03. Januar 2020
BGB § 2353

Erbscheinsverfahren; Vorlage einer Sterbeurkunde „nur für Rentenzwecke“; Beweiswert der Urkunde

BGB § 2353
Erbscheinsverfahren; Vorlage einer Sterbeurkunde „nur für Rentenzwecke“; Beweiswert der Urkunde

I. Sachverhalt
Dem Nachlassgericht muss zum Nachweis des Versterbens im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens eine Sterbeurkunde vorgelegt werden. Die Beteiligten legen eine Sterbeurkunde vor, die allerdings den Vermerk „nur für Rentenzwecke“ beinhaltet. Das Nachlassgericht verlangt die Vorlage einer Sterbeurkunde ohne einen solchen Zusatz.

II. Fragen
Was ist die Rechtsgrundlage für das Aufbringen des Vermerks „nur für Rentenzwecke“? Schränkt dieser Vermerk die Beweiskraft der Urkunde ein?

III. Zur Rechtslage
1. Kostenrechtlicher Hintergrund
Das Aufbringen des Vermerks „nur für Rentenzwecke“ hat einen kostenrechtlichen Hintergrund. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG-VwV) vom 29.3.2010 (GMBl. S. 498), die von der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2 GG erlassen wurde, enthält Regelungen zur Kostenfreiheit der Ausstellung von Personenstandsurkunden.

In Punkt A 9 der PStG-VwV ist folgende Regelung enthalten:

„Kostenfreiheit

A 9.1 Kostenfreiheit nach Bundes- oder Landesrecht

Kostenfrei sind Personenstandsurkunden, für die auf Grund von Bundes- oder Landesrecht Kostenfreiheit vorgeschrieben ist (z.B. für Zwecke der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung, für Zwecke der Kriegsopferversorgung, der Wiedergutmachung, der Sozialhilfe, der Gewährung von Kindergeld, von Elterngeld, von Ausbildungszulagen oder von Altershilfe für Landwirte).“

Nach § 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 SGB X sind solche Urkunden von Beurkundungs- und Beglaubigungskosten befreit, die in der Sozialversicherung bei den Versicherungsträgern und Versicherungsbehörden erforderlich werden, um die Rechtsverhältnisse zwischen den Versicherungsträgern einerseits und den Arbeitgebern, Versicherten oder ihren Hinterbliebenen andererseits abzuwickeln. Diese Regelung ordnet auch die Gebührenfreiheit der Erteilung von Sterbeurkunden u. a. für Rentenzwecke an.

2. Keine Beschränkung des Verwendungszwecks
Hierdurch wird aber nicht die Verwendung der auf dieser Grundlage als Nachweis für den Tod der bezeichneten Person erteilten Sterbeurkunde beschränkt. Unabhängig vom konkreten Verwendungszweck und dem Umstand, ob sie kostenfrei erteilt wurde, beweist die Urkunde dieselbe Tatsache, nämlich den Tod der darin bezeichneten Person.

Demzufolge hat unlängst das OLG Nürnberg (BeckRS 2019, 17470) entschieden, dass die einer Personenstandsurkunde i. S. d. § 55 Abs. 1 PStG zukommende Beweiskraft nicht dadurch eingeschränkt wird, dass sie gem. § 64 Abs. 2 S. 3 SGB X gebührenfrei erteilt wurde. Im konkreten Fall ging es um die Vorlage einer Sterbeurkunde beim Grundbuchamt (zum Nachweis des Erlöschens eines Nießbrauchs gem. § 1061 S. 1 BGB wegen Versterbens des Berechtigten), wobei die Urkunde vom Standesamt mit dem Vermerk „Nur für Rente – gebührenfrei –“ versehen worden war. Im Ergebnis ging das OLG Nürnberg folglich davon aus, dass die nur für Rentenzwecke (gebührenfrei) erteilte Sterbeurkunde tauglicher Urkundennachweis i. S. v. § 29 GBO sei und bemerkte in diesem Zusammenhang ergänzend, dass sich aus der Grundbuchordnung nicht ergebe, dass das Grundbuchamt die Gebühreninteressen des Standesamts zu wahren hätte und deshalb gebührenfrei erteilte Sterbeurkunden zurückweisen dürfte.

Die vom OLG Nürnberg entschiedene Problematik ist u. E. mit der vorliegenden (Vorlage der Sterbeurkunde im Erbscheinsverfahren beim Nachlassgericht) vergleichbar und kann im Ergebnis rechtlich betrachtet wohl nicht abweichend gewürdigt werden.

3. Vergleich mit Vorlage eines kostenrechtlich privile­gierten Erbscheins
Vergleichbar ist die Problematik ferner mit der Vorlage eines kostenrechtlich privilegierten Erbscheins nach § 107 Abs. 3 KostO a. F. Auch diesbezüglich wurde von der h. M. vertreten, dass auch ein „beschränkter“ Erbschein (mit dem Vermerk „nur für Grundbuchzwecke“) die volle Beweiswirkung hinsichtlich der Erbfolge entfalte (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 10; BeckOK-GBO/Wilsch, Std.: 15.12.2019, § 35 Rn. 34; Schaub, in: Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl. 2018, § 35 Rn. 110; abweichend KEHE/Volmer, Grundbuchrecht, 8. Aufl. 2019, § 35 GBO Rn. 53). Das OLG Frankfurt (NJW-RR 1994, 10) führte explizit aus, dass der kostenrechtlich privilegiert erteilte Erbschein ungeachtet des auf ihm angebrachten Vermerks, wonach er nur für Grundbuchzwecke erteilt worden ist und ver­wendet werden darf, einen Vollerbschein i. S. d. § 2353 BGB darstelle.

Die Möglichkeit eines kostenrechtlich privilegierten Erbscheins für Grundbuchzwecke nach § 107 Abs. 3 KostO a. F. bestand bis zum 1.8.2013 (Inkrafttreten des GNotKG). Die Streichung der Möglichkeit, einen kostenrechtlich privilegierten Erbschein nur für Grundbuchzwecke zu erteilen, wurde vom Gesetzgeber u. a. mit der „Vereinfachung des Kostenrechts“, aber auch damit begründet, dass die Wertprivilegierung „missbrauchsanfällig“ sei (vgl. BT-Drucks. 17/11471, S. 165; BeckOK-GBO/Wilsch, § 35 Rn. 34). Hieraus lässt sich rückschließen, dass auch der Gesetzgeber offensichtlich davon ausging, dass der Beweiswert der Urkunde nicht durch den aus Kostengründen angebrachten einschränkenden Verwendungsvermerk beeinträchtigt wird, sondern die Urkunde auch zu anderen Zwecken verwendet werden kann.

4. Ergebnis
Im Ergebnis gehen wir daher davon aus, dass der aus Kostengründen angebrachte eingeschränkte Geltungsvermerk die Beweiswirkung der Sterbeurkunde als öffentliche Urkunde nicht beeinträchtigt, sodass eine solche Sterbeurkunde zum Todesnachweis beispielsweise im Grundbuchverfahren oder – wie hier – im Erbscheinsverfahren vorgelegt werden kann.

Gutachten/Abruf-Nr:

173613

Erscheinungsdatum:

03.01.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 1-2

Normen in Titel:

BGB § 2353