eigentum des Erbbauberechtigten. Mithin kommt es für die sachenrechtliche Zuordnung eines Bauwerks entscheidend darauf an, ob dieses aufgrund des Erbbaurechts errichtet wurde (BeckOGK BGB/Toussaint, Std.: 1.6.2022, § 12 ErbbauRG Rn. 3). Aus dem Erfordernis der Errichtung aufgrund des Erbbaurechts leitet die h. M. ab, dass die Errichtung des Ge­bäudes durch den Erbbaurechtsberechtigten erfolgen müsse (Staudinger/Rapp, BGB, 2017, § 12 ErbbauRG Rn. 2; BeckOGK BGB/Toussaint, § 12 ErbbauRG Rn. 5). Schon aus die­sem Grund dürften Bauwerke, die von einem Dritten, der nicht im Auftrag oder mit Gestat­tung des Erbbauberechtigten handelt, oder die sogar vom Eigentümer des Grundstücks selbst errichtet werden, nicht von § 12 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG umfasst sein und deswegen auch nicht im Eigentum des Erbbauberechtigten stehen. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob das Bauwerk vertragsrechtlich im Einklang mit dem Erbbaurecht steht (BeckOK-BGB/Maaß, Std.: 1.8.2022, § 12 ErbbauRG Rn. 2; Staudinger/Rapp, § 12 ErbbauRG Rn. 4; anders aber Münch­KommBGB/Heinemann, 8. Aufl. 2020, § 12 ErbbauRG Rn. 5; Winkler/Schlögel, Handbuch Erbbaurecht, 7. Aufl. 2021, § 2 Rn. 44). Insoweit wird man allerdings zumindest anzunehmen haben, dass jedenfalls dann keine Er­richtung aufgrund des Erb­baurechts gegeben ist, wenn ein vom Erbbauberechtigten ver­schiedener Dritter ein Gebäude errichtet, das zudem in keinem Zusammenhang mit dem Zweck des Erbbaurechts steht. Dies deckt sich damit, dass nach h. A. (MünchKommBGB/Heinemann, § 12 ErbbauRG Rn. 6; Winkler/Schlögel, § 2 Rn. 46) jedenfalls dann kein Eigentumserwerb des Erbbauberechtigten erfolgt, wenn die zu­lässige Anzahl von Gebäuden über­schritten wird.

Dass die Bebauung von zum Erbbaurecht gehörenden Freiflächen eine mögliche Vertragswidrigkeit darstellt, hat zwar für etwaige schadensersatzrechtliche Beziehungen der Beteilig­ten Bedeutung, nicht aber auch für die sachenrechtliche Zuordnung des Gebäudes. Vor die­sem Hintergrund gehen wir davon aus, dass ein weiteres, nicht durch den Erbbauberechtig­ten errichtetes Gebäude auch auf der Fläche, die zum Ausübungsbereich des Erbbaurechts zählt, nicht von § 12 Abs. 1 ErbbauRG umfasst ist und daher der Erbbauberechtigte inso­weit kein Eigentum an diesem weiteren Bauwerk erlangt. Aufgrund der Regelung des § 94 Abs. 1 S. 1 BGB gehört das Gebäude damit als wesentlicher Bestandteil zum Grundstück und steht infolgedessen im Eigentum des Grundstückseigentümers. Schon deswegen dürften sich weitere Gestaltungsprobleme nicht stellen.

Vor dem Hintergrund des sichersten Weges sollte u. E. erwogen werden, ob der Ausübungsbereich des Erbbaurechts neu gefasst werden kann. Der mitgeteilte Lebens­sachverhalt deutet darauf hin, dass jene Fläche, auf der das neue Gebäude errichtet werden soll, vom Erbbauberechtigten nicht benötigt wird. Sollte diese Annahme zutreffen, so kann der Ausübungsbereich des Erbbaurechts (Inhaltsänderung des Erbbaurechts gem. § 877 BGB) eingeschränkt werden, sodass sich die Notwendigkeit der „Loslösung“ des neuen Gebäudes vom Erbbaurecht überhaupt nicht stellt. Auf die folgenden Fragen sei daher nur hilfsweise eingegangen.

2. Möglichkeit der abweichenden eigentumsrechtlichen Zuordnung
Gem. § 95 Abs. 1 S. 1 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstückes solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück ver­bunden sind. § 95 Abs. 1 S. 2 BGB erweitert diese Rechtsfolge auch auf solche Gebäude und andere Werke, die in Ausübung eines Rechts an dem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind. Die Vorschrift des § 95 BGB gilt wegen § 12 Abs. 2 ErbbauRG nicht nur für das Grundstück, sondern auch für das Erbbaurecht, sodass auch an diesem Scheinbestandteile bestehen können.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist es möglich, dass durch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit die eigentumsrechtliche Lage beeinflusst und ein an sich wesentli­cher Bestandteil zum Scheinbestandteil des Grund­stücks oder des Erbbaurechts wird. Nicht ausreichend sind dagegen rein schuldrechtliche Abreden, da diese keine Rechte an einem Grundstück begründen (BeckOGK BGB/Mössner, Std.: 1.3.2021, § 95 Rn. 28).

Hinsichtlich eines Scheinbestandteils geht die h. M. davon aus, dass dieser eine selbständige bewegliche Sache bildet und daher ausschließlich den Regeln der §§ 929 ff. BGB unterliegt (BGH NJW 1957, 457; NJW 1962, 1817, 1817 f.; NJW 1987, 774, 775; NJW-RR 2006, 1160, 1161). Dies setzt aber voraus, dass dieser nicht wesentlicher Bestandteil eines anderen Grundstücks ist. Ist daher am Erbbaurecht eine entsprechende Dienstbarkeit vorhanden, so wird hierdurch zwar die rechtliche Zugehörigkeit des Bauwerks zum Erbbaurecht verhindert (§ 95 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Frage, ob das Gebäude damit wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird, ist hiermit aber noch nicht beantwortet. Wir würden jedoch, wie dargestellt, annehmen, dass das Gebäude in diesem Fall wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist, da es mit diesem dauerhaft verbunden ist (§ 94 Abs. 1 BGB). Im Falle der Dienstbarkeitslösung sollte überdies darauf geachtet werden, dass diese Rang vor etwaigen Verwertungsrechten (z.B. Reallasten, Grundpfandrechten) erhält (vgl. §§ 52, 91 ZVG).

3. Eintragung eines Untererbbaurechts
Ein Untererbbaurecht begründet ein Erbbaurecht an einem Erbbaurecht und stellt damit eine Belastung des Erbbaurechts dar (Winkler/Schlögel, § 3 Rn. 14). In der Kon­sequenz gelten die Vorschriften des ErbbauRG für das Untererbbaurecht in gleicher Weise wie für das Erbbaurecht selbst. Vor diesem Hintergrund ist für das Untererb­baurecht insbesondere § 10 Abs. 1 ErbbauRG zu beachten, sodass auch ein Untererb­baurecht grundsätzlich nur an erster Rangstelle eingetragen werden kann (BGH NJW 1974, 1137, 1138). Dabei bedarf es allerdings nicht der ersten Rangstelle am Grundstück, sondern der ersten Rangstelle am Erbbaurecht. Sind schon vorrangige Rechte eingetragen, ist de­ren Rangrücktritt erforderlich, um ein Untererbbaurecht zu ermöglichen (BGH NJW 1974, 1137, 1138). Auch wenn ein Erbbaurecht und damit auch ein Untererbbaurecht zu Gunsten des Eigen­tümers des Grundstücks zulässig ist (BGH NJW 1982, 2381; OLG Düssel­dorf NJW 1957, 1194), muss auch dieses die allgemeinen Voraussetzungen für die Bestellung eines Erb­baurechts einhalten. Daher können weder Eigentümer-Erbbaurechte noch Eigentümer Untererbbaurechte an anderer als an erster Rangstelle eingetragen werden. Auch diese Frage dürfte sich jedoch nicht mehr stellen, wenn man den Ausübungsbereich entsprechend anpasst.

4. Ergebnis
Eine Zuordnung des Eigentums am neu errichteten Gebäude mittels Dienstbarkeit und Untererbbaurecht scheint jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Ausübungsbereich des bisher bestehenden Erbbaurechts beschränkt wird. Im Übrigen scheint zweifelhaft, ob eine Dienstbarkeit am Erbbaurecht eine Zuordnung des Eigentums zum Grundstück herbeiführen kann.

Gutachten/Abruf-Nr:

185629

Erscheinungsdatum:

16.09.2022

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 137-139

Normen in Titel:

BGB § 94; BGB § 95; ErbbauRG § 12