Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung trotz Zahlungsempfangsbestätigung durch den Gläubiger
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 184123
letzte Aktualisierung: 28. Juni 2021
Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung trotz Zahlungsempfangsbestätigung durch
den Gläubiger
I. Sachverhalt
In einer beurkundeten „Aufhebung eines vollzogenen Kaufvertrages“ hatte sich der ursprüngliche
Verkäufer zur Rückerstattung des Kaufpreises verpflichtet und sich wegen dieser
Zahlungspflicht der Zwangsvollstreckung unterworfen. Die Rückauflassung sollte erst nach
Vorliegen eines Nachweises über die Rückzahlung des Kaufpreises erfolgen (Vollzugssperre:
Bewilligungslösung). Die Rückzahlung des Kaufpreises wurde vom ursprünglichen Käufer
schriftlich bestätigt und die Anweisung zum Vollzug der Rückübereignung erteilt. Die Rückübertragung
ist vollzogen. Nunmehr tragen die Erben des ursprünglichen Käufers vor, dass die
Rückzahlung des Kaufpreises in Wahrheit nicht erfolgt sei und beantragen die Erteilung einer
vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde. Ergänzend wird vorgetragen, dass der Zahlungspflichtige
den formlosen Erlass der Forderung behaupte. Nachweise liegen nicht vor. Es wurde
sich darauf verständigt, dass dem Zahlungspflichtigen rechtliches Gehör gewährt wird.
II. Fragen
1. Darf die beantragte Vollstreckungsklausel bei diesem Sachvortrag trotz der vorliegenden
Zahlungsbestätigung erteilt werden, wenn der Zahlungspflichtige sich nicht äußert oder gar
der Erteilung widerspricht?
2. Wie muss man sich verhalten, wenn der formlose Erlass der Forderung vorgetragen wird?
III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzlicher Prüfungsumfang: Nur formelle Voraussetzungen der Klauselerteilung
Der Notar hat bei der Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen dieselbe Funktion wie der
Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bei der Klauselerteilung für ein gerichtliches Urteil, d. h.
er hat nur die formellen Voraussetzungen für die Klauselerteilung zu prüfen. Dies
ergibt sich aus
prüfen hat, ob der der Vollstreckung zugrunde liegende materielle Anspruch besteht oder
ob Einwendungen dagegen geltend gemacht werden können (vgl. Winkler, RNotZ 2019,
117, 119; Preuß, in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 8. Aufl. 2020, § 52
BeurkG Rn. 59-61; siehe auch BGH
rechtliche Prüfung der Zulässigkeit eines sog. Nachweisverzichts bei Sicherungsgrundschulden).
Der Notar darf somit grundsätzlich nur die formelle Berechtigung des Antragstellers (hier:
der Erben des ursprünglichen Käufers) prüfen. Zu einer weitergehenden materiell-rechtlichen
Klärung, insbes. einer Prüfung, ob der titulierte Anspruch noch besteht, ist er hingegen
nicht befugt. Denn bei anderer Sichtweise würde der Notar eine Aufgabe wahrnehmen,
die einem Richter vorbehalten ist. Der Schuldner ist hierdurch nicht rechtsschutzlos,
denn er kann materiell-rechtliche Einwendungen im Wege der Vollstreckungsabwehrklage
gem.
BGH
Rn. 59-61).
2. Nur ausnahmsweise Beachtung der materiellen Rechtslage
Die Verweigerung der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus materiellen Gründen
ist demnach nur ausnahmsweise zulässig, wenn für den Notar absolut zweifelsfrei ersichtlich
ist, dass der titulierte Anspruch nicht (mehr) besteht (vgl. Winkler, RNotZ 2019,
117, 121; Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 4. Aufl. 2019, Rn. 38.29). In der Literatur
wird beispielsweise jener Fall genannt, in dem die Zahlung über ein eigenes Anderkonto
des Notars erfolgt ist (Preuß,
Es wäre weder mit der Prozessökonomie noch mit dem Berufsbild des Notars zu vereinbaren,
wenn der Notar in einem derartigen offensichtlichen Fall dem Titelgläubiger durch Erteilung
der Vollstreckungsklausel die Möglichkeit eröffnen würde, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
zu ergreifen, obwohl er weiß, dass der materiell-rechtliche Anspruch zumindest
in dieser Höhe nicht (mehr) besteht. In jüngerer Vergangenheit wurde diese Ansicht noch
einmal durch eine Entscheidung des LG Bielefeld (
(Rn. 38.29) formuliert, dass die Erteilung der Vollstreckungsklausel nur dann verweigert
werden könne, wenn absolut liquide sei, dass der Anspruch nicht (mehr) besteht, bspw.
erfüllt sei. Bloße Zweifel am Fortbestand des titulierten Anspruchs oder an der Wirksamkeit
des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts berechtigen den Notar hingegen nicht,
die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zu verweigern, sofern die formellen
Voraussetzungen im Übrigen vorliegen (vgl. auch OLG München
„Nur in extremen Ausnahmefällen wirkt sich die materiell-rechtliche Situation auf die
Klauselerteilung aus.“).
Mit der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nach Kaufpreiszahlungsbestätigung
gegenüber dem Notar hatte sich das BayObLG (
Im dortigen Fall hatte zunächst der Prokurist der Verkäuferin den Erhalt des Kaufpreises
gegenüber dem Notar bestätigt. Die Verkäuferin beantragte später dennoch die Erteilung
einer vollstreckbaren Ausfertigung. Nach Ansicht des BayObLG war diesem Antrag durch
das Klauselerteilungsorgan (Notar) stattzugeben. Die Zahlungsempfangsbestätigung des
Prokuristen stelle zwar ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass Erfüllung eingetreten sei. Da
sich die Gläubigerin aber an der Äußerung ihres Prokuristen nicht festhalten lassen wolle,
müsse im Verfahren nach
sei. Solange das Erlöschen nicht zweifelsfrei feststehe, dürfe die Erteilung einer vollstreckbaren
Ausfertigung nicht verweigert werden.
3. Würdigung des mitgeteilten Sachverhalts
Nach dem mitgeteilten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass das Vorliegen einer Zahlungsempfangsbestätigung
seitens des Gläubigers „nur“ eine beurkundungsverfahrensrechtliche
Voraussetzung für die Eigentumsumschreibung war, also vor dem Hintergrund
einer Weisung gem.
vereinbarten „Funktion“ nach ein materiell-rechtlicher Gehalt nicht beigemessen werden;
sie diente ausschließlich der Überwindung der „Umschreibungssperre“. In dieser Funktion
kommt es – auch aus der Sicht der Urkundsbeteiligten als juristische Laien – auf den Richtigkeitsgehalt
der Erklärung nicht an. Es lässt sich jedenfalls nicht zweifelsfrei ausschließen,
dass der Gläubiger die an den Notar gerichtete Erklärung lediglich deshalb abgegeben hat,
um die Eigentumsumschreibung herbeizuführen, ohne dass der Zahlungsanspruch tatsächlich
erfüllt wurde oder anderweitig untergegangen ist. Anders mag ausnahmsweise eine
Zahlungsempfangsbestätigung des Gläubigers im Rahmen des Klauselerteilungsverfahrens zu
beurteilen sein, da in diesem Fall die Erklärung vom Gläubiger im sachlichen Zusammenhang
mit dem titulierten Anspruch abgegeben wird. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht
vor; die Erklärung des Gläubigers zur Überwindung der Eigentumsumschreibungssperre
steht in keinem unmittelbaren sachlichem Zusammenhang mit dem titulierten Zahlungsanspruch.
Nicht zuletzt die notarielle Neutralitätspflicht gem. § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2
BNotO verbietet u. E. eine eigene Würdigung der materiellen Rechtslage, sodass es bei dem
unter Ziff. 1 dargestellten Grundsatz und der hiermit einhergehenden ausschließlichen Prüfung
der formellen Voraussetzungen für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung
verbleibt. Nach unserem Dafürhalten ist die vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen und die
materiell-rechtliche Frage des Fortbestehens des titulierten Anspruchs im Verfahren gem.
184123
Erscheinungsdatum:28.06.2021
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Kaufvertrag
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Beurkundungsverfahren
BGB § 433; ZPO § 794 Abs. 1; ZPO § 795; ZPO § 724; BeurkG § 53