27. August 2019
EGBGB Art. 15 Abs. 1

Polen: Haftung eines Ehepartners für Schulden des anderen

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 172072
letzte Aktualisierung: 27. August 2019

EGBGB a. F. Art. 15 Abs. 1
Polen: Haftung eines Ehepartners für Schulden des anderen

I. Sachverhalt

Ein seit 2010 verheiratetes polnisches Ehepaar lebt seit längerer Zeit in Deutschland. Sie
überlegen, nun deutsches Güterrecht zu wählen, um eine Haftung der Ehefrau für
Verbindlichkeiten ihres Mannes aus dessen Einzelunternehmen zu vermeiden.

II. Frage

Haftet die Ehefrau im vorliegenden Fall für die Verbindlichkeiten ihres Ehemanns aus dem
Einzelunternehmen?

III. Zur Rechtslage

1. Aus deutscher Sicht

a) Anwendbares Güterrecht

Die Art. 14 ff. EGBGB sind mit dem Inkrafttreten der Europäischen Güterrechtsverordnung
(EuGüVO) am 29.1.2019 neu gefasst worden. Für zuvor geschlossene
Ehen bestimmt Art. 229 § 47 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB die Weitergeltung der Vorschriften
in ihrer bisherigen Fassung. Das auf den ehelichen Güterstand anwendbare Recht
bestimmt sich hier also weiterhin nach Art. 15 EGBGB a. F., nicht etwa nach der
Europäischen Güterrechtsverordnung.

Maßgeblich ist nach Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a. F. in erster
Linie die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten. Dies führt hier zum polnischen
Recht, und zwar im Wege der Gesamtverweisung nach Art. 4 Abs. 1 S. 1
EGBGB unter Einschluss des dortigen Internationalen Privatrechts. Allerdings knüpft
auch das polnische Internationale Privatrecht das Güterstatut wandelbar an das gemeinsame
Heimatrecht der Eheleute an (Art. 51 Abs. 1 IPRG 2011, s. nur Margonski, in:
Süß/Ring, Eherecht in Europa, 3. Aufl. 2017, Länderbericht Polen, Rn. 52, 55; de
Vries, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Std.:
17.8.2018, Länderbericht Polen, S. 24). Da beide Ehegatten weiterhin ausschließlich
polnische Staatsangehörige sind, nimmt das polnische Recht die Verweisung also an.

b) Die Haftung im polnischen gesetzlichen Güterstand

Die Ehegatten leben damit gegenwärtig im polnischen gesetzlichen Güterstand der
Errungenschaftsgemeinschaft (Überblick auf Margonski, Rn. 16 ff.). Diese unterscheider
drei Vermögensmassen, nämlich das jeweilige Sondergut der beiden Ehegatten und
das Gemeinschaftsvermögen. In das gemeinschaftliche Vermögen fällt nach Art. 31 § 1
S. 1 des poln. Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches (FVGB) jeder Vermögensgegenstand,
der während der Dauer des gesetzlichen Güterstandes von beiden Ehegatten
gemeinsam oder auch nur von einem von beiden Ehegatten erworben wird, es
sei denn, dieser Gegenstand fällt seiner Art nach in das Sondervermögen eines der
Ehegatten (hierzu Margonski, Rn. 25).

Was zum persönlichen Vermögen eines jeden der Ehegatten gehört, zählt Art. 33
FVGB abschließend auf:

Art. 33 poln. FVGB

Zum persönlichen Vermögen jedes Ehegatten gehören:

1. die vor der Entstehung der gesetzlichen Gemeinschaft erworbenen
Vermögensgegenstände,

2. die durch Erbschaft, Vermächtnis oder Schenkung erworbenen
Vermögensgegenstände, es sei denn, dass der Erblasser oder Schenker
etwas anderes verfügt hat,

3. Vermögensgegenstände, die sich aus einer besonderen Vorschriften
unterstehenden Gesamthandsgemeinschaft ergeben,

4. Vermögensgegenstände, die ausschließlich der Befriedigung der persönlichen
Bedürfnisse eines Ehegatten dienen,

5. unveräußerliche Rechte, die nur einer Person zustehen können,
6. die als Schadensersatz für eine erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung
oder als Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht erworbenen
Gegenstände; das betrifft jedoch nicht eine dem geschädigten Ehegatten
wegen völligen oder teilweisen Verlusts der Erwerbsfähigkeit oder
wegen Vermehrung von Erfolgsaussichten für die Zukunft zustehende
Rente,

7. Ansprüche auf Arbeitsentgelt oder auf Vergütung für eine andere
Erwerbstätigkeit eines Ehegatten,

8. die als Auszeichnung für persönliche Erfolge von einem Ehegatten
erworbenen Vermögensgegenstände,

9. Urheber- und verwandte Rechte, Rechte des gewerblichen Eigentums
sowie andere Rechte des Urhebers,

10. die im Austausch für Bestandteile des persönlichen Vermögens erworbenen
Vermögensgegenstände, es sei denn, dass eine besondere Vorschrift
etwas anderes bestimmt.

Eigengut liegt also vor allem vor bei in die Ehe eingebrachtem Vermögen (Nr. 1), beim
Erwerb des Vermögens durch Erbschaft und Schenkung (Nr. 2) sowie beim
Surrogaterwerb (Nr. 10). Lohnforderungen (Nr. 7) sind nur als Anspruch Sondergut,
nach Auszahlung fallen diese Einnahmen in das Gesamtvermögen (Blümel/Chudy, in:
Rieck, Ausländisches Familienrecht, Länderbericht Polen, Stand: Mai 2012, Rn. 12).

Schließlich sind Anteile an Gesamthandsgemeinschaften (Nr. 3) Sondergut eines
Ehegatten, also etwa Beteiligungen an Personenhandelsgesellschaften. Auch diese
Ausnahme greift hier aber nicht ein, da der Mann sein Geschäft als Einzelunternehmen
führt.

Was die Haftung für Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten angeht, so ist folgendermaßen
zu unterscheiden:

Ist ein Ehegatte mit Zustimmung des anderen Ehegatten eine Verbindlichkeit eingegangen,
so haftet das gemeinschaftliche Vermögen (Art. 41 § 1 FVGB). Ist der Ehegatte
die Verbindlichkeit ohne die Zustimmung eingegangen, so ist der Gläubiger auf
das Sondervermögen seines Schuldners und auf dessen Arbeitsentgelt verwiesen, bei
Schulden im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens auf das Betriebsvermögen
(Art. 41 § 2 FVGB). Letztere Beschränkung gilt nicht für Steuerschulden und
sozialversicherungsrechtliche Abgaben; hier kann der Fiskus bzw. der Sozialversicherungsträger
auf das gesamte gemeinschaftliche Vermögen zugreifen.

Das polnische Recht kennt allerdings auch den vertraglichen Güterstand der Gütertrennung
(Art. 51 FVGB). Hier bleiben die Vermögensmassen separat und jeder Ehegatte
verwaltet sein Vermögen selbst. Dritten gegenüber können sich die Ehegatten auf
die Gütertrennung aber nur berufen, wenn diese davon Kenntnis hatten (Art. 47/1
FVGB).

c) Rechtswahloptionen

Auf eine Rechtswahl ist seit dem 29.1.2019 das Regime der Güterrechtsverordnung
anzuwenden, auch wenn die Ehe selbst bereits vor diesem Stichtag geschlossen wurde
(Art. 69 Abs. 3 EuGüVO).

Gewählt werden kann nach Art. 22 Abs. 1 lit. a EuGüVO unter anderem das Recht des
Staates, in dem wenigstens einer der Ehegatten sich gewöhnlich aufhält. Eine Wahl
zugunsten des deutschen Rechts wäre daher zulässig, wenn sich der Aufenthalt der
Ehegatten oder jedenfalls eines von ihnen beiden in Deutschland soweit verfestigt hat,
dass er unter Berücksichtigung seiner familiären, beruflichen und sonstigen sozialen
Einbindung hier seinen Lebensmittelpunkt hat. Die formellen Anforderungen an die
Rechtswahl ergeben sich dann aus Art. 23 EuGüVO, eine notarielle Beurkundung der
Wahl wäre erforderlich, aber auch ausreichend.

2. Aus polnischer Sicht

Polen beteiligt sich nicht an der „Verstärkten Zusammenarbeit“, welche Grundlage der
Güterrechtsverordnung ist. Polnische Gerichte würden daher nicht nur die objektive
Bestimmung des Güterrechts, sondern auch die Zulässigkeit der Rechtswahl an ihrem
autonomen Recht messen. Seit 2011 kennt aber auch das autonome polnische
Kollisionsrecht die Möglichkeit einer güterrechtlichen Rechtswahl. Nach Art. 52 poln.
IPRG können die Ehegatten unter anderem das Recht des Staates wählen, in dem einer von
ihnen seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Wahl deutschen
Rechts würde also auch in Polen anerkannt.

Gutachten/Abruf-Nr:

172072

Erscheinungsdatum:

27.08.2019

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

EGBGB Art. 15 Abs. 1