06. Februar 2023
BauGB § 26; BGB § 1098; BGB § 470

Vorkaufsrecht; GbR auf Verkäuferseite; Verkauf an gesetzliche Erben

BGB §§ 1098, 470 ; BauGB § 26 Nr. 1
Vorkaufsrecht; GbR auf Verkäuferseite; Verkauf an gesetzliche Erben

I. Sachverhalt
Eine GbR, bestehend aus Mutter (M) und Vater (V), will ein Grundstück an den Sohn von M und V (S) verkaufen. Im Grundbuch ist ein dingliches Vorkaufsrecht für D eingetragen.

II. Fragen
1. Ist § 470 BGB auf dingliche Vorkaufsrechte anwendbar?

2. Ist § 470 BGB anwendbar, wenn eine GbR bestehend aus den Eltern des Erwerbers, an diesen verkauft?

III. Zur Rechtslage
1. Anwendbarkeit von § 470 BGB auf dingliche Vorkaufsrechte (1. Frage)
Nach § 470 BGB erstreckt sich das Vorkaufsrecht im Zweifel nicht auf einen Verkauf, der mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht an einen gesetzlichen Erben erfolgt. Die Vorschrift enthält eine Auslegungsregel (Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 470 Rn. 1; MünchKommBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 470 Rn. 2; BeckOGK-BGB/Daum, Std.: 1.10.2022, § 470 Rn. 2).

Für das in §§ 1094 ff. BGB geregelte dingliche Vorkaufsrecht bestimmt § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB, dass sich das Rechtsverhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten nach den Vorschriften der §§ 463-473 BGB bestimmt. Der Verweis umfasst auch § 470 BGB. An der Anwendbarkeit von § 470 BGB auf dingliche Vorkaufsrechte besteht soweit ersichtlich kein Zweifel (vgl. Grüneberg/Herrler, § 1097 Rn. 1; MünchKommBGB/Westermann, § 1098 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Daum, § 470 Rn. 3; Staudinger/Schermaier, BGB, 2013, § 470 Rn. 3; Everts, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 1 Rn. 183; vgl. auch OLG Stuttgart DNotZ 1998, 305, 307).

2. Anwendbarkeit von § 470 BGB bei GbR auf Verkäuferseite (2. Frage)
a) Wortlaut und Systematik    
Der Wortlaut von § 470 BGB verlangt einen Verkauf mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht an einen gesetzlichen Erben. Eigentümerin des Grundstücks ist hier die GbR, welche als solche rechtsfähig ist, jedenfalls soweit sie wie hier als Außengesellschaft durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (Grüneberg/Sprau, § 705 Rn. 25; BGH NJW 2002, 1207; NJW 2008, 1378).

Die rechtsfähige Gesellschaft hat jedoch als Rechtssubjekt keinen gesetzlichen Erben. Nur Menschen, also natürliche Personen, können sterben und beerbt werden (sog. passive Erbfähigkeit, s. Grüneberg/Weidlich, § 1922 Rn. 2). Dem Wortlaut nach liegt bei einem Verkauf an den Sohn der Gesellschafter der GbR, die Eigentümerin und Verkäuferin des Grundstücks ist, daher kein Fall des § 470 BGB vor.

Gegen die Anwendbarkeit von § 470 BGB spricht zudem ein systematischer Gesichtspunkt, der ebenfalls an die eigene Rechtspersönlichkeit der GbR anknüpft. Zu argumentieren, es käme für § 470 BGB auf die hinter der GbR stehenden Gesellschafter an, würde vor allem dann zu Verzerrungen führen, wenn nicht alle Gesellschafter der GbR zum privilegierten Personenkreis gehören. Wären etwa an der GbR nicht M und V, sondern M und ein Dritter beteiligt, so bestünde das Vorkaufsrecht nur bezüglich des Anteils des Dritten, wobei es einen solchen (Miteigentums-)Anteil ja gerade nicht gibt. Denn die GbR ist Alleineigentümerin. Dieses Argument wird mit Blick auf das zum 1.1.2024 in Kraft tretende MoPeG (BGBl. I 2021, S. 3436) noch an Bedeutung gewinnen, da dann in § 705 BGB Abs. 2 Var. 1 BGB sogar ausdrücklich geregelt sein wird, dass die GbR selbst Rechtspersönlichkeit besitzen kann und damit ein aliud zu den Gesellschaftern darstellt.

b) Analoge Anwendung von § 470 BGB
Gleichwohl könnte eine entsprechende Anwendung von § 470 BGB in Betracht kommen. Eine mit § 470 BGB vergleichbare Regelung findet sich für das gemeindliche Vorkaufsrecht in § 26 Nr. 1 BauGB (BeckOGK-BGB/Daum, § 470 Rn. 3, Staudinger/Schermaier, § 470 Rn. 3).

Zu § 26 Nr. 1 BauGB sind in der Vergangenheit bereits Entscheidungen in Fällen ergangen, in denen eine GbR auf Verkäuferseite bzw. auf Käuferseite beteiligt war (zur GbR auf Verkäuferseite OLG Hamm BeckRS 2020, 39625; zur GbR auf Käuferseite OLG Celle BeckRS 2013, 21107). Nach § 26 Nr. 1 BauGB ist das (gemeindliche) Vorkaufsrecht ausgeschlossen, wenn der Eigentümer das Grundstück an seinen Ehegatten oder an eine Person verkauft, die mit ihm in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt ist.

Das OLG Hamm (BeckRS 2020, 39625) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem auf Veräußererseite eine GbR stand, auf Erwerberseite hingegen einer der Gesellschafter. Alle beteiligten natürlichen Personen gehörten zum Personenkreis des § 26 Nr. 1 BauGB. Laut OLG Hamm war § 26 Nr. 1 BauGB seinem Wortlaut nach nicht anwendbar; auch eine erweiternde Auslegung komme nicht in Betracht. Zur Begründung führte das OLG Hamm an, dass sich die Zwecke des § 26 Nr. 1 BGB nicht auf den Fall übertragen ließen, in dem eine GbR ein Grundstück veräußert. Zweck des § 26 Nr. 1 BauGB sei es, das gemeindliche Vorkaufsrecht bei Verkäufen unter Verwandten auszuschließen, da in diesen Konstellationen sehr häufig Preise deutlich unterhalb des Verkehrswerts des Grundstücks vereinbart würden und die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts zu diesen Preisen nicht angemessen wäre. Es stehe aber gerade nicht fest, dass bei Verkäufen durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts an eine Person, die in einem Verwandtschaftsverhältnis zu den Gesellschaftern der veräußernden GbR stehe, ebenfalls solche Preise vereinbart würden. Dabei handele es sich nämlich nicht um Verkaufsvorgänge unter Verwandten, sondern um einen Verkauf durch ein von Verwandten gebildetes Konstrukt mit eigener Rechtsfähigkeit. Das OLG Hamm führte aus, es habe keine allgemein zugängliche Datenbasis für diese spezifische Form der Verkaufsvorgänge finden können.

Daher verneinte es im Ergebnis die Vergleichbarkeit der Interessenlage, die für eine analoge Anwendung von § 26 Nr. 1 BauGB nötig wäre.

In der Entscheidung des OLG Celle (BeckRS 2013, 21107) war der Fall einer GbR auf Erwerberseite zu entscheiden. Das Gericht verneinte die Anwendung von § 26 Nr. 1 BauGB mit der Begründung, dass sich ansonsten das gemeindliche Vorkaufsrecht allzu leicht umgehen ließe. Denn der Veräußerer könnte zunächst zur Umgehung das Grundstück an eine GbR bestehend aus Verwandten verkaufen und in einem zweiten Schritt könnten die Gesellschafter – wie von Anfang an geplant – ihre Anteile an der GbR anstelle des Grundstücks auf den Erwerber übertragen.

Die Entscheidung des OLG Celle ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen (BeckOK-BauGB/Grziwotz, Std.: 1.9.2022, § 26 Rn. 1). Es überzeugt, jedenfalls für den Fall einer GbR auf Erwerberseite auch von der Nichtanwendbarkeit des § 470 BGB auszugehen, denn die Gefahr einer Umgehung des Vorkaufsrechts liegt in solchen Fällen in der Tat nahe.

Allerdings könnte man bezweifeln, dass die Anwendung des § 470 BGB auch bei einer Veräußerung durch eine GbR, deren sämtliche Gesellschafter zum privilegierten Personenkreis gehören, ausscheidet. Die Begründung des OLG Hamm fußt letzten Endes darauf, dass es keine vergleichbare Interessenlage ermitteln konnte. Hieraus folgt noch nicht, dass es tatsächlich keine vergleichbare Interessenlage gibt. Die Gesellschafter der veräußernden GbR hätten es in der Hand, die Gesellschaft aufzulösen mit der Folge der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf die Gesellschafter zu Miteigentum. Anschließend könnten sie das Grundstück als Miteigentümer an den gesetzlichen Erben verkaufen, wobei in diesem Fall § 470 BGB seinem Wortlaut nach zur Anwendung käme. Angesichts dessen ist es grundsätzlich denkbar, den Beteiligten den Zwischenschritt der Übertragung des Eigentums von der GbR auf die Gesellschafter als bloße Förmelei zu ersparen und § 470 BGB auch auf den Fall der Veräußerung durch eine GbR anzuwenden.

Dem steht allerdings entgegen, dass die Zwecke des § 470 BGB denen des § 26 Nr. 1 BauGB im Wesentlichen entsprechen und das OLG Hamm eben zu § 26 Nr. 1 BauGB wie vorstehend geschildert entschieden hat. Zweck des § 470 BGB ist die Erhaltung von Familienbesitz. So bilden die nahen Angehörigen einem Dritten gegenüber sozusagen eine Einheit, weshalb die entgeltliche Veräußerung der mit dem Vorkaufsrecht behafteten Sache an einen Angehörigen nicht als ein Kauf im eigentlichen Sinne, sondern eher als ein Fall der antizipierten Erbfolge zu verstehen ist (BeckOGK-BGB/Daum, § 470 Rn. 2). In solchen Fällen würde die Ausübung des Vorkaufsrechts dem mit der Veräußerung der Sache verfolgten Zweck, den Familienbesitz zu erhalten, zuwiderlaufen, denn von den Vergünstigungen, die dem gesetzlichen Erben zugutekommen sollen, soll der Vorkaufsberechtigte gerade nicht profitieren (BGH NJW 1987, 890, 891; BeckOGK-BGB/Daum, § 470 Rn. 2).

Auch im Fall des § 26 Nr. 1 BauGB beruht der Ausschluss des Vorkaufsrechts auf der Tatsache, dass im Rahmen enger persönlicher Beziehungen das Grundstücksgeschäft häufig nur auf dem Umstand eben dieser engen persönlichen Beziehungen beruht und nicht auf den für einen Kauf typischen wirtschaftlichen Interessen (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 26 Rn. 2). Die Bedingungen des Geschäftes sind durch das Näheverhältnis geprägt.

Obwohl also das gesetzliche gemeindliche Vorkaufsrecht nach §§ 24 ff. BauGB einen anderen Zweck verfolgt (u. a. Schutz der gemeindlichen Bauleitplanung im Interesse der Allgemeinheit, vgl. BeckOK-BauGB/Grziwotz, § 24 Vor Rn. 1) als die auf Rechtsgeschäft basierenden schuldrechtlichen bzw. dinglichen Vorkaufsrechte nach §§ 463 ff., 1094 ff. BGB, sind doch die Zwecke der Ausnahmetatbestände (§§ 470 BGB, 26 Nr. 1 BauGB) vergleichbar. In beiden Fällen geht es darum, einen bestimmten mit dem Veräußerer in einem Näheverhältnis stehenden Personenkreis vor der Ausübung des Vorkaufsrechts zu schützen.

Beide Vorschriften führen letztlich auch dazu, dass bei der Vereinbarung vergünstigter Konditionen nicht geprüft werden muss, ob das Rechtsgeschäft eine gemischte Schenkung, die von vornherein keinen Vorkaufsfall auslöst, oder ein Kaufvertrag ist, der den Vorkaufsfall auslösen würde (BeckOK-BauGB/Grziwotz, § 26 Rn. 1). Es liegt daher nahe, die Überlegungen des OLG Hamm zu § 26 Nr. 1 BauGB auf § 470 BGB zu übertragen.

Wenngleich es also Gründe dafür gibt, § 470 BGB auf Veräußerungen durch eine GbR analog anzuwenden, ist von einer (analogen) Anwendung auf den vorliegenden Fall angesichts der anderslautenden Rechtsprechung des OLG Hamm zu § 26 Nr. 1 BauGB und der Vergleichbarkeit der Gründe für den Ausschluss des Vorkaufsrechts im Fall des § 470 BGB nicht auszugehen.

3. Ergebnis
§ 470 BGB ist aufgrund des Verweises in § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB auch auf das dingliche Vorkaufsrecht anzuwenden. Ausgehend vom Wortlaut des § 470 BGB, aus systematischen Erwägungen, die in der eigenen Rechtspersönlichkeit der GbR gründen, sowie angesichts der zitierten Entscheidung des OLG Hamm ist § 470 BGB aber weder direkt noch analog auf den geschilderten Sachverhalt anzuwenden. Der Dritte könnte das Vorkaufsrecht also ausüben.

Gutachten/Abruf-Nr:

194592

Erscheinungsdatum:

06.02.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dingliches Vorkaufsrecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Öffentliches Baurecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 19-21

Normen in Titel:

BauGB § 26; BGB § 1098; BGB § 470