Rechtsgeschäftliche Vertretung bei Gründung einer Ein-Mann-GmbH; keine Möglichkeit der Genehmigung bei einseitigen Rechtsgeschäften; Vorlage der formgerechten Vollmacht nach Beurkundung; Abhandenkommen der Vollmachtsurkunde
BGB §§ 125, 130 Abs. 1, 141, 167, 177, 180, 184; FamFG §§ 26, 378 ff.; GmbHG §§ 2 Abs. 2, 9c Abs. 1
Rechtsgeschäftliche Vertretung bei Gründung einer Ein-Mann-GmbH; keine Möglichkeit der Genehmigung bei einseitigen Rechtsgeschäften; Vorlage der formgerechten Vollmacht nach Beurkundung; Abhandenkommen der Vollmachtsurkunde
I. Sachverhalt
Im Rahmen der Gründung einer GmbH wurde der alleinige Gesellschafter (seinerseits eine Gesellschaft ausländischen Rechts) aufgrund einer formgerechten Vollmacht (beglaubigt nebst Apostille und Vertretungsnachweis) durch einen Rechtsanwalt vertreten. Bei Beurkundung lag die Vollmacht als Ausdruck einer dem Notar übersandten PDF-Scandatei vor; das Original befand sich nach Angabe auf dem Postweg. Der Ausdruck der PDF-Scandatei wurde der Urkunde beigefügt; vom Original sollte der Urkunde nach Vorlage zusätzlich eine beglaubigte Abschrift beigefügt werden. Nunmehr hat sich ergeben, dass das Original der Vollmacht auf dem Postweg möglicherweise verlorengegangen ist; jedenfalls ist es nach Angabe der Beteiligten vom Absender versandt worden, jedoch beim Empfänger nicht angekommen und derzeit nicht auffindbar.
Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass dies vorliegend möglicherweise im Hinblick auf § 180 S. 1 BGB, § 2 Abs. 2 GmbHG problematisch sei, weil es sich um eine Ein-Personen-Gründung handelt.
II. Fragen
Besteht in diesem Fall trotz § 180 S. 1 BGB, § 2 Abs. 2 GmbHG die Möglichkeit einer formgerechten Vollmachtsbestätigung, weil sich aus der PDF-Scandatei ergibt, dass eine formgerechte Vollmacht vor Beurkundung tatsächlich existiert hat oder ist von einer Nichtigkeit der Gründung auszugehen, falls sich das Original der Vollmacht nicht mehr auffinden lässt?
III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines zur vollmachtlosen Gründung einer Ein-Personen-GmbH
Gem. § 2 Abs. 2 S. 1 GmbHG muss der Bevollmächtigte eines GmbH-Gründers aufgrund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht handeln (zur Form, auch nach § 10 KonsularG, vgl. MünchKommGmbHG/Heinze, 4. Aufl. 2022, § 2 Rn. 91 ff.; Scholz/Cramer, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 2 Rn. 30 ff.; Herrler/Haines, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2021, § 6 Rn. 28 f.). Die Form ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Vollmacht, sodass eine nicht formgerechte Vollmacht gem. § 125 S. 1 BGB nichtig ist (Bormann/Stelmaszczyk, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 2 Rn. 73; MünchKommGmbHG/Heinze, § 2 Rn. 102).
Daher handelt ein bloß mündlich oder privatschriftlich Bevollmächtigter als falsus procurator (Scholz/Cramer, § 2 Rn. 36; MünchKommGmbHG/Heinze, § 2 Rn. 102; Heckschen, in: Heidinger/Heckschen, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 5. Aufl. 2023, Kap. 2 Rn. 30; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 2 Rn. 30; BeckOK-GmbHG/C. Jaeger, Std.: 1.8.2023, § 2 Rn. 24). Soweit der formlos Bevollmächtigte eine Ein-Personen-GmbH gründet, ist das Gründungsgeschäft unheilbar nichtig gem. § 180 S. 1 BGB (OLG Frankfurt
Nur bei der Mehrpersonengründung greift
Möglich ist allein die Bestätigung eines unwirksamen Rechtsgeschäfts gem. § 141 BGB, der jedoch nur ex-nunc-Wirkung zukommt (OLG Frankfurt
2. Beurkundung ohne Vorlage der Vollmacht
Vorliegend wird das Vorhandensein einer formgerechten Vollmacht behauptet, die jedoch bei Beurkundung nicht vorlag und nun auf dem Postweg verloren gegangen sei.
a) Existenz der Vollmacht zum Zeitpunkt der Beurkundung
Sollte die Vollmacht formwirksam erteilt worden sein und dem Notar lediglich im Zeitpunkt der Beurkundung noch nicht vorgelegen haben, so ist damit keine Nichtigkeit der Gründung der GmbH (dazu oben Ziff. 1) verbunden. Die Vorlage der Vollmacht im Zeitpunkt der Beurkundung beim Notar ist nicht notwendig. Es reicht aus, wenn die Vollmacht im Beurkundungszeitpunkt existiert und dem beurkundenden Notar zwecks Registervollzugs nachgereicht wird (Scholz/Cramer, § 2 Rn. 31; Heidinger/Knaier, in: Heckschen/Heidinger, Kap. 3 Rn. 77; Herrler/Haines, § 6 Rn. 33; Wobst, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 6. Aufl. 2023, § 5 Rn. 29; Wachter,
Freilich müsste die Vollmacht dem Bevollmächtigten gegenüber wirksam erteilt worden sein (§ 167 Abs. 1 BGB). Die hier in Rede stehende Innenvollmacht wird erst wirksam, wenn die Erklärung dem Bevollmächtigten – formgerecht – zugegangen ist (vgl. MünchKommBGB/Einsele, 9. Aufl. 2021, § 130 Rn. 33). Hierzu gibt der Sachverhalt keine weitergehenden Informationen. Zu bedenken ist aber, dass
b) Erfordernis des Nachreichens des Originals
Problematisch ist im zu begutachtenden Sachverhalt, dass das Original bzw. die Ausfertigung der Vollmachtsurkunde nicht mehr vorgelegt werden kann.
Wachter formuliert:
„Die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister kann in diesem Fall allerdings erst dann erfolgen, wenn die formgerecht erteilte Vollmacht im Original vorliegt.“
(Wachter,
Auch sonst wird davon ausgegangen, dass das Original der Vollmachtsurkunde nachgereicht und der Gründungsurkunde nachträglich beigefügt werden könne (Wobst, § 5 Rn. 29; Herrler/Haines, § 6 Rn. 33; Scheller, § 135 Rn. 15 m. Fn. 51, dort auch ablehnend zur strengeren Ansicht etwa von Heinze,
Obgleich eine Kopie bzw. hier der PDF-Scan nahelegen könnte, dass die Vollmacht im Beurkundungszeitpunkt formgerecht erteilt wurde, müsste auf dieser Basis für die Eintragung in das Handelsregister die Vollmacht im „Original“ (Urschrift) bzw. bei beurkundeter Vollmacht in Ausfertigung (§ 47 BeurkG) vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall; das Original der beglaubigten Vollmachtsurkunde kann nicht nachgereicht werden. Das Registergericht dürfte daher die GmbH grundsätzlich – zur ggf. einschlägigen Ausnahme der Vollmachtsbestätigung sogleich unter Ziff. 3 – nicht in das Handelsregister eintragen. Zur etwaigen Heilung des Mangels bei gleichwohl erfolgter Eintragung der GmbH sei auf die entsprechende Literatur verwiesen (Gutachten
3. Vollmachtsbestätigung
Bei der hier vorliegenden Konstellation stellt sich allerdings die Frage, ob ausnahmsweise eine Vollmachtsbestätigung, die im Grundbuchverfahrensrecht in anderer Form omnipräsent ist, in Betracht kommen könnte. Diese würde allerdings wegen der materiell-rechtlichen Formvorschrift des § 2 Abs. 2 S. 1 GmbHG deutlich über das hinausgehen, was im Grundbuchverfahren für die Zwecke des § 29 Abs. 1 GBO erklärt wird.
Evident ist zunächst, dass eine solche Vollmachtsbestätigung die Zwecke des § 2 Abs. 2 S. 1 GmbHG nicht unterlaufen und damit nicht dazu führen dürfte, dass eine – nur als Vollmachtsbestätigung deklarierte bzw. etikettierte – Genehmigung erfolgt, die bei der Gründung einer Ein-Personen-GmbH gerade unzulässig wäre (vgl. oben Ziff. 1). Um zu verhindern, dass nachträglich lediglich behauptet wird, eine formgerechte (!) Vollmachtsurkunde habe bereits zum Zeitpunkt der Beurkundung existiert (dies ist der Unterschied zum Grundbuchverfahrensrecht, bei welchem das materielle Recht im Grundsatz gerade keine von
Unterstellt man, dass die Vollmacht formgerecht errichtet, auf den Zugang in der Form des § 2 Abs. 2 GmbHG verzichtet und die Vollmacht damit auch gem. § 167 BGB und § 2 Abs. 2 GmbHG wirksam erteilt wurde, besteht letztlich eine Friktion zwischen dem materiellen Recht und dem Verfahrensrecht. Die materiell-rechtlich bestehende Wirksamkeit der Errichtung der GmbH müsste verfahrensrechtlich nachgewiesen werden. Hierfür bedarf der Prüfungsmaßstab des Registergerichts einer genaueren Betrachtung: Dieser ergibt sich bei der Errichtung einer GmbH aus § 9c Abs. 1 GmbHG. Danach prüft das Registergericht auch die formellen Voraussetzungen der Errichtung der GmbH und damit auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 GmbHG (vgl. GroßkommGmbHG/Ulmer/Habersack, § 9c Rn. 11; MünchKommGmbHG/Wicke, 4. Aufl. 2022, § 9c Rn. 4). Insofern gilt bezüglich des Prüfungsumfangs, dass keine volle Überzeugung des Gerichts erforderlich ist, sondern „nur“ kein sachlich begründeter Zweifel bestehen darf (GroßkommGmbHG/Ulmer/Habersack, § 9c Rn. 13; MünchKommGmbHG/Wicke, § 9c Rn. 12; Tebben/Kämper, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, 4. Aufl. 2023, § 9c Rn. 5 f.). Es gilt in diesem Verfahren nach
Legt man dies zugrunde, ergibt sich nach unserer persönlichen Rechtsauffassung – die allerdings nicht durch Rechtsprechung oder Literatur abgesichert ist – Folgendes: Eine „Vollmachtsbestätigung“ wäre vorliegend denkbar. Eine materiell-rechtlich wirksame Gründungsurkunde muss auch vollziehbar sein. Insofern müsste vom Vollmachtgeber – hier der ausländischen Gesellschaft – bestätigt werden, dass eine i. S. d. § 2 Abs. 2 GmbHG formgerechte Vollmacht zum Beurkundungszeitpunkt existierte und wirksam erteilt wurde, also auch auf deren formgerechten Zugang beim Vertreter verzichtet worden war. Um Zweifel des Registergerichts (vor allem in Bezug auf einen Umgehungsversuch des § 2 Abs. 2 GmbHG und des § 180 S. 1 BGB) zu vermeiden, müsste der damit behauptete Sachverhalt glaubhaft gemacht werden. Dies könnte vorliegend unter anderem dergestalt erfolgen, dass das PDF-Dokument der beglaubigten Vollmacht, welches das Datum der Beglaubigung ausweist, vorgelegt wird (in diese Richtung auch Wachter,
Dem hier vertretenen Ergebnis der Möglichkeit einer Bestätigung der Existenz einer formgerechten Vollmacht steht nicht entgegen, dass eine „klassische Vollmachtsbestätigung“ – also eine Bestätigung einer formfrei erteilten Vollmacht in der registerverfahrensrechtlichen Form des § 29 GBO – bei der Gründung einer Ein-Personen-GmbH nicht möglich ist (vgl. nur
Wir weisen allerdings abschließend darauf hin, dass diese Art der „Vollmachtsbestätigung“ (präziser: Bestätigung einer formgerecht errichteten und erteilten Vollmacht) nicht durch Rechtsprechung oder Literatur abgesichert und daher mit einem Risiko behaftet ist. Dieses bezieht sich zunächst auf das Stadium des Eintragungsverfahrens. Kommt es trotz eines Mangels der Vollmacht gleichwohl zur Eintragung, wird der Vollmachtsmangel nach ganz h.M. geheilt, bildet also keinen Nichtigkeitsgrund i.S.d. § 75 GmbHG (Scholz/Cramer, § 2 Rn. 38; Bormann/Stelmaszczyk, § 2 Rn. 77; Raff, § 2 Rn. 100; Wachter,
200970
Erscheinungsdatum:20.11.2023
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GmbH
BGB § 167; BGB § 177; BGB § 130 Abs. 1; FamFG § 26; GmbHG § 9c Abs. 1