01. Januar 2006
EGBGB Art. 184; BGB § 1030; BGB § 875

Altrechtlicher Nießbrauch zu Gunsten des jeweiligen Inhabers eines bestimmten Amtes und Grundbuchlöschung

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GUTACHTEN D o k u m e nt n u m m e r : l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 11451 09.03.2006

EGBGB Art. 184; BGB §§ 875, 1030 Altrechtlicher Nießbrauch zu Gunsten des jeweiligen Inhabers eines bestimmten Amtes und Grundbuchlöschung

I. Sachverhalt Im Grundbuch ist eine Katholische Kirchengemeinde als Eigentümerin verschiedener Grundstücke eingetragen. In Abteilung II findet sich eine Eintragung folgenden Inhalts: ,,Nießbrauchsrecht für den jeweiligen Katholischen Pastor von ... gemäß Bewilligung vom 21.05.1892, eingetragen bei Anlegung des Grundbuches." Ds Grundstück liegt im Saarland (und zwar im ehemals preußischen Teil des Saarlandes). Kirchenrechtlich ist das Bistum Trier zuständig. II. Fragen 1. Kann ein Nießbrauchsrecht zu Gunsten des jeweiligen Inhabers eines Amtes im Grundbuch eingetragen werden? Falls dies nicht möglich ist, wie sind dann derartige, tatsächlich vorhandene Eintragungen aus der Zeit vor Inkrafttreten des BGB zu behandelt? Für den Fall, dass das Recht wirksam ist, stellt sich die Frage, ob der derzeitig aktuelle Pastor mit Wirkung gegen seine Amtsnachfolger das Recht aufgeben und zur Löschung bewilligen kann?

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III. Zur Rechtslage 1. Kein subjektiv-dinglicher Nießbrauch oder Nießbrauch zugunsten des jeweiligen Inhabers eines bestimmten Anteils nach dem BGB möglich Ein Nießbrauchrecht kann nach den Regeln des BGB nur für eine bestimmte natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft eingetragen werden. Seine Ausgestaltung als subjektiv-dingliches Recht, also zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks, ist nicht möglich (vgl. nur statt aller Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl. 2006, § 1030 Rn. 3). Dem entspricht es, dass in anderen Rechtsordnungen (so z. B. im französischen Recht) der Nießbrauch im Gesetzbuch im Zusammenhang mit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und dem Wohnungsrecht abgehandelt wird und getrennt von der Regelung der Grunddienstbarkeit.

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Aus dem Verbot, einen Nießbrauch als subjektiv-dingliches Recht zu bestellen, folgt u. E. zwingend, dass die Bestellung eines Nießbrauches zu Gunsten des jeweiligen Inhabers eines bestimmten Amtes nicht möglich ist. 2. Altrechtliches Nießbrauchsrecht a) Übergangsregelung im Art. 184 EGBGB Für die Frage der Fortgeltung beschränkt dinglicher Rechte, die vor Inkrafttreten des BGB und der Grundbuchordnung bestellt worden sind, ist vom Gesetzgeber eine Übergangsregelung in Art. 184 EGBGB eingefügt worden. Hiernach bleiben Rechte, mit denen eine Sache zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches belastet ist, mit dem sich aus den bisherigen Gesetzen ergebenden Inhalts prinzipiell bestehen. Art. 184 EGBGB gilt insoweit für alle Rechte mit den eine Sache am 1.1.1900 belastet war, bei Rechten an Grundstücken sowohl für eingetragene als auch für nicht eingetragene Rechte (vgl. hierzu schon Planck, Kommentar zum BGB, 1. und 2. Aufl. 1901, Art. 184 EGBGB Anm. 2). Insbesondere fallen unter Art. 184 EGBGB auch solche Rechte, die dem sachenrechtlichen Kanon des BGB selbst nicht bekannt sind (vgl. Planck, a. a. O.; KG, Beschl. v. 30.8.1902, OLGE 6, 203 ff.; Staudinger/Hönle, BGBKommentar, Neubearb. April 2005, Art. 184 EGBGB Rn. 2). Im vorliegenden Fall ist ausweislich der Grundbucheintragung das Recht im Jahre 1892 bestellt und in das Grundbuch dieses Ortes bei Anlegung der Grundbücher eingetragen worden. Daher erscheint es prinzipiell möglich, dass es sich bei dieser Regelung um ein fortwirkendes Recht i. S. v. Art. 184 EGBGB handelt. b) Eintragung als sog. ,,Pfarrdotalrecht" Bei unseren Recherchen konnten wir leider aus der uns zur Verfügung stehenden, nur beschränkten Literatur zum Rechtszustand vor Inkrafttreten des BGB, keine eindeutige Rechtsgrundlage feststellen, aufgrund derer die vorstehende Eintragung im Grundbuch begründet worden sein könnte. Auch im Bereich des Code Civil, der im Saarland (und im übrigen linksrheinischen Gebiet) seit der Zeit Napoleons bis zum Inkrafttreten des BGB als Partikularrecht galt, konnten wir keine Grundlage für eine derartige Eintragung finden. Bei unseren Recherchen stießen wir jedoch auf eine frühe Entscheidung des Reichsgerichtes v. 7.1.1880 (RGZ 1, 208 ff.): In dieser Entscheidung geht es zunächst darum, wer der Eigentümer ehemals katholischen Grundbesitzes ist, der in der ersten Zeit der französischen Besatzung säkularisiert worden ist. In diesem Zusammenhang erwähnt das Reichsgericht jedoch auch sog. ,,Pfarrdotalgüter". Hierbei handelte es sich nach den Ausführungen des Reichsgerichtes um Grundstücke, die im Eigentum der Kirche standen, jedoch zu Gunsten des jeweiligen Pfarrers mit einem Nutzungsrecht belastet waren. Auf welcher (zivil-)rechtlichen Grundlage derartige Pfarrdotalgüter begründet worden sind, war für uns aus dem genannten Urteil nicht ersichtlich; dem Urteil kann jedoch entnommen werden, dass derartige Regelungen im Bereich der Bistümer Aachen, Köln, Mainz und Trier bestanden. Daher gehen wir davon aus, dass es sich bei der vorliegenden Eintragung auch um eine derartige Rechtskonstruktion handelt.

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Des weiteren entnehmen wir dem erwähnten Urteil des Reichsgerichtes, dass dieses zumindest im Jahre 1880 keinen Anlass hatte, Zweifel am Fortbestand dieser rechtlichen Regelung zu äußern; sie sind jedenfalls aus dem erwähnten Urteil nicht ersichtlich. Daher ist u. E. davon auszugehen, dass eine derartige Regelung, wie sie Abteilung II des von Ihnen vorgetragenen Grundbuches wiedergibt, auch noch im Jahre 1892 i. S. eines Pfarrdotalgutes begründet werden konnte. Hierfür spricht natürlich auch im erheblichen Maße, dass die Regelung bei Anlegung der Grundbücher in diesem Bereich in dieses Grundbuch übernommen worden ist. Hierbei ist davon auszugehen, dass größtenteils die Anlegung der Grundbücher erst nach 1900 erfolgt ist, und damit unter Geltung von BGB und EGBGB (vgl. hierzu auch, dass im Bundesstaat Preußen erst 1925 die vollständige Anlegung aller Grundbücher mitgeteilt werden konnte). Damit scheinen auch zumindest die damaligen Grundbuchbeamten keine Bedenken gehabt zu haben, diese altrechtliche Bestimmung als fortgeltend in das (neue) Grundbuch zu übernehmen. c) Ergebnis Damit spricht u. E. vieles dafür, dass das hier in Abteilung II eingetragene Recht zu Gunsten des jeweiligen Pastors nach Art. 184 S. 1 EGBGB als altrechtliche Belastung fortbesteht, und zwar mit dem sich aus den früheren Vorschriften ergebenden Inhalt (vgl. hierzu Staudinger/Hönle, Art. 184 Rn. 10). Damit halten wir es jedoch auch für möglich, dass dieses Recht ­ im Gegensatz zu den heutigen Vorschriften des BGB ­ dem jeweiligen Inhaber eines Amtes zustehen kann. 3. Rechtsgeschäftliche Aufhebung und Grundbuchlöschung Es ist allgemein anerkannt, dass sich die Frage nach der rechtsgeschäftlichen Aufhebung einer altrechtlichen Eintragung nicht nur ­ wie der Inhalt des Rechtes ­ nach dem ehemals geltenden Recht bestimmt, sondern auch nach dem neuen Recht des BGB richten kann (KG, Beschl. v. 10.5.1917, KGJ 50, 182 ff.; Staudinger/Hönle, Art. 184 EGBGB Rn. 23): Die Aufhebung wird nämlich gerade nicht mehr als zum Inhalt des Rechtes gehörig gesehen, sondern unterfällt dem neuen Recht, während die Begründung dem alten Recht unterfallen war (Gedanke des actus contrarius). Damit richtet sich folglich die Aufhebung dieses Rechtes nach der Vorschrift des § 875 BGB und bedarf materiell-rechtlich der Bewilligung des Berechtigten und der Löschung im Grundbuch, wozu verfahrensrechtlich der Antrag des Eigentümers erforderlich ist. Folglich bedarf es im vorliegenden Fall der Löschungsbewilligung des aktuellen Pfarrers und des Löschungsantrags der Katholischen Kirchengemeinde, damit die Löschung im Grundbuch vollzogen werden kann. Zur Frage, ob der derzeitige Pfarrer bzw. die Kirchengemeinde auf das Recht auch mit Wirkung für seine Amtsnachfolger verzichten kann, möchten wir eine Parallele zur subjektiv-dinglichen Grunddienstbarkeit ziehen: Auch hier kann der aktuelle Grundstückseigentümer des herrschenden Grundstücks die Löschung der Grunddienstbarkeit auf dem dienenden Grundstück bewilligen, ohne das es hierfür von Bedeutung wäre, dass er damit auch für seine Nachfolger im Eigentum das Recht aufgibt. Da im vorliegenden Fall ein ,,subjektiv-dingliches Nießbrauchsrecht" begründet worden ist, halten wir die Überlegung in bezug auf den Bereich der Grunddienstbarkeit für hierauf übertragbar.

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Zur Aufhebung der Belastung zugunsten der Kirche ist kirchenrechtlich die Genehmigung des Bistums (hier: Trier) erforderlich; andernfalls ist die Aufhebung unwirksam (§ 134 BGB).

Gutachten/Abruf-Nr:

11451

Erscheinungsdatum:

01.01.2006

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Sachenrecht allgemein

Normen in Titel:

EGBGB Art. 184; BGB § 1030; BGB § 875