02. Juni 2020
MaßnG-GesR § 6; WEG § 26

Wiederaufleben der Verwalterbestellung; Rückwirkung; COVID-19-Gesetz

WEG § 26; MaßnG-GesR § 6
Wiederaufleben der Verwalterbestellung; Rückwirkung; COVID-19-Gesetz

I. Sachverhalt
Der Notar soll in der Fälligkeitsmitteilung der Kaufpreiszahlung eines am 11.3.2020 beurkundeten Wohnungskaufvertrags u. a. bestätigen, dass der Verwalter dem Vertrag zugestimmt hat. Es liegt nun eine am 19.3.2020 in notariell beglaubigter Form erteilte Verwalterzustimmung vor. Zusammen mit dieser wurde ein formgerechtes Versammlungsprotokoll vom 6.5.2014 vorgelegt, wonach der Verwalter, der die Zustimmungserklärung unterzeichnet hat, wie folgt bestellt wurde:

„Wiederbestellung der Hausverwaltung. Konditionen x € mtld.... Vertragslaufzeit: 1.3.2015 bis 28.2.2020. Die Verwaltung wird einstimmig wiederbestellt.“

II. Fragen
1. Kann der Verwalter trotz der am 28.2.2020 abgelaufenen Verwalterbestellung dem Vertrag zustimmen oder greift § 6 Abs. 1 MaßnG-GesR (Art. 2 COVID-19-Gesetz) nur, wenn die Verwalterbestellung nach Inkrafttreten des Gesetzes ausläuft?

2. Für den Fall, dass Frage 1.) zu bejahen ist: Müsste die am 19.3.2020, also vor Inkrafttreten des MaßnG-GesR, erteilte Zustimmung nochmals wiederholt werden?

3. Würde die Verwalterbestellung gem. § 6 Abs. 1 MaßnG-GesR auch wieder aufleben, wenn die Eigentümergemeinschaft den Verwalter am 31.1.2020 abberufen hätte?

III. Zur Rechtslage
1. Auswirkungen des § 6 MaßnG-GesR auf die Verwalterbestellung
Der Verwalter wird gem. § 26 Abs. 1 S. 1 WEG durch Beschluss der Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit bestellt. Die Bestellung darf höchstens auf fünf Jahre vorgenommen werden, vgl. § 26 Abs. 1 S. 2 WEG. Im vorliegenden Protokoll ist davon die Rede, dass „die Vertragslaufzeit“ vom 1.3.2015 bis 28.2.2020 läuft. Dies ist insofern nicht ganz präzise, als die Bestellung zum Verwalter vom Abschluss des Verwaltervertrages zu unterscheiden ist. Man wird aber durch Auslegung zu dem Ergebnis kommen, dass auch die Verwalterbestellung für den Zeitraum vom 1.3.2015 bis 28.2.2020 bestehen sollte. Die Bestellung endete dementsprechend mit dem Ablauf des 28.2.2020, sodass zum Zeitpunkt der Erteilung der Verwalterzustimmung der Verwalter nicht mehr im Amt war. In der Praxis wird zwar häufig eine Bestellung mit „Rückwirkung“ beschlossen (vgl. BeckOGK-WEG/Greiner, Std.: 1.12.2019, § 26 Rn. 77). Eine solche Bestellung mit Rückwirkung hat allerdings nur Wirkung im Innenverhältnis. Im Außenverhältnis kann eine Bestellung mit Rückwirkung nicht eintreten, da eine Organstellung nicht rückwirkend verliehen werden kann. Handlungen, die der Verwalter in seiner Eigenschaft in dieser Zeit abgegeben hat, sind unwirksam und können auch nicht nachträglich geheilt werden (vgl. DNotI-Report 2006, 26).

Es stellt sich allerdings die Frage, ob dies auch unter dem MaßnG-GesR gilt. § 6 MaßnG-GesR regelt, dass der zuletzt bestellte Verwalter i. S. d. Wohnungseigentumsgesetzes bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt bleibt. Aus der Gesetzesbegründung geht u.a. Folgendes hervor:

„Die Vorschrift gilt sowohl für den Fall, dass die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits abgelaufen ist, als auch für den Fall, dass sie erst danach abläuft.“

(BT-Drucks. 19/18110, S. 31)

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich also verhältnismäßig eindeutig, dass die Vorschrift auch den vorliegenden Fall erfasst, sodass der Verwalter, dessen Bestellung am 28.2.2020 ablief, wieder im Amt ist. Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift „bleibt im Amt“ diese in den Gesetzgebungsmaterialien wiedergegebene Auffassung nicht eindeutig abbildet, wird man jedoch jedenfalls durch teleologische Extension zu keinem anderen Ergebnis kommen können (MünchKommBGB/Cziupka, § 26 WEG Rn. 23b – beck-online Aktualisierung vom 4.5.2020). Noch nicht beantwortet ist damit allerdings die Frage der Rückwirkung. Zur Rückwirkung äußert sich die Gesetzesbegründung nicht.

Grundsätzlich ist das Gesetz am 28.3.2020 in Kraft getreten (vgl. Art. 6 COVID-19-G). Es dürfte davon auszugehen sein, dass Gesetze erst ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens Wirkung entfalten und eine Rückwirkung gesondert anzuordnen wäre. Wir würden deshalb davon ausgehen, dass die Verwalterbestellung mit dem Inkrafttreten des Gesetzes wieder auflebt und nicht rückwirkend ab dem 1.3.2020 fortbesteht. Das widerspricht auch nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, der nicht darin liegt, sämtlichen Wohnungseigentümergemeinschaften eine lückenlose Verwalterbestellung zu gewährleisten, sondern vielmehr darin, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass in der aktuellen Situation WEG-Versammlungen mit Neuwahlen des Verwalters nicht durchführbar sind.

2. Wiederholung der entsprechenden Verwalterzustimmung
Es ist anerkannt, dass die Berechtigung des Verwalters im Zeitpunkt der Abgabe der Zustimmungserklärung gem. § 12 WEG vorliegen muss (MünchKommBGB/Commichau, 8. Aufl. 2020, § 12 WEG Rn. 14; BeckOK-WEG/Hogenschurz, Std.: 1.2.2020, § 12 Rn. 45). Wie oben dargestellt, sieht das MaßnG-GesR eine Rückwirkung nicht vor (so auch Schmidt/Zschieschack, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2020, § 4 Rn. 81; ders. ZWE 2020, 165, 166; Staudinger/Jacoby, BGB, Neubearb. 2018, § 26 WEG, Rn. 114.2 – juris), sodass die Verwaltereigenschaft nicht rückwirkend wieder auflebt, sondern vielmehr erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes. Es dürfte deshalb erforderlich sein, die Verwalterzustimmung erneut zu erklären.

3. Rechtslage bei vorheriger Abberufung des Verwalters
Wurde der Verwalter vor Inkrafttreten des § 6 Abs. 1 MaßnG-GesR abberufen, so spricht vieles dafür, dass die Norm kein Wiederaufleben der Verwalterbestellung herbeiführen kann. Der Wortlaut besagt, dass der Verwalter „bis zu seiner Abberufung“ im Amt bleibt. Dies dürfte sich zwar nach dem Wortlaut unmittelbar nur auf eine Abberufung des Verwalters nach Inkrafttreten des Gesetzes beziehen. Der Gesetzgeber bringt damit jedoch zum Ausdruck, dass er den Willen der Wohnungseigentümer, der sich in der Abberufung niedergeschlagen hat, höher bewertet als das Interesse der Eigentümergemeinschaft, überhaupt einen Verwalter zu haben (und in der aktuellen Situation möglicherweise keinen neuen bestellen zu können). § 6 Abs. 1 MaßnG-GesR will insofern nur einer Verwalterlosigkeit durch Ablauf der Bestellungszeit vorbeugen (Staudinger/Jacoby, § 26 WEG, Rn. 114.1). Die bislang vorliegenden Literaturstimmen gehen deshalb unisono davon aus, dass der bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes abberufene Verwalter nicht wieder ins Amt eingesetzt wird (Staudinger/Jacoby, § 26 WEG, Rn. 114.4; MünchKommBGB/Cziupka, § 26 WEG Rn. 23b; wohl auch Schmidt/Zschieschack, § 4 Rn. 81 „[…] dass es auf die Gründe, warum es keinen bestellten Verwalter gibt nicht ankommt“). Diese Auffassung verdient u. E. Zustimmung.

Gutachten/Abruf-Nr:

177262

Erscheinungsdatum:

02.06.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 84-86

Normen in Titel:

MaßnG-GesR § 6; WEG § 26