07. November 2019
BGB § 1638

Beschränkung der Vermögenssorge und Pflichtteilsanspruch

BGB § 1638
Beschränkung der Vermögenssorge und Pflichtteilsanspruch

I. Sachverhalt
Der Erblasser möchte dem Sorgeberechtigten seines minderjährigen Enkels das Recht entziehen, den dem Enkel zustehenden Pflichtteil zu verwalten (§ 1638 BGB). Der Erblasser befürchtet, dass der Sorgeberechtigte nach Eintritt des Erbfalls für den Enkel den Pflichtteil verlangen kann, obwohl er ihn anschließend nicht verwalten darf.

II. Frage
Ist unter „Verwaltung“ des Vermögens auch das Recht zu verstehen, den Pflichtteil für den Enkel überhaupt geltend zu machen?

III. Zur Rechtslage
1. Wirkung des § 1638 BGB
Durch eine Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB wird die elterliche Vermögenssorge hinsichtlich der Verwaltung des zugewandten Vermögens einschließlich der Vertretung und damit sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis ausgeschlossen (BeckOGK-BGB/Kerscher, Std.: 1.9.2019, § 1638 Rn. 14). Wenn der Erblasser die Vermögenssorge nur einem Elternteil entzogen hat, ist zur Verwaltung und Vertretung des Kindes in Angelegenheiten der Erbschaft der andere Elternteil alleine berechtigt, § 1638 Abs. 3 BGB. Wenn beide Elternteile ausgeschlossen sind oder keine sorgeberechtigte Person mehr vorhanden ist, ist ein Zuwendungspfleger zu bestellen (§ 1909 Abs. 1 S. 2 BGB), den der Erblasser gem. § 1917 Abs. 1 BGB bindend benennen kann (BeckOGK-BGB/Kerscher, § 1638 Rn. 17; vgl. zu weiteren Einzelheiten: Ott, NJW 2014, 3473, 3477 f.).

2. Reichweite des Ausschlusses
Wird die Beschränkung der Vermögenssorge angeordnet, erstreckt sich die Vermögenssorge nach dem Wortlaut das § 1638 Abs. 1 BGB nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt oder welches ihm unter Lebenden unentgeltlich zugewendet wird. Ob von dem Ausschluss auch die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs umfasst ist, hängt davon ab, ob es sich bei dem Pflichtteilsanspruch um eine von § 1638 Abs. 1 BGB umfasste Vermögensposition handelt und dessen Geltendmachung der Vermögenssorge zuzuordnen ist.

Das als Pflichtteil erworbene Vermögen ist zwar keine freiwillige Zuwendung, aber ein Vermögensbestandteil, der „von Todes wegen“ erworben wird und damit nach herrschender Literaturmeinung und obergerichtlicher Rechtsprechung von der Ausschlusswirkung des § 1638 BGB umfasst ist, weshalb die Sorgeberechtigten des Minderjährigen von der Verwaltung des Pflichtteils ausgeschlossen werden können (Staudinger/Coester, BGB, Neubearb. 2016, § 1638 Rn. 7; MünchKommBGB/Huber, 7. Aufl. 2017, § 1638 Rn. 3; Ott, NJW 2014, 3473; Frenz, DNotZ 1995, 908, 914; OLG Hamm FamRZ 1969, 662). Unter Berufung auf gesetzgebungsgeschichtliche Argumente hat sich mittlerweile auch der BGH (NJW 2016, 3032 m. Anm. Löhnig) dieser Auffassung angeschlossen und zudem die Ansicht des Beschwerdegerichts bestätigt, dass bereits der Pflichtteilsanspruch als solcher einen Vermögenswert darstelle und der Ausschluss nach § 1638 Abs. 1 BGB sowohl die Verwaltung der dem Kind aufgrund des Pflichtteilsanspruchs zufließenden Vermögenswerte als auch die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs umfasse (vgl. OLG München BeckRS 2016, 13642 Tz. 16).

Nach Auffassung des BGH (NJW 2016, 3032 Tz. 20) erstreckt sich der Ausschluss der Vertretungsmacht entgegen der überwiegenden Ansicht in Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung darüber hinaus auf die Ausschlagung einer Erbschaft, da auch das Ausschlagungsrecht primär vermögensrechtlicher Natur sei und damit zur Vermögensverwaltung gehöre (so bereits Frenz, DNotZ 1995, 908, 912 f.; a. A. BeckOGK-BGB/Heinemann, Std.: 1.7.2019, § 1943 Rn. 19 f.; Staudinger/Coester, § 1638 Rn. 16; Ott, NJW 2014, 3473, 3474; OLG Düsseldorf FamRZ 2007, 2091; BayObLGZ 1977, 105, 108 f.; OLG Karlsruhe FamRZ 1965, 573). Die Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB habe den Ausschluss der gesamten Vermögenssorge bezüglich des Erwerbs von Todes wegen zur Folge und schließe die Vertretungsmacht für jegliche auf das ererbte Vermögen bezogene Willenserklärungen aus.

3. Fazit
Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs einschließlich der Ermittlung seiner Höhe und einer eventuell notwendigen gerichtlichen Durchsetzung gehört zur Verwaltung des von Todes wegen erworbenen Vermögens des Pflichtteilsberechtigten und ist von der Ausschlusswirkung des § 1638 Abs. 1 BGB umfasst.

Gutachten/Abruf-Nr:

172453

Erscheinungsdatum:

07.11.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 172

Normen in Titel:

BGB § 1638