Testamentsvollstreckung bei GmbH-Anteilen; Reichweite bei Kapitalerhöhung; Kernbereichslehre; Surrogation; transmortale Vollmacht
BGB §§ 2041, 2205;
Testamentsvollstreckung bei GmbH-Anteilen; Reichweite bei Kapitalerhöhung; Kernbereichslehre; Surrogation; transmortale Vollmacht
I. Sachverhalt
Erblasser (E) ist verstorben und hinterließ umfangreiche Gesellschaftsbeteiligungen, u. a. eine Beteiligung an der A-GmbH und der B-GmbH. Alleinerbe ist ein Minderjähriger. Für den gesamten Nachlass ist Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Die Befugnisse der Testamentsvollstrecker sind u. a. wie folgt (klarstellend) präzisiert:
„Die Befugnisse der Testamentsvollstrecker sollen so weit wie rechtlich möglich gehen. Sie sollen insbesondere auch berechtigt sein, das Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen so weit wie möglich auszuüben. Die rechtlichen Grenzen sind jedoch von ihnen zu beachten, insbesondere bei Maßnahmen, die den Kernbereich der Mitgliedschaft des Gesellschafternachfolgers berühren. Sie sind befugt, bei Kapitalerhöhungen mitzuwirken, sofern die Mittel aus dem Nachlass aufgebracht werden können; der aus der Kapitalerhöhung entstandene Gesellschafts- oder Geschäftsanteil unterfällt wiederum der Testamentsvollstreckung.“
Die gleichen Rechte wurden den Testamentsvollstreckern vorsorglich auch im Rahmen einer transmortalen Vollmacht erteilt.
Es soll nun die Beteiligung an der B-GmbH in die A-GmbH im Wege des sog. qualifizierten Anteilstausches (d. h. gegen Gewährung von neuen Gesellschafterrechten bei der A-GmbH, vgl.
Das Registergericht hat Zweifel, ob die Befugnisse der Testamentsvollstrecker die vorgenannten Maßnahmen decken, sodass evtl. die Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter der minderjährigen Erben (hier sogar Ergänzungspfleger) erforderlich wäre.
II. Frage
Ist der Testamentsvollstrecker berechtigt, an Kapital- und Einbringungsmaßnahmen mitzuwirken, wenn diese Maßnahmen sich ausschließlich auf nachlassgegenständliches Vermögen beziehen (insb. also Einbringung von Nachlassvermögen in eine ebenfalls nachlassgegenständliche Gesellschaft)?
III. Zur Rechtslage
Das folgende Gutachten geht nicht auf Fragen der Barkapitalerhöhung mit Sachagio ein (dazu etwa Heidinger/Knaier, FS 25 Jahre DNotI, 2018, S. 467 ff.; Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 5 Rn. 19; Szalai/Kreußlein,
1. Grenzen der Befugnisse eines Testamentsvollstreckers bei der Testamentsvollstreckung bzgl. eines GmbH-Anteils
Wir gehen zunächst davon aus, dass die Satzungen der beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Ausübung von Gesellschafterrechten durch einen Testamentsvollstrecker nicht ausschließen oder beschränken (vgl. dazu Pauli, in: Bengel/Reimann/Holtz/Röhl, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 8. Aufl. 2023, § 5 Rn. 247). Ohne eine solche Einschränkung ist die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung – auch in Form der Dauervollstreckung – bei GmbH-Geschäftsanteilen allgemein anerkannt (vgl. BGH
Insofern ist darauf hinzuweisen, dass sich die Rechtslage bei der Testamentsvollstreckung in Bezug auf Gesellschaftsanteile eines persönlich haftenden Gesellschafters stark unterscheidet und dort deutlich engere Befugnisse des Testamentsvollstreckers bestehen. Dies mag auch ein Grund für die Bedenken des Registergerichts sein. Hinsichtlich der Testamentsvollstreckung über einen GmbH-Geschäftsanteil sind die Befugnisse des Testamentsvollstreckers hingegen deutlich weiter (vgl. zu den Unterschieden der Testamentsvollstreckung bei Personengesellschafts- und Kapitalgesellschaftsanteilen etwa Riemenschneider/Kämper in: Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl. 2022, § 29 Rn. 316-336; Pauli, § 5 Rn. 111; Todtenhöfer,
Die Befugnisse des Testamentsvollstreckers bei der Testamentsvollstreckung über einen GmbH-Geschäftsanteil sind grundsätzlich umfassend, sofern nicht im Einzelfall erbrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Beschränkungen seiner Verwaltungsbefugnisse bestehen (vgl. BGH
„Ist ein Geschäftsanteil Gegenstand einer Testamentsvollstreckung, so übt der Testamentsvollstrecker die Rechte aus dem Geschäftsanteil, die nicht höchstpersönlich sind, aus, die Erben können dies nur in Ausnahmefällen.“
(Herrler/Görner, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2021, § 6 Rn. 1416)
Ebenso klar hat der BGH spezifisch bzgl. des Stimmrechts zum Ausdruck gebracht:
„Der Testamentsvollstrecker verdrängt die Erben zwar nach allgemeiner Ansicht grds. auch hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts als Teil seiner umfassenden Befugnis zur Verwaltung des Nachlasses, es sei denn, ihm sind – wie hier nicht – durch
(BGH
In Bezug auf die hier interessierende Kapitalerhöhung werden demgemäß insbesondere zwei Problemkreise diskutiert: Die Abgabe der Übernahmeerklärung vor dem Hintergrund der Begründung einer Einlageverpflichtung des Erben (lit. a) sowie die mögliche Ausfallhaftung gem.
a) Einlageverpflichtung durch Übernahmeerklärung gem.
Der Testamentsvollstrecker ist gem.
Nach dem geschilderten Sachverhalt ist der auf die Barkapitalerhöhung zu bezahlende Einbringungsbetrag aus Mitteln des Nachlasses zu erbringen. Dies korreliert auch mit der Anordnung in der letztwilligen Verfügung, wonach die Testamentsvollstrecker befugt sind, bei Kapitalerhöhungen mitzuwirken, sofern die Mittel aus dem Nachlass aufgebracht werden können. Demgemäß ist der Aspekt der Einlageverpflichtung vorliegend unproblematisch.
b) Ausfallhaftung nach
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Ausfallhaftung gem.
c) Höchstpersönliche Rechte
Es ist allgemein anerkannt, dass der Testamentsvollstrecker Rechte aus dem Geschäftsanteil nicht ausüben darf, die höchstpersönlich sind. Genannt wird insbesondere die Konstellation, dass die Satzung das Stimmrecht dem Gesellschafter ausschließlich persönlich zuweist (Pauli, § 5 Rn. 247; Todtenhöfer,
d) Kernbereich
Strittig war, ob und inwieweit die sog. Kernbereichslehre der Testamentsvollstreckung Grenzen setzt (s. hierzu etwa Todtenhöfer,
Der BGH hat mit Urteil v. 13.5.2014 – II ZR 250/12,
Damit erübrigen sich Fragen im Kontext eines etwaigen Kernbereichs. Rein ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der „Kernbereich“ ohnehin nur bei solchen Maßnahmen von Relevanz hätte sein können, bei denen unmittelbare Nachteile für den Erben begründet werden – insbesondere wurden insofern Eingriffe in mitgliedschaftliche Sonderrechte oder unentziehbare Mitgliedschaftsrechte, die Einführung von Abtretungsbeschränkungen, die nachträgliche Zulassung der Einziehung von Geschäftsanteilen oder die Einführung von Abfindungsregelungen genannt (vgl. Mayer,
Damit kann für die Ansicht des Registergerichts die Kernbereichslehre in doppelter Hinsicht nicht herangezogen werden. Zum einen, weil sie insofern gar nicht (mehr) gilt; zum anderen, weil sie inhaltlich nicht einschlägig wäre.
2. Keine abweichende Reichweite in letztwilliger Verfügung festgelegt
Von diesen Befugnissen der Testamentsvollstrecker wurde vorliegend u. E. auch keine Ausnahme statuiert. Dies ist zwar letztlich Frage der Auslegung der letztwilligen Verfügung, die dem zuständigen Gericht vorbehalten bleibt. Allerdings dürfte u. E. insoweit wohl Folgendes gelten: Der in der letztwilligen Verfügung enthaltene Passus, wonach die Testamentsvollstrecker befugt sind, bei Kapitalerhöhungen mitzuwirken, sofern die Mittel aus dem Nachlass aufgebracht werden können, stellt sich als bloß deklaratorische Klarstellung der gesetzlichen Ausgangslage dar.
Angesichts dieser Klarstellung zur Mitwirkungsbefugnis der Testamentsvollstrecker an Kapitalerhöhungen dürfte es insofern auch nicht darauf ankommen, ob die ebenfalls im Testament enthaltene Bezugnahme auf den „Kernbereich“ lediglich deklaratorisch die gesetzlichen Bestimmungen wiederholt oder ob hieraus eine eigenständige, die Befugnisse des Testamentsvollstreckers einschränkende Regelung abgeleitet werden kann.
3. Exkurs: Handeln aufgrund Vollmacht
Im Sachverhalt wurde geschildert, dass den Testamentsvollstreckern dieselben Befugnisse auch im Wege einer transmortalen Vollmacht eingeräumt wurden.
Eine transmortale Vollmacht zeichnet sich dadurch aus, dass sie über den Tod des Vollmachtgebers hinaus fortgilt (Weidlich,
Es ist anerkannt, dass die Befugnisse des Testamentsvollstreckers durch die Erteilung einer Vollmacht erweitert werden können, sodass etwa auch – entgegen
4. Exkurs: Gesetzliche Reichweite der Testamentsvollstreckung und Surrogation
Gem.
Bei einer sog. Mittelsurrogation, bei der aus Mitteln des Nachlasses der Erwerb durchgeführt wird, ist stets ein ausreichender Zusammenhang gegeben, sodass es auf die subjektive Komponente des Erben nicht mehr ankommen soll (OLG Hamm
Wir gehen daher davon aus, dass zumindest solche neu geschaffenen Geschäftsanteile ihrerseits wiederum der Testamentsvollstreckung unterliegen, die aus Mitteln geschaffen wurden, die der Testamentsvollstreckung unterliegen (
200448
Erscheinungsdatum:05.01.2024
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Testamentsvollstreckung
GmbH
GmbHG § 55; BGB § 2041; BGB § 2205