16. April 2021
ErbStG § 3 Abs. 2

Erbschaftsteuerliche Beurteilung einer Auflage; Steuerentstehung I.

Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 181621
letzte Aktualisierung: 1 6 . April 2021

ErbStG § 3 Abs. 2 Nr. 2
Erbschaftsteuerliche Beurteilung einer Auflage; Steuerentstehung

I. Sachverhalt

Der Erblasser hat seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. Die gemeinschaftlichen Kinder hat er
(um Freibeträge ausnutzen zu können) im Testament mit einem Vermächtnis in Höhe von
jeweils 400.000 Euro bedacht. Die Vermächtnisse sind jedoch mit der Auflage verbunden, aus
den Vermächtnissen an die Alleinerbin lebenslang monatlich 1.000 Euro als Reallast mit Wertsicherungsklausel
zu zahlen. Von den Beteiligten wurde ausdrücklich die Gestaltung mittels Auflage
gewünscht und nicht mittels Untervermächtnis. Da Grundbesitz und Aktienvermögen
betroffen sind, soll nunmehr ein Vermächtniserfüllungsvertrag geschlossen werden. Aufgrund
des werthaltigen Vermögens möchte die Erbin auf Erfüllung der Auflage durch die Kinder verzichten,
auch um zu erreichen, dass diesen der volle Steuerfreibetrag i. H. v. 400.000 Euro
zusteht.

II. Fragen

1. Stellt es eine Schenkung (im steuerrechtlichen Sinne) des Erben an einen Vermächtnisnehmer
dar, wenn der Erbe auf eine, in einem Testament festgehaltene, zu seinen Gunsten
bestehende und das Vermächtnis beschwerende Auflage verzichtet?

2. Oder ist der Verzicht erbschaftsteuerrechtlich im Verhältnis zum Erblasser zu qualifizieren?

III. Zur Rechtslage

In § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG ist geregelt, dass „als vom Erblasser zugewendet gilt, was jemand
infolge Vollziehung einer vom Erblasser angeordneten Auflage erwirbt“. In § 9 Abs. 1 Nr. 1 d)
ErbStG ist zur Steuerentstehung bestimmt, dass in den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG „mit
dem Zeitpunkt der Vollziehung der Auflage“ die Steuer entsteht.

Die Auflage ist in § 1940 BGB geregelt. Danach kann der Erblasser durch Testament den Erben
oder einen Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichten, ohne einem anderen ein Recht
auf die Leistung zuzuwenden. Dass die begünstigte Person keinen Anspruch erhält, macht
den Unterschied der Auflage zu einem Vermächtnis aus. Für die Auflage ist daher kennzeichnend,
dass dem Begünstigten kein Anspruch auf die Leistung zusteht.

Einer Einordnung als „Auflage“ dürfte unseres Erachtens auch nicht entgegenstehen, dass es
sich um eine Auflage zugunsten der Erbin handelt. In § 2194 BGB ist zwar geregelt, dass der
Erbe, der Miterbe und derjenige, welchem der Wegfall des mit der Auflage zunächst Beschwerten
unmittelbar zustattenkommen würde, die Vollziehung der Auflage verlangen kann.
Dies ändert aber nach unserer Auffassung nichts dran, dass „der Auflagenbegünstigte“ keinen
Anspruch hat. Dass eine der in § 2194 BGB genannten Personen auch zum Kreis der Begünstigten
gehören kann, rechtfertigt nicht ohne Weiteres die Annahme, die Ausübung eines
dem Vollziehungsberechtigten selbst zugutekommenden Vollziehungsrechts stelle eine Umgehung
dar (so MünchKommBGB/Rudy, 8. Aufl. 2020, § 2194 Rn. 3;
MünchKommBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 1940 Rn. 2, Fn. 3).

Im Grundsatz ist daher festzuhalten, dass eine Auflage dem Bedachten keinen Anspruch auf
Leistung verschafft. Bei der Auflage handelt es sich deshalb auch nicht um einen Rechtserwerb,
sondern um einen tatsächlichen Erwerb; denn der Begünstigte hat kein Recht auf die Leistung.
Im Gegensatz zum Vermächtnis entsteht daher die Steuerschuld für den Erwerb aufgrund einer
Auflage nicht schon mit dem Tode des Erblassers, sondern erst mit ihrer Vollziehung (§ 9
Abs. 1 Nr. 1 d) ErbStG) (Gottschalk, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, Loseblatt,
§ 3 Rn. 324). Wird die Auflage vollzogen, gilt sie als vom Erblasser zugewendet.

In dem geschilderten Fall stellt sich nun die Frage, wie dies schenkungsteuerlich bzw. erbschaftsteuerlich
zu beurteilen ist, wenn die Mutter (Erbin) auf die Auflage verzichtet, d. h. die Auflage
nicht vollzogen wird. Zu dieser Fragestellung konnten wir leider keine einschlägigen Fundstellen
finden. Nach unserer Auffassung müsste hierfür Folgendes gelten:

Wie bereits ausgeführt, begründet die Auflage kein Recht des Auflagenbegünstigten auf
Leistung. Bei der Mutter kommt es daher nicht zu einer Steuerentstehung, da die Steuer nach § 9
Abs. 1 Nr. 1 d) ErbStG nur dann entsteht, wenn die Auflage vollzogen wird.

Wird die Auflage nicht vollzogen, hat dies auch Auswirkungen auf den Abzug der Auflage beim
belasteten Vermächtnisnehmer insoweit, als diese nicht mehr als Nachlassverbindlichkeit abgezogen
werden kann. In dem geschilderten Sachverhalt führt dies aber zu keinen steuerlich nachteiligen
Auswirkungen, wenn die Zuwendung ohne Auflagenbelastung in Höhe des Freibetrags
erfolgt und keine schädlichen Vorschenkungen vorliegen.

Im Weiteren stellt sich dann die Frage, ob der Nichtvollzug der Auflage zu einer Schenkung der
Mutter an die dadurch begünstigten Vermächtnisnehmer führen kann, da sie das Vermächtnis
jetzt ohne Auflage erhalten. Auch zu dieser Fragestellung konnte weder einschlägige Rechtsprechung
noch Literatur aufgefunden werden, sodass unseres Erachtens hier die Rechtsgedanken
bei der Ausschlagung eines Vermächtnisses oder einer Erbschaft und auch die
steuerliche Einordnung der Zurückweisung nach § 333 BGB beim Vertrag zugunsten Dritter
entsprechend anzuwenden sind.

Durch die Ausschlagung des Erbes oder des Vermächtnisses kann in gewisser Weise das Steuerrecht
gestaltet werden. Die Ausschlagung führt auch nicht dazu, dass das Verhältnis Ausschlagender
zum Nächstberufenen zugrunde gelegt wird, auch nicht als Schenkung i. S. d. § 7
ErbStG, sondern allein maßgebend ist das Verhältnis Erblasser zum Nächstberufenen (Uricher,
in: Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 7; BFH v. 22.12.1976 – II R
58/67, juris).

Der BFH hat hierzu ausgeführt:

„Das Erbschaftsteuergesetz beläßt dem Erben und Vermächtnisnehmer
die freie Verfügung darüber, ob er die Erbschaft oder das
Vermächtnis annehmen oder ausschlagen will; nur das von einem
Dritten für die Ausschlagung gewährte Entgelt unterliegt der
Steuer (§ 2 Abs 2 Nr 4 ErbStG 1959), während die Ausschlagung
einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses keine Schenkung darstellt
(§ 517 BGB) selbst wenn der Ausschlagende mit ihr eine
unentgeltliche Bereicherung dessen bezweckt, der durch die Ausschlagung
begünstigt wird“.

(BFH v. 22.12.1976 – II R 58/67, Rn. 37)

Die Wertung des § 517 BGB wird daher auch bei § 7 ErbStG übernommen, wonach keine
Schenkung vorliegt, wenn jemand zum Vorteil eines anderen einen Vermögenserwerb unterlässt
oder auf ein angefallenes, noch nicht endgültig erworbenes Recht verzichtet (so Weinmann, in:
Moench/Weinmann, ErbStG, Loseblatt, § 3 Rn. 44, 92); Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 3
Rn. 21, 27; Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 7. Aufl. 2020, § 3 Rn. 15).

Wird daher ein (noch nicht angenommenes) Vermächtnis ausgeschlagen, gilt die Bereicherung
des nächstberufenen Vermächtnisnehmers oder die erhöhte verbleibende Bereicherung des Beschwerten
nicht als freigebige Zuwendung seitens des Ausschlagenden. Eine andere Beurteilung
würde sich nur dann ergeben, wenn auf einen bestehenden Anspruch verzichtet wird. Denn
verzichtet zum Beispiel ein Vermächtnisnehmer auf das Vermächtnis, nachdem er es angenommen
hat, bleibt seine Steuerpflicht davon unberührt. Zusätzlich liegt eine weitere
schenkungsteuerpflichtige Zuwendung an den Begünstigten vor.

Kein schenkungsteuerbarer Vorgang wird nach der Kommentarliteratur auch dann angenommen,
wenn ein Vertrag zugunsten Dritter vorliegt und die Zurückweisung des Erwerbs
nach § 333 BGB erklärt wird. Die Zurückweisung nach § 333 BGB, die gegenüber dem Versprechenden
(Schuldner) zu erklären ist, beseitigt das mit dem Tod des Versprechensempfängers
(Gläubiger) in der Person des Dritten entstandene Forderungsrecht rückwirkend. Sie ist, ebenso
wie die Ausschlagung, ein Gestaltungsrecht, dessen rechtswirksame Ausübung ein Ereignis mit
steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit ist. Da die Zurückweisung keine Verfügung über das
angefallene Recht ist, stellt diese auch keine freigebige Zuwendung dar (so Gottschalk, § 3
Rn. 282-285).

Wendet man daher diese vorgenannten Rechtsgedanken auf den Nichtvollzug der Auflage an,
die nach § 1940 BGB keinen Anspruch des Begünstigten begründet, so würde der Nichtvollzug
weder bei der begünstigten Mutter Steuern auslösen, noch würde eine Schenkung im Verhältnis
zu den Kindern vorliegen, wenn die Auflage durch Verzicht der Mutter nicht vollzogen werden
muss.

Es handelt sich hierbei aber lediglich um die persönliche Rechtsauffassung der Verfasser. Es sei
nochmal darauf hingewiesen, dass Rechtsprechung zur Thematik nicht vorliegt. Rechtssicherheit
kann daher nur dann erlangt werden, wenn eine verbindliche Auskunft bei den Finanzbehörden
nach § 89 AO eingeholt wird.

Gutachten/Abruf-Nr:

181621

Erscheinungsdatum:

16.04.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbschafts- und Schenkungsteuer

Normen in Titel:

ErbStG § 3 Abs. 2