Übertragung eines Grundstücks zur Abfindung eines Pflichtteilsanspruchs; Vorkaufsrecht
BGB §§ 463, 470
Übertragung eines Grundstücks zur Abfindung eines Pflichtteilsanspruchs; Vorkaufsrecht
I. Sachverhalt
In einem Grundbuch sind außer einem Erbbaurecht auch ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den Erbbauberechtigten eingetragen. Der Eigentümer des Stammgrundstücks möchte das Grundstück an eines seiner Kinder übertragen, und zwar als Teilabfindung für einen bislang noch nicht geltend gemachten, nach dem Tode des anderen Elternteils aber bereits entstandenen Pflichtteilsanspruch dieses Kindes.
II. Frage
Besteht ein Vorkaufsrecht trotz
III. Zur Rechtslage
Grundsätzlich ist für die Auslösung eines schuldrechtlichen wie dinglichen Vorkaufsrechts das Vorliegen eines Vorkaufsfalls erforderlich. Hierzu muss zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande kommen. Auch ein Grundstückskaufvertrag, der als Gegenleistung keine klassische Kaufpreiszahlung, sondern die Vereinbarung anderer Zahlungsverpflichtungen vorsieht, kann einen Vorkaufsfall i. S. d.
1. Dogmatische Einordnung der Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs
Zunächst ist – aus Perspektive des Pflichtteilsrechts betrachtet – der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Geld gerichtet (BGH
2. Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs mit Grundstücksübereignung als Vorkaufsfall?
In der Literatur wird ein Vorkaufsfall auch dann angenommen, wenn der Vorkaufsverpflichtete den Vorkaufsgegenstand zur Erfüllung einer dem Dritten gegenüber bestehenden Geldschuld an Zahlungs statt hingibt (sog. kaufähnlicher Vertrag; BeckOGK-BGB/Daum, Std.: 1.10.2020, § 463 Rn. 61; Staudinger/Schermaier, BGB, 2013, § 463 Rn. 20; Soergel/Wertenbruch, BGB, 2009, § 463 Rn. 48; Schurig, Das Vorkaufsrecht im Privatrecht, 1975, S. 136; Burbulla, Der Vorkaufsfall im Zivilrecht, 2006, S. 41).
Dies vertritt ausdrücklich auch Falkner bzgl. der Möglichkeit eines Vorkaufsfalls bei Grundstückshingabe zur Leistung an Erfüllungs statt eines Pflichtteilsanspruchs, wenn der Wert des Grundstücks dem Pflichtteilsanspruch entspricht (Falkner,
3. Stellungnahme und Ergebnis
Diese Erwägungen der herrschenden Meinung in der Literatur überzeugen nicht. Sie vermengen die Ebene des Verpflichtungsgeschäfts mit der Ebene der Erfüllung dieser Verpflichtung. Vielmehr muss für die Frage der Kaufähnlichkeit eines Vertrags und damit das Vorliegen eines Vorkaufsfalls eine Kontrollüberlegung angestellt werden: Kann der Vorkaufsberechtigte die vom Dritten geschuldete Leistung gleichermaßen wie dieser erbringen (zu diesem Gedanken: OLG Frankfurt a. M.
Wir würden im vorliegenden Sachverhalt die Pflichtteilsabfindung daher nicht als Vorkaufsfall einstufen. Zum einen erbringt der Dritte (= hier der Pflichtteilsberechtigte) gar keine Gegenleistung. Das Schuldverhältnis zwischen Erbin und Pflichtteilsberechtigten verpflichtet Erstere einseitig. Schon deswegen kann mangels Synallagmas nicht von einer Kaufähnlichkeit ausgegangen werden.
Zum anderen ist Wesensmerkmal eines Kaufvertrags das Vorliegen beiderseits übereinstimmender Willenserklärungen. Auch das ist beim gesetzlichen Schuldverhältnis des Pflichtteils nicht gegeben; denn der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten basiert auf § 2303 BGB, also auf Gesetz und nicht auf Vertrag. Für die Abrede über die Leistung an Erfüllungs statt ist anerkannt, dass sie kein neues Schuldverhältnis begründen, sondern nur die bestehende Schuld zum Erlöschen bringen soll (BeckOGK-BGB/Looschelders, Std.: 1.9.2020, § 364 Rn. 12; MünchKommBGB/Fetzer, 8. Aufl. 2019, § 364 Rn. 1). Auch deswegen würden wir eine Kaufähnlichkeit verneinen.
Freilich kann angesichts der wenig differenzierenden (allerdings absolut herrschenden) Literaturmeinung nicht ausgeschlossen werden, dass ein Gericht auch in einem solchen Fall ein Vorkaufsrecht annimmt. Dem Gebot des sichersten Weges folgend wird man vorliegend einen Vorkaufsfall daher nicht ausschließen können.
180690
Erscheinungsdatum:18.10.2021
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 470; BGB § 463