01. Juli 2022
BGB § 883; GrEStG § 16 Abs. 1

Rückabwicklung eines Kaufvertrages; Weiterverkauf; Löschung einer Vormerkung aufgrund Vollmacht im Kaufvertrag

GrEStG § 16 Abs. 1; BGB § 883
Rückabwicklung eines Kaufvertrages; Weiterverkauf; Löschung einer Vormerkung aufgrund Vollmacht im Kaufvertrag

I. Sachverhalt
Nach einem Grundstückskaufvertrag sind die Verkäufer wegen Zahlungsverzugs des Käufers zurückgetreten. Die eingetragene Auflassungsvormerkung wurde mit Hilfe der im Kaufvertrag erteilten Vollmacht an die Notariatsangestellten gelöscht. Den Grundbesitz haben die Verkäufer nach dem Rücktritt, aber noch vor Löschung der Auflassungsvormerkung des Erstkäufers weiterverkauft.

Das Finanzamt hatte in Folge des ersten Kaufvertrages die Grunderwerbsteuer festgesetzt, die der Käufer ebensowenig bezahlt hat wie den Kaufpreis. Trotz des gegenüber dem Finanzamt nachgewiesenen Rücktritts nimmt das Finanzamt nunmehr die Verkäufer als Zweitschuldner der Grunderwerbsteuer in Anspruch. Es begründet dies damit, dass dem Käufer trotz des Rücktritts durch die eingetragene Vormerkung eine Rechtsposition verblieben sei, sodass die Verkäufer nicht frei über den Grundbesitz verfügen konnten. Es argumentiert, dass zur Ausübung der Vollmacht im Kaufvertrag zur Löschung der Vormerkung die (nochmalige?) Mitwirkung des Käufers erforderlich gewesen sei.

II. Frage
Wie ist die Rechtslage zu beurteilen?

III. Zur Rechtslage
1. Aufhebung bzw. Änderung der Steuerfestsetzung nach § 16 GrEStG; Abgrenzung § 16 Abs. 1 und § 16 Abs. 2 GrEStG
Während § 16 Abs. 1 GrEStG die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs vor Übergang des Eigentums am Grundstück auf den Erwerber betrifft, findet § 16 Abs. 2 GrEStG auf den Rückerwerb nach Übergang des Eigentums Anwendung. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen § 16 Abs. 1 und § 16 Abs. 2 GrEStG ist dabei, ob im Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs zivilrechtlich das Eigentum am Grundstück bereits übergegangen ist oder nicht. Da im vorliegenden Fall weder Kaufpreis noch Grunderwerbsteuer bezahlt wurden, unterstellen wir (schon weil keine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegen haben kann), dass das Eigentum am Grundstück noch nicht übergegangen, somit also § 16 Abs. 1 GrEStG anwendbar ist.

2. Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG; Erfordernis der Löschung der Vormerkung
Wird der Erwerbsvorgang vor Eigentumsübertragung rückgängig gemacht und erfolgt dies innerhalb von zwei Jahren, so ist § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einschlägig. Der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt voraus, dass der Erwerbsvorgang zivilrechtlich wirksam aufgehoben oder durch einseitige Erklärung beseitigt worden ist. Erforderlich ist die zivilrechtlich wirksame Aufhebung der Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks, die bloß wirtschaftliche Aufhebung des Grundstückskaufvertrages reicht nicht aus (vgl. Viskorf/Loose, GrEStG, 20. Aufl. 2020, § 16 Rn. 33 m. w. N.). Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 16 Abs. 1 GrEStG ist daher im Grundsatz erforderlich, dass sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang zivilrechtlich aufgehoben und die Vertragsparteien so gestellt werden, als wäre dieser nicht zustande gekommen. Zwar ist in § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nur die Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts als Form der Rückabwicklung genannt. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschießend. Den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt vielmehr jede durch ein- oder zweiseitiges Rechtsgeschäft erfolgende rechtlich wirksame Aufhebung der Verpflichtungen aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang (so Viskorf/Loose, § 16 Rn. 33 m. w. N.).

Zu dieser zivilrechtlichen Aufhebung des tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts muss auch die vollständige tatsächliche Rückgängigmachung hinzutreten. Eine nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG begünstigte Rückgängigmachung liegt nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn die Vertragspartner derart aus ihrer vertraglichen Bindung entlassen werden, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (so Viskorf/Loose, § 16 Rn. 62 m. w. N.). Die Parteien müssen daher vom Vollzug des aufgehobenen Rechtsgeschäfts Abstand nehmen, sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen (BFH v. 16.2.2005, BFHE 2009, 158; BFH v. 10.7.1996 – II B 139/95 [juris]).

Die tatsächliche vollständige Rückgängigmachung setzt voraus, dass alle gegenseitig ausgetauschten Leistungen zurückgewährt werden. Hat der Erwerber bspw. den Kaufpreis bereits entrichtet, ist ihm der Besitz an dem Grundstück übergeben worden und sind auch Nutzungen und Lasten bereits auf den Erwerber übergegangen, so ist der Erwerbsvorgang nur dann i. S. d. § 16 Abs. 1 GrEStG rückgängig gemacht, wenn der Veräußerer das Grundstück wieder in Besitz nimmt, den ihm zugeflossenen Kaufpreis zurückgewährt, die Lasten des Grundstücks trägt und die Nutzungen hieraus zieht (BFH v. 10.7.1996 – II B 139/95 [juris]).

Erforderlich ist darüber hinaus grundsätzlich auch die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung, da eine Auflassungsvormerkung die Verkehrsfähigkeit eines Grundstücks unabhängig vom Fortbestand des zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs beeinträchtigt (BFH DStRE 2008, 1151 = BStBl. II 2008, 882). Ausreichend ist es aber nach der BFH-Rechtsprechung, wenn der Erwerber dem Veräußerer eine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form erteilt hat und der Veräußerer über sie frei und ohne Einflussnahme seitens des Erwerbers verfügen kann (BFH DStRE 2022, 625 Rn. 26; BFH DStRE 2008, 1151 = BStBl. II 2008, 882; ebenso FG Hessen BeckRS 2020, 41313 – nicht rechtskräftig), da dann der Erwerber keine Rechtsposition mehr hat, die es ihm ermöglicht, auf die nachfolgenden Veräußerung des Grundstücks einzuwirken.

Demgegenüber soll es nach Auffassung des FG Hessen (FG Hessen BeckRS 2020, 41313 Rn. 25) nicht genügen, wenn die Löschungsbewilligung dem Notar zu treuen Händen überlassen wird und nur dann dem Grundbuchamt zum Vollzug vorgelegt werden darf, wenn der Kaufpreis zurückgezahlt wird. Dies stelle noch keine freie Verfügungsmöglichkeit dar (FG Hessen BeckRS 2020, 41313 Rn. 25). In diesem Fall bestand allerdings die Besonderheit, dass Erstkäuferin eine Kapitalgesellschaft war und Zweitkäufer die Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Es lag deshalb nach Auffassung des Gerichts nahe, dass die Ersterwerberin auch beim Zweiterwerb eigene wirtschaftliche Interessen verfolgte, da sich die Kapitalgesellschaft die Interessen derjenigen Personen zurechnen lassen müsse, die bei der Ausübung der Rechtsposition für die Kapitalgesellschaft gehandelt hätten (FG Hessen BeckRS 2020, 41313 Rn. 30). Diese Entscheidung weist also Besonderheiten auf, die sich nicht uneingeschränkt auf den vorliegenden Fall übertragen lassen. Zudem ist die Revision beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. II R 38/20).

Erfolgt die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zeitgleich mit der Weiterveräußerung, kommt es nach Auffassung des BFH darauf an, ob für den Ersterwerber trotz Vertragsaufhebung die Möglichkeit der Verwertung der eigenen Rechtsposition verbleibt, der Verkäufer also nicht vollständig aus seiner Bindung entlassen war (BFH DStRE 2013, 1507 Rn. 11 = BStBl. II 2014, 42). Jedenfalls wenn die Aufhebung in der gleichen Urkunde mit der Weiterveräußerung erfolge, könne der Ersterwerber seine Rechtsposition dahingehend nutzen, dass das Grundstück an eine von ihm ausgewählte Person veräußert werde (BFH DStRE 2013, 1507 Rn. 12 = BStBl. II 2014, 42). Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass der Ersterwerber die ihm verbleibende Rechtsposition tatsächlich im eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertet hat. Ist dem Ersterwerber das weitere Schicksal des Grundstücks indes gleichgültig, hindert die gleichzeitige Weiterveräußerung die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG nicht (BFH DStRE 2013, 1507 Rn. 14 = BStBl. II 2014, 42).

3. Übertragung auf den vorliegenden Fall
Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit darin, dass der Notar bzw. dessen Mitarbeiter zur Löschung der Auflassungsvormerkung bevollmächtigt waren, wenn der Käufer den Kaufpreis nicht zahlt und der Verkäufer vom Vertrag zurückgetreten ist. Soweit ersichtlich, ist diese konkrete Fallkonstellation von der Rechtsprechung noch nicht entschieden und in der Literatur auch nicht aufgegriffen worden. Unseres Erachtens kommt die Abgabe der Löschungsbewilligung durch den Notar aufgrund einer ihm erteilten Vollmacht der Erteilung einer Löschungsbewilligung durch den Erwerber selbst gleich (so in BFH DStRE 2008, 1151; nicht ausreichend ist jedoch allein die Erteilung der Vollmacht, ohne dass davon Gebrauch gemacht wurde, vgl. jüngst BFH DStRE 2022, 625). Im Falle der bereits erteilten Löschungsbewilligung hat es der Erwerber nicht mehr selbst in der Hand, an wen das Grundstück nach Aufhebung des Vertrages weiterveräußert wird. Eine Verwertung der eigenen Rechtsposition im eigenen wirtschaftlichen Interesse (BFH DStRE 2013, 1507 Rn. 14) ist dem Ersterwerber in diesen Fällen gerade nicht mehr möglich.

Der Erwerbsvorgang muss nun innerhalb der Zweijahresfrist vollständig rechtlich und tatsächlich rückgängig gemacht werden, d. h. in diesem Zeitraum müssen im Grundsatz alle Voraussetzungen für die tatsächliche Rückgängigmachung erfolgt sein. Fraglich ist nun, ob die Auflassungsvormerkung innerhalb der in § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bestimmten Frist von zwei Jahren gelöscht werden muss oder ob es ausreichend ist, dass innerhalb dieser Frist der Antrag beim Grundbuchamt auf Löschung gestellt worden ist. In seinem Urteil vom 5.10.2005 (II B 152/04, Tz. 17 [juris]) musste der BFH zu dieser Frage mangels Entscheidungserheblichkeit keine Stellung nehmen. Der BFH hat es aber zumindest als naheliegend erachtet, dass in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 GrEStG (der die gesetzliche Regelung enthält, dass in Fällen, in welchen für den Rückerwerb eine Eintragung in das Grundbuch erforderlich ist, es ausreicht, wenn innerhalb der Frist die Auflassung erklärt und die Eintragung im Grundbuch beantragt wird) eine Antragstellung beim Grundbuchamt auf Löschung innerhalb der Zweijahresfrist ausreichen dürfte. Jüngst hat der BFH nun klargestellt, dass es auf die Antragstellung beim Grundbuchamt ankommt (BFH DStRE 2022, 625 Rn. 31). Es ist also erforderlich, dass der Löschungsantrag (samt Bewilligung) dem Grundbuchamt innerhalb der Zweijahresfrist zugeht. Mangels abweichender Anhaltspunkte gehen wir vorliegend davon aus, dass die Löschung der Vormerkung noch innerhalb der Zweijahresfrist erfolgte, sodass es auf die Frage des Zeitpunkts der Antragstellung nicht ankommen wird.

4. Ergebnis
Zur Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG muss im Grundsatz auch die zugunsten des Ersterwerbers eingetragene Auflassungsvormerkung innerhalb des Zweijahreszeitraums gelöscht werden, da nach Auffassung des BFH die Auflassungsvormerkung die Verkehrsfähigkeit eines Grundstücks unabhängig vom Fortbestand des zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs beeinträchtigt. Unseres Erachtens ist eine Verwertung der wirtschaftlichen Position des Erwerbers ausgeschlossen, wenn die Löschung der Vormerkung auf Grundlage der Bevollmächtigung von Notar oder Notariatsmitarbeitern ohne Mitwirkung des Erwerbers bewirkt wird.

Gutachten/Abruf-Nr:

190338

Erscheinungsdatum:

01.07.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grunderwerbsteuer
Vormerkung

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 97-99

Normen in Titel:

BGB § 883; GrEStG § 16 Abs. 1