28. August 2020
BGB § 1371 Abs. 1

Kroatien: Bemessung der Erbquoten bei gesetzlicher Gütergemeinschaft kroatischen Rechts

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 177309
letzte Aktualisierung: 28. Augus t 2020

BGB § 1371 Abs. 1
Kroatien: Bemessung der Erbquoten bei gesetzlicher Gütergemeinschaft kroatischen
Rechts

I. Sachverhalt

Der Erblasser ist 2019 mit letztem Wohnsitz in Deutschland verstorben. Er war zuletzt kroatischer
Staatsangehöriger und hat seine Ehefrau und zwei ehegemeinsame Söhne hinterlassen.

Die Eheschließung fand 1960 statt. Zu diesem Zeitpunkt hatten der Erblasser und seine Ehefrau
beide die jugoslawische Staatsangehörigkeit und lebten in der damaligen Republik Kroatien. Sie
schlossen keinen Ehevertrag ab. Später erwarben sie beide die kroatische Staatsangehörigkeit.

II. Frage

Zur Frage, ob sich die Erbquote der überlebenden Ehefrau nach § 1371 Abs. 1 BGB bemisst.

III. Zur Rechtslage

1. Bestimmung des Erbstatuts

Da der Erbfall nach dem 16.8.2015 eingetreten ist, bestimmt sich das auf die Erbfolge
anwendbare Recht nach den Vorschriften der Europäischen Erbrechtsverordnung. Mangels
Testaments des Erblassers wird das anwendbare Recht gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO an
den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes angeknüpft. Aus
dem mitgeteilten Sachverhalt ergibt sich nicht, wann der Erblasser nach Deutschland übergesiedelt
ist. Unterstellt man allerdings, dass er mit seiner Familie zuletzt in Deutschland
seinen Lebensmittelpunkt hatte, so hatte er seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. d.
Erwägungsgründe 23, 24 EuErbVO in Deutschland. Die Anknüpfung nach Art. 21 Abs. 1
EuErbVO führt daher zur Geltung des deutschen Rechts.

Maßgeblich für die Bestimmung der Erbquote der Ehefrau ist demnach § 1931 BGB. Insbesondere
sind auch die §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB als erbrechtliche Regelungen
anzuwenden (vgl. so auch die Feststellung des EuGH in der Entscheidung Mahnkopf, Urt.
v. 1.3.2018, DNotZ 2018, 785). Insoweit stellt sich also die Frage, ob die Eheleute zuletzt
im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts lebten oder aber
in einem ausländischen Güterstand, der der „Zugewinngemeinschaft“ deutschen Rechts
gleichzusetzen ist.

2. Bestimmung des Güterstatuts

Da die Eheschließung im vorliegenden Fall vor dem 9.4.1983 stattgefunden hat, ist das auf
die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe anwendbare Recht nach Art. 220 Abs. 3 EGBGB
zu bestimmen. Aufgrund der übereinstimmenden jugoslawischen Staatsangehörigkeit beider
Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung ist gem. Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB das
Recht des damaligen Jugoslawien anzuwenden.

Diese Verweisung auf das damalige jugoslawische Recht erfasst auch das in Jugoslawien
geltende Internationale Privatrecht. Insbesondere wäre eine Rückverweisung durch das
jugoslawische bzw. das kroatische Kollisionsrecht gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu
beachten. Allerdings bestimmt auch Art. 36 des Jugoslawischen Gesetzes über die Lösung
von Gesetzeskollisionen mit den Vorschriften anderer Staaten vom 15.7.1982, dass die persönlichen
und die gesetzlichen Vermögensverhältnisse von Eheleuten dem Recht des
Staates unterliegen, dessen Staatsangehörige sie sind. Insoweit nimmt das jugoslawische
Recht also die Verweisung an.

Die Verweisung auf das jugoslawische Recht führt jedoch nicht unmittelbar zum Ziel, da es
in Jugoslawien damals kein einheitliches Recht gab. Vielmehr ist insoweit eine Unteranknüpfung
vorzunehmen. Gem. Art. 17 des Jugoslawischen Gesetzes über die Lösung der
Gesetzes- und Zuständigkeitskollisionsnormen in status-, familien- und erbrechtlichen
Beziehungen von 1979 war die Bestimmung der einschlägigen Teilrechtsordnung durch
Anknüpfung an den Wohnsitz der Ehegatten vorzunehmen. Insoweit ist also hier, da beide
Eheleute damals die kroatische Republikzugehörigkeit hatten und in Kroatien lebten, das
Recht der damaligen Teilrepublik Kroatien anzuwenden.

Hier ergibt sich nun das Problem, dass diese Teilrepublik nicht mehr existiert, weil sich die
Jugoslawische Föderation schon längst aufgelöst hat und die Republik Kroatien sich bereits
im Jahre 1990 aus der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien herausgelöst und
am 8.10.1991 die staatliche Souveränität erlangt hat (vgl. dazu Staudinger/Dörner, BGB,
2007, Anh. Art. 25 EGBGB Rn. 434; Gliha, ZfRV 1993, 116). Die in Deutschland wohl
h. M. vertritt die Ansicht, dass mit Auflösung der Jugoslawischen Föderation eine Verweisung
gem. Art. 4 Abs. 3 EGBGB auf das Recht jenes Landesteils des vormaligen
Jugoslawien vorzunehmen ist, mit dem der Sachverhalt die „engste Verbindung“ hatte. In
diesem Fall gilt dann also das Recht der nunmehr autonomen Teilrepublik Kroatien (vgl.
MünchKommBGB/v. Hein, 8. Aufl. 2020, Einl. IPR Rn. 53; OLG Stuttgart FamRZ 1997,
1161).

Insoweit ist also seit dem Zeitpunkt der Autonomie kroatisches Recht anzuwenden. Das
kroatische Recht hat das Rechtsanwendungsgesetz der damaligen Jugoslawischen
Föderation weitgehend unverändert übernommen, sodass also aufgrund der seit diesem
Zeitpunkt fortbestehenden Staatsangehörigkeit beider Eheleute auch aus kroatischer Sicht
weiterhin kroatisches Recht anzuwenden ist. Zu einer Rückverweisung auf das deutsche
Recht kommt es daher nicht (ebenso OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.2.2015, BeckRS 2015,
6041).

3. Gesetzlicher Güterstand kroatischen Rechts

Es gilt folglich kroatisches Güterrecht. Vorbehaltlich einer abweichenden ehevertraglichen
Vereinbarung leben danach die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der ehelichen Gemeinschaft
(ausf. dazu Mikolic/Schön, in: Süß/Ring, Eherecht in Europa, 3. Aufl. 2017, Länder-
bericht Kroatien, Rn. 10 ff.). Danach steht den Eheleuten am gemeinsamen Vermögen –
also insbesondere dem während der Dauer der Ehe erworbenen Vermögen – das Miteigentum
zu gleichen Teilen zu. Hierbei handelt es sich um eine gegenständlich beschränkte
Gütergemeinschaft. Eine Aufteilung der ehelichen Gütergemeinschaft erfolgt nicht nur bei
Scheidung der Ehe, sondern auch bei Auflösung der Ehe durch Tod.

Die Eheleute lebten also nicht im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft
(deutschen) Rechts. Trotz Anwendbarkeit von § 1371 Abs. 1 BGB ist also das Merkmal der
„Zugewinngemeinschaft“ in diesem Sinne nicht unmittelbar erfüllt.

4. Substitution der „Zugewinngemeinschaft“

Hilfsweise stellt sich freilich die Frage, ob hier nicht eine Substitution möglich ist. Eine Vergleichbarkeit
des Güterstands der gesetzlichen Gütergemeinschaft des kroatischen Rechts
mit dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts käme insoweit
in Betracht, als in beiden Fällen ein Ausgleich des Vermögens erfolgt, welches die Eheleute
während der Dauer der Ehe erworben haben. In dieser Hinsicht sind beide Güterstände
also von ihrer grundsätzlichen Ausrichtung her wirtschaftlich vergleichbar. Ob dieser
Ausgleich nun wertmäßig in Geld oder auf dingliche Weise durch Auseinandersetzung eines
Gesamtguts erfolgt, dürfte für die Vergleichbarkeit im Rahmen von § 1371 Abs. 1 BGB
keine Rolle spielen, da es lediglich um die Art und Weise der Auseinandersetzung geht.

Das für die Substitution entscheidende Merkmal dürfte nicht die grundsätzliche Vergleichbarkeit
der dinglichen Ausgestaltung der Güterstände sein, sondern u. E. vielmehr die
Frage, ob der grundsätzlich für den Fall der Auflösung der Ehe unter Lebenden vorgesehene
Ausgleich auch im Fall des Todes durchgeführt wird. Die Festsetzung der Ehegattenerbquoten
nach §§ 1931 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB geht nämlich davon aus, dass beim
Tod eines der Ehegatten der güterrechtliche Ausgleich ausgeschlossen ist bzw. vom überlebenden
Ehegatten nur dadurch herbeigeführt werden kann, dass dieser das Erbe ausschlägt.

Der um ¼ erhöhte Erbteil nach § 1371 Abs. 1 BGB setzt also voraus, dass ein
güterrechtlicher Ausgleich nicht erfolgt. Insoweit wird daher nach den uns bislang zu dieser
Frage vorliegenden Stellungnahmen die Ansicht vertreten, eine nach ausländischem Recht
wie auch immer bestehende „Errungenschaftsgemeinschaft“ könne nicht mit der Zugewinngemeinschaft
nach § 1371 Abs. 1 BGB substituiert werden, weil es ansonsten zur
mehrfachen Durchführung eines güterrechtlichen Ausgleichs komme (vgl. insoweit nur
Fornasier, FamRZ 2018, 635; Kleinschmidt, ErbR 2018, 328; Mankowski, ErbR 2018, 295,
303; Dörner, ZEV 2018, 305, 307; sehr eng Weber, NJW 2018, 1356, 1358, der die
Erhöhung der Erbquote davon abhängig machen will, dass das Güterstatut eine solche
Erhöhung vorsieht, dabei aber u. E. mit der Logik der Mahnkopf-Entscheidung kollidiert,
wonach sich die gesetzliche Ehegattenerbquote ausschließlich nach dem Erbstatut richtet).

Mangels Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts bzw. mangels „Gleichwertigkeit“ der
gesetzlichen Gemeinschaft des kroatischen Rechts mit der Zugewinngemeinschaft in
diesem Sinne erhält im vorliegenden Fall die überlebende Ehefrau eine Erbquote von ¼
(§ 1931 Abs. 1 BGB) und muss im Übrigen mit der Erbengemeinschaft eine güterrechtliche
Auseinandersetzung des ehelichen Vermögens durchführen.

Gutachten/Abruf-Nr:

177309

Erscheinungsdatum:

28.08.2020

Rechtsbezug

National

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BGB § 1371 Abs. 1