01. April 2022
WEG § 26a

Zertifizierter Verwalter; bauliche Maßnahmen; Abdingbarkeit; Veräußerungszustimmung; Hausgeldrückstand als wichtiger Grund

WEG §§ 12, 19 Abs. 2 Nr. 6, 20 Abs. 3, 26a, n. F.
Zertifizierter Verwalter; bauliche Maßnahmen; Abdingbarkeit; Veräußerungszustimmung; Hausgeldrückstand als wichtiger Grund

I. Sachverhalt
Es soll eine Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung für eine Wohnungsanlage mit fünf Einheiten beurkundet werden. Den Beteiligten ist der Kostenaufwand für die Bestellung eines zertifizierten Verwalters zu hoch. Zudem soll eine Regelung aufgenommen werden, wonach die Zustimmung zur Veräußerung auch bei Wohngeldrückständen versagt werden kann. Des Weiteren soll § 20 Abs. 3 WEG bzgl. der Kostentragung modifiziert werden.

II. Fragen
1. Ist § 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG i. V. m. § 26a WEG abdingbar? Wenn ja, in welchem Umfang?

2. Kann in die Teilungserklärung eine Vereinbarung aufgenommen werden, wonach ein wichtiger Grund für die Versagung der Veräußerungszustimmung auch ein bestehender Rückstand an Wohngeld oder sonstigen Forderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft ist?

3. Kann in der Teilungserklärung wirksam vereinbart werden, dass der Eigentümer, der bauliche Maßnahmen nach § 20 Abs. 3 WEG verlangt, die Kosten der Errichtung, der Unterhaltung und der Entfernung einschließlich Wiederherstellung des früheren Zustandes zu tragen hat?

III. Zur Rechtslage
1. Voraussetzungen für einen Anspruch auf Bestellung eines zertifizierten Verwalters
§ 19 Abs. 1 WEG sieht vor, dass die Wohnungseigentümer eine ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschließen. § 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG bestimmt, dass zur ordnungsmäßigen Verwaltung und Benutzung insbesondere die Bestellung eines zertifizierten Verwalters i. S. d. § 26a WEG gehört. Die gesamte Regelung ist im Zusammenhang mit § 18 Abs. 2 WEG zu lesen, wonach jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft eine ordnungsmäßige Verwaltung verlangen kann. Die Regelung zum zertifizierten Verwalter ist dementsprechend als zivilrechtlicher Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft ausgestaltet (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 26a Rn. 8; Grüneberg/Wicke, BGB, 81. Aufl. 2022, § 19 WEG Rn. 21; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 560; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rn. 35).

§ 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG sieht jedoch Ausnahmen von diesem Anspruch vor. Die Bestellung eines zertifizierten Verwalters kann demnach nicht verlangt werden, wenn weniger als neun Sondereigentumsrechte bestehen, ein Wohnungseigentümer zum Verwalter bestellt wurde und (als Gegenausnahme) nicht mehr als ein Drittel der Wohnungseigentümer verlangt, dass ein zertifizierter Verwalter bestellt wird. Der vorliegende Fall wäre also von der Bereichsausnahme umfasst, wenn ein Wohnungseigentümer zum Verwalter bestellt würde und nicht mehr als ein Drittel der Wohnungseigentümer die Bestellung eines zertifizierten Verwalters verlangen.

2. Zur Abdingbarkeit der Regelungen zum zertifizierten Verwalter
Zur Abdingbarkeit des Anspruchs lässt sich zunächst sagen, dass aufgrund der eindeutigen Äußerung in der Gesetzesbegründung als gesichert gilt, dass es jedenfalls – wie bei jedem anderen zivilrechtlichen Anspruch auch – zulässig ist, dass sämtliche Wohnungseigentümer von einer Geltendmachung ihres Anspruchs absehen (BT-Drs. 19/22634, S. 43; Lehmann-Richter/Wobst, Rn. 562; Grüneberg/Wicke, § 19 WEG Rn. 21). Zudem wird sich aus der Norm kein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB dahingehend ableiten lassen, dass die Bestellung eines nicht zertifizierten Verwalters unzulässig ist. Die Bestellung eines nicht zertifizierten Verwalters entgegen den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung stellt lediglich einen Anfechtungsgrund bezüglich des entsprechenden Beschlusses dar (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, Kap. 9 Rn. 38).

Damit ist aber die Frage, ob der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Bestellung eines zertifizierten Verwalters in der Gemeinschaftsordnung auch mit Wirkung für die Zukunft abbedungen werden kann, noch nicht beantwortet. Für eine solche Abdingbarkeit streitet zunächst der Wortlaut des § 19 Abs. 1 WEG, der besagt, dass die Wohnungseigentümer eine ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschließen „soweit nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt“ (Grüneberg/Wicke, § 19 WEG Rn. 1). Dafür spricht auch der allgemeine Grundsatz des § 10 Abs. 1 S. 2 WEG, wonach Wohnungseigentümer von den Vorschriften des WEG abweichende Vereinbarungen treffen können, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. Den Wohnungseigentümern ist es also grundsätzlich unbenommen, bereits im Wege der Vereinbarung festzulegen, was eine ordnungsmäßige Verwaltung ist. Eine entsprechende Vereinbarung dürfte damit den Regelbeispielen des § 19 Abs. 2 WEG vorgehen (a. A. wohl Hügel/Elzer, § 19 Rn. 178, die § 19 WEG insgesamt für unabdingbar halten).

Hieran könnte man allenfalls dann Zweifel hegen, wenn man davon ausginge, dass der Gesetzgeber mit der Norm auch ordnungspolitische Ziele verfolgt oder Drittinteressen geschützt werden sollen. Zunächst wurde in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgeschlagen, einen Sachkundenachweis als öffentlich-rechtliche Regelung in die Gewerbeordnung bzw. die MaBV aufzunehmen (vgl. den Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, abgedruckt etwa in ZWE 2019, 429, 441). Hiervon ist der Gesetzgeber jedoch im Rechtsausschuss des Bundestages abgerückt und hat die Ausgestaltung als zivilrechtlichen Anspruch vorgesehen. Hätte der Gesetzgeber auch ordnungspolitische Ziele verfolgen wollen, wäre eine Regelung der Zertifizierung in der Gewerbeordnung naheliegender gewesen. In § 34c Abs. 1 Nr. 4 GewO ist jedoch weiterhin lediglich geregelt, dass ein Wohnimmobilienverwalter der Erlaubnis der zuständigen Behörde bedarf, wenn er diese Tätigkeit gewerbsmäßig ausübt. Eine Zertifizierung ist hierfür gerade nicht erforderlich (kritisch dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, Kap. 9 Rn. 34). Das führt dazu, dass öffentlich-rechtlich ein niedrigerer Standard verlangt wird, als zivilrechtlich. Diese Regelung ist rechtspolitisch zu diskutieren; für die Praxis lässt sich daraus aber keine Unabdingbarkeit des zivilrechtlichen Anspruchs herleiten.

Auch eine Intention des Gesetzgebers dahingehend, dass vor allem Drittinteressen geschützt werden sollen, lässt sich nicht erkennen. Zwar vertritt der Verwalter die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gem. § 9b Abs. 1 WEG nach außen. Es besteht also durchaus ein Interesse des Rechtsverkehrs daran, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch qualifizierte Personen vertreten wird. Hätte der Gesetzgeber jedoch dieses Ziel im Blick gehabt, so ergäbe eine Ausgestaltung als zivilrechtlicher Anspruch zugunsten einzelner Wohnungseigentümer keinen rechten Sinn. Denn wenn der zertifizierte Verwalter dadurch verhindert werden kann, dass schlicht kein Wohnungseigentümer seinen Anspruch geltend macht, so lässt sich das Argument des Drittschutzes nicht gegen eine Abdingbarkeit ins Feld führen.

Im Ergebnis würden wir also – insbesondere aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 19 Abs. 1 WEG – davon ausgehen, dass die Norm des § 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG zur Disposition der Wohnungseigentümer steht. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass einschlägige Rechtsprechung hierzu naturgemäß noch nicht ergangen ist.

3. Rückstand an „Wohngeld“ als wichtiger Grund i. S. d. § 12 Abs. 2 S. 1 WEG
Ist als Inhalt des Sondereigentums vereinbart, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters bedarf, so darf der Verwalter die Zustimmung nach § 12 Abs. 2 S. 1 WEG nur aus wichtigem Grund versagen. Da die Regelung zur Veräußerungsbeschränkung in § 12 WEG den Wohnungseigentümern die Möglichkeit geben will, das Eindringen störender oder zahlungsunfähiger Personen in die Wohnungseigentümergemeinschaft zu verhindern (vgl. BGH NJW 2012, 2434, 2435; BayObLG DNotZ 1992, 229; KG FGPrax 2004, 69), kommt es für die Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, allein auf die Person des Erwerbers, insbes. seine persönliche und finanzielle Zuverlässigkeit und die von ihm beabsichtigte Nutzung an; hieraus muss sich eine gemeinschaftswidrige Gefahr für die übrigen Miteigentümer ergeben (vgl. BayObLG NJW-RR 1988, 1425; OLG Köln OLGR 2005, 25; OLG Frankfurt NZM 2006, 380 f.; OLG Düsseldorf NZM 2005, 787). Vorliegend soll hingegen ein bestehender Rückstand an Wohngeld und sonstigen Forderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft zum „wichtigen Grund“ erhoben werden, also eine Tatsache, die ihre Ursache regelmäßig allein in der Person des Veräußerers haben wird.

§ 12 Abs. 2 S. 1 WEG ist nach ganz h. M. unabdingbar, sodass Regelungen in einer Gemeinschaftsordnung, die die Möglichkeit zur Zustimmungsverweigerung ausweiten, unwirksam sind (Hügel/Elzer, § 12 Rn. 55; Hügel, MittBayNot 2016, 109, 116; OLG Düsseldorf NZM 2005, 787, 788; BeckOK-WEG/Hogenschurz, Std.: 1.1.2022, § 12 Rn. 50; BayObLGZ 1980, 29; Staudinger/Kreuzer, WEG, 2018, § 12 Rn. 52 f., 84). Begründet wird dies insbesondere damit, dass § 12 Abs. 1 WEG als Ausnahme vom Verbot der dinglich wirkenden Veräußerungsbeschränkung gem. § 137 S. 1 BGB eng auszulegen sei. Zudem ergebe sich dies auch im Umkehrschluss zu § 12 Abs. 2 S. 2 WEG, welcher eine Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung nur hinsichtlich der Begründung eines ausdrücklichen Zustimmungsanspruchs und damit nur die Erweiterung des Zustimmungsanspruchs zulasse. Die Gemeinschaftsordnung kann zwar Regelbeispiele für wichtige Gründe vorsehen, ein Grund, der von vornherein nicht in der Person des Erwerbers liegt, kann durch Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung jedoch nicht zu einem wichtigen Grund heraufgesetzt werden (Hügel/Elzer, § 12 Rn. 58; Hügel, MittBayNot 2016, 109, 116; BeckOK-WEG/Hogenschurz, § 12 Rn. 50; BayObLGZ 1980, 29).

Wir würden deshalb im Ergebnis davon ausgehen, dass ein durch den Veräußerer verursachter Rückstand an „Wohngeld“ und sonstigen Forderungen der Wohnungseigentümer­gemeinschaft nicht zum wichtigen Grund i. S. d. § 12 Abs. 2 S. 1 WEG erhoben werden kann.

4. Pflicht zur Kostentragung bezüglich baulicher Maßnahmen
Gem. § 20 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind. Kurz gesagt, sind bauliche Maßnahmen zu gestatten, wenn sie niemanden (der nicht zugestimmt hat) in relevanter Weise beeinträchtigen. Die Norm gewährt dem einzelnen Wohnungseigentümer lediglich einen Anspruch auf Beschlussfassung, ein eigenmächtiges Bauen ist nicht gestattet (Lehmann-Richter/Wobst, Rn. 993; Grüneberg/Wicke, § 20 WEG Rn. 6, sowie Rn. 24 zu den Rechtsfolgen einer unzulässigen baulichen Veränderung). Weigern sich die Wohnungseigentümer einen entsprechenden Gestattungsbeschluss zu fassen, so kann der Anspruchsberechtigte gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 WEG eine Beschlussersetzungsklage anstrengen (Hügel/Elzer, § 20 Rn. 117; Dötsch, ZIP 2020, 215, 222)

Gem. § 21 Abs. 1 WEG hat der Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung zu tragen, dem die bauliche Veränderung gestattet wird. Die Kostenlast bezüglich der baulichen Veränderung trifft also bereits nach der gesetzlichen Regelung den verlangenden Wohnungseigentümer. Nur ihm gebühren im Gegenzug die Nutzungen. Gem. § 21 Abs. 5 WEG können die Wohnungseigentümer eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Der Beschluss muss der ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen und darf gem. § 21 Abs. 5 S. 2 WEG keinen Wohnungseigentümer belasten, der nach den Absätzen 1 bis 4 keine Kosten zu tragen hätte.

Es stellt sich also schon die Frage, ob die vorliegend beabsichtigte Regelung überhaupt über das gesetzliche Modell hinausgehende Kostentragungspflichten vorsieht. Das Gesetz spricht dem Wortlaut nach nur von den Kosten einer „baulichen Veränderung“, ohne dies weiter zu präzisieren. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich jedoch, dass die Pflicht zur Kostentragung alle kausal auf der baulichen Veränderung beruhenden Kosten, also auch die Folgekosten für Betrieb und Erhaltung erfasst (BT-Drs. 19/18791, S. 69; Lehmann-Richter/Wobst, Rn. 1055).

Die vorliegende Regelung dürfte also allenfalls bezüglich der Entfernung einschließlich der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands über die Regelung des § 21 Abs. 1 WEG hinausgehen. Auch wenn einem Wohnungseigentümer gem. § 20 Abs. 3 WEG grundsätzlich ein Anspruch auf Beschlussfassung bezüglich der baulichen Veränderung zusteht, dürfte eine Verpflichtung zum Rückbau kraft Vereinbarung möglich sein (implizit, allerdings für Abs. 2: Hügel/Elzer, § 20 Rn. 72, Rn. 114). § 20 Abs. 3 WEG ist insgesamt abdingbar (Grüneberg/Wicke, § 20 WEG Rn. 22; a. A. Hügel/Elzer, § 20 Rn. 188) mit der Konsequenz, dass der Anspruch gem. § 20 Abs. 3 WEG vollständig ausgeschlossen werden kann. Als „milderes Mittel“ dürfte deshalb auch zulässig sein, den Anspruch an eine Verpflichtung zur Kostentragung bezüglich des Rückbaus zu knüpfen. Allerdings erschließt sich aus dem Sachverhalt nicht unmittelbar, in welchen Fällen der Wohnungseigentümer zum Rückbau verpflichtet sein soll. Wenn eine Gestattung durch Beschluss der Wohnungseigentümer vorliegt, so dürfte eine Verpflichtung zum Rückbau ohnehin nicht mehr bestehen.

Gutachten/Abruf-Nr:

181113

Erscheinungsdatum:

01.04.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 49-52

Normen in Titel:

WEG § 26a