11. September 2020
BGB § 1365

England: Verfügungsbeschränkungen bei Geltung englischen Güterrechts

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Abruf-Nr.: 178500
letzte Aktualisierung: 11. September 2020

BGB § 1365
England: Verfügungsbeschränkungen bei Geltung englischen Güterrechts

I. Sachverhalt
Ein englischer Staatsangehöriger, der in Deutschland belegenen Grundbesitz hatte, ist verstorben
und wurde von seinen beiden Kindern beerbt. Die Kinder leben ebenfalls in England.
Sie wollen die Grundstücke nun veräußern. Eines der Kinder ist verheiratet.

II. Frage
Besteht eine mit § 1365 BGB vergleichbare Regelung im englischen Recht und bedarf das verheiratete
Kind dementsprechend der Zustimmung des Ehegatten?

III. Zur Rechtslage
1. Erbstatut
Im vorliegenden Fall ist zunächst das auf die Erbfolge anwendbare Recht zu bestimmen.
Hier ergibt sich, dass zwar aufgrund der Staatsangehörigkeit des Erblassers (bei Erbfall bis
zu dem 16.8.2015, vgl. Art. 25 Abs. 1 EGBGB a. F.) oder aber aufgrund des gewöhnlichen
Aufenthalts des Erblassers (bei Erbfolge nach dem 16.8.2015, Art. 21 EuErbVO) grundsätzlich
das in England geltende Erbrecht anzuwenden ist. Aufgrund Rückverweisung des
dort geltenden internationalen Privatrechts für die Erbfolge von Immobilien auf die deutsche
lex rei sitae (ausführl. dazu Odersky, NK-BGB, Bd. 5, 5. Aufl. 2018, Rn. 8), ergibt sich
hier aber für die Vererbung des Grundstücks die Geltung deutschen Rechts (Art. 4 Abs. 1
S. 2 EGBGB bzw. Art. 34 EuErbVO). Folge ist, dass die Abkömmlinge des Erblassers im
Rahmen der gesetzlichen Erbfolge Miterben geworden sind und das Grundstück in Erbengemeinschaft
entsprechend den Vorschriften des deutschen Rechts gesamthänderisch
halten.

2. Güterstatut
Anschließend stellt sich nun die Frage, ob sich hier aus dem anwendbaren Güterrecht Verfügungsbeschränkungen
auf Seiten des verheirateten Abkömmlings ergeben.

Sollten die Eheleute vor dem 29.1.2019 und nach dem 8.4.1983 geheiratet haben, bestimmt
sich das auf die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe anwendbare Recht nach Art. 15
EGBGB i. d. F. von 1986 (Art. 229 § 47 EGBGB und Art. 220 Abs. 3 S. 4 EGBGB).

Maßgeblich ist insoweit gem. Art. 15 Abs. 1 i. v. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB 1986 die
gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung. Hatten
diese also eine gemeinsame Staatsangehörigkeit – wie im vorliegenden Fall offenbar die
britische –, so ist das in Großbritannien geltende Recht anzuwenden.

Auf diese Verweisung ist zu beachten, dass in Großbritannien kein einheitliches Recht gilt.
Vielmehr ist das Recht in zivilrechtlicher Hinsicht gespalten. Es gilt besonderes Recht in
den Landesteilen England and Wales, in Schottland und auch in Nordirland. Auch gilt im
Vereinigten Königreich kein einheitliches internationales Kollisionsrecht i. S. v. Art. 4
Abs. 3 S. 7 EGBGB. Wir unterstellen weiterhin, dass die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung
beide im Landesteil England and Wales ansässig waren. Gem. Art. 4 Abs. 3
S. 2EGBGB ist in diesem Fall dann also das in diesem Landesteil anzuwendende Recht als
das Recht der „engsten Verbindung“ anzuwenden.

Diese Verweisung erfasst gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB auch das in England and Wales
geltende internationale Privatrecht. Insbesondere wäre gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB eine
Rückverweisung auf das deutsche Recht zu beachten.

Nach den in England wohl überwiegend vertretenen – wenn im Einzelnen auch umstrittenen
– Ansichten gilt für die güterrechtlichen Verhältnisse von Eheleuten während der
Dauer der Ehe das am matrimonial domicile der Eheleute geltende Recht. Hinsichtlich der
Eigentumsverhältnisse der Eheleute während der Dauer der Ehe in Bezug auf Immobilien
dagegen ist die jeweilige lex rei sitae, also das Belegenheitsrecht, anzuwenden (dazu Cheshire,
North & Fawcett, Private International Law, 15. Aufl. 2017, London, S. 1371
m. zahlr. w. N.). Insoweit wäre im vorliegenden Fall also genauer festzustellen, ob es sich
hierbei um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt.

Für die Unterscheidung, ob es sich bei einem Vermögensrecht um bewegliches oder unbewegliches
Vermögen handelt, wird im internationalen Privatrecht des Vereinigten Königreichs
nicht unmittelbar darauf zurückgegriffen, ob es sich um Grundstücke handelt oder
nicht. Vielmehr wird für die Unterscheidung eines Rechts als beweglich oder unbeweglich
auf die lex rei sitae verwiesen. Dieses Recht soll dann also darüber entscheiden, ob es sich bei
dem Gegenstand als beweglich oder unbeweglich handelt (Cheshire, North & Fawcett,
S. 1251 m. w. N.). Insoweit tritt daher im vorliegenden Fall eine sog. Qualifikationsrückverweisung
auf das deutsche Recht ein. Es ist also nach den Maßstäben des deutschen
Rechts zu ermitteln, ob es hier um bewegliches oder unbewegliches Vermögen geht. Dabei
ist in der deutschen Rechtsprechung mittlerweile allgemein anerkannt, dass auch dann,
wenn der Nachlass ausschließlich aus in Deutschland belegenen Immobilien besteht, es sich
bei der Beteiligung der Miterben an der Erbengemeinschaft aufgrund der gesamthänderischen
Bindung nicht um unbewegliches Vermögen, sondern vielmehr um bewegliches
Vermögen handelt (s. insoweit zuletzt KG ZEV 2012, 593 m. w. N.). Insoweit gehört
im vorliegenden Fall also die Beteiligung an der Erbengemeinschaft auf Seiten des verheirateten
Ehegatten zum beweglichen Vermögen, sodass für die güterrechtlichen Verhältnisse
in Bezug auf diese Beteiligung an der Erbengemeinschaft nicht auf das deutsche
Recht zurückverwiesen wird, sondern es bei der Geltung des am matrimonial domicile
geltenden Rechts bleibt. Geht man davon aus, dass die Eheleute beide zum Zeitpunkt der
Eheschließung und auch weiterhin ihren allgemeinen Lebensmittelpunkt in England haben,
verbunden mit der Absicht, dort weiterhin zu bleiben, so befindet sich das matrimonial
domicile in diesem Sinne – gleich welcher Definition und welcher Auffassung der englischen
Autoren man insoweit folgt – in England und führt für die güterrechtlichen Verhältnisse in
Bezug auf das bewegliche Vermögen zur Geltung des englischen Rechts. Das englische
Recht nimmt also die Verweisung an.

3. Folgen aus der Geltung englischen Güterrechts
Gesetzlicher Güterstand des englischen Rechts ist eine Art Gütertrennung. Freilich wird im
Rahmen einer Scheidung das Vermögen der Eheleute großzügig durch die Gerichte aufgeteilt.
Während der Dauer der Ehe sind die Vermögensmassen jedoch absolut getrennt.

Verheiratete Eheleute sind nach englischem Recht seit Einführung der Gleichberechtigung
durch den Married Women's Property Act so gestellt, wie Personen, die nicht miteinander verheiratet
sind. Jeder Ehegatte kann daher uneingeschränkt über sein Vermögen verfügen.

Eine Verfügungsbeschränkung wird sich also im vorliegenden Fall allenfalls dann ergeben,
wenn es sich bei dem Vermögen um unbewegliches Vermögen handeln würde – weil also
z. B. die Erbengemeinschaft schon auseinandergesetzt worden ist und der entsprechende
Abkömmling des Erblassers hier das Alleineigentum oder das Miteigentum an der Immobilie
im Rahmen der Auseinandersetzung erhalten hat. Dann käme es zu einer Rückverweisung
auf das deutsche Belegenheitsrecht, sodass § 1365 BGB eingreift. Damit ist im
vorliegenden Fall entsprechend den Regeln des englischen Rechts keine Zustimmung des
Ehegatten erforderlich (vgl. dazu ausführl. Odersky, in: Süß/Ring, Handbuch Eherecht in
Europa, 3. Aufl. 2016, Länderbericht Großbritannien, Rn. 16 ff.).

Gutachten/Abruf-Nr:

178500

Erscheinungsdatum:

11.09.2020

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

BGB § 1365