Beginn der Frist zur Ausübung eines dinglichen Vorkaufsrechts vor Wirksamkeit des Kaufvertrages
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 189577
letzte Aktualisierung: 2. Juni 2022
Beginn der Frist zur Ausübung eines dinglichen Vorkaufsrechts vor Wirksamkeit des
Kaufvertrages
I. Sachverhalt
In einem Grundstückskaufvertrag wurde folgendes Vorkaufsrecht eingeräumt:
„Der Erwerber bestellt am Vertragsgegenstand zugunsten des Veräußerers
als Berechtigten ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht.
Das Vorkaufsrecht ist in der Weise auf den ersten Verkaufsfall
beschränkt, dass es erlischt, wenn es einmal hätte ausgeübt werden
können und nicht ausgeübt worden ist. Für das Vorkaufsrecht
gelten i. Ü. die gesetzlichen Bestimmungen, die erläutert wurden,
jedoch mit der Abweichung, dass das Vorkaufsrecht nur innerhalb
einer Ausschlussfrist von einem Monat seit dem Empfang einer
schriftlichen Mitteilung über den Verkaufsfall, auch wenn dieser
noch nicht wirksam geworden sein sollte, ausgeübt werden kann.
Der Erwerber bewilligt, und der Berechtigte beantragt, dieses Vorkaufsrecht
im Grundbuch am Vertragsgegenstand an nächstoffener
Rangstelle einzutragen. Bis zur Eintragung gilt das Vorkaufsrecht
zwischen den Beteiligten mit schuldrechtlicher Wirkung.“
Die Verkürzung der Ausübungsfrist (1 Monat nach Empfang der Mitteilung auch bereits vor
Wirksamkeit) findet sich so auch gelegentlich in einschlägigen Handbüchern zum Grundstücksrecht.
Das Grundbuchamt lehnt die Eintragung ab und meint, die vorstehende Ausgestaltung des
Vorkaufsrechts kann grundbuchlich nicht gesichert werden und ist nicht eintragungsfähig.
II. Frage
Handelt es sich bei der Gestaltung „Für das Vorkaufsrecht gelten i. Ü. die gesetzlichen Bestimmungen,
die erläutert wurden, jedoch mit der Abweichung, dass das Vorkaufsrecht nur innerhalb
einer Ausschlussfrist von einem Monat seit dem Empfang einer schriftlichen Mitteilung über den
Verkaufsfall, auch wenn dieser noch nicht wirksam geworden sein sollte, ausgeübt werden kann.“
um eine zulässige und im Grundbuch eintragungsfähige Gestaltung oder ist eine Eintragung aufgrund
des sachenrechtlichen Typenzwangs nicht möglich?
III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzliches
Nach
zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, dem Eigentümer gegenüber zum Vorkauf berechtigt
ist. Es handelt sich um ein dingliches Vorkaufsrecht in Form eines subjektiv-persönlichen
Vorkaufsrechts zugunsten einer konkreten Person. Nach
sich das Rechtsverhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten nach den Vorschriften
der §§ 463 bis 473 BGB.
Insoweit erfolgt auch eine Verweisung auf
Verpflichtete dem Vorkaufsberechtigten den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Vertrages
unverzüglich mitzuteilen. Nach
Vorkaufsrecht nur bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Empfang der Mitteilung ausgeübt
werden. Sofern für die Ausübung eine Frist bestimmt ist, tritt diese nach § 469 Abs. 2 S. 2
BGB an die Stelle der gesetzlichen Frist.
Für das dingliche Vorkaufsrecht darf aufgrund des sachenrechtlichen Typenzwangs von den
gesetzlichen Vorgaben nicht abgewichen werden, es sei denn, es ist in den §§ 1094, 463 ff.
BGB ausdrücklich vorgesehen (KG
V ZR 129/67 [juris] Rn. 13; BeckOGK-BGB/Omlor, Std.: 1.4.2022, § 1098 Rn. 2-3.2; Staudinger/
Schermaier, BGB, Neubearb. 2021, § 1094 Rn. 31; Erman/Grziwotz, BGB, 16. Aufl.
2020, § 1098 Rn. 1; Koller, in: Kölner Formularbuch Grundstücksrecht, 3. Aufl. 2021, Kap. 4
Rn. 383; Lemke/Böttcher, Immobilienrecht, 2. Aufl. 2016, § 1098 Rn. 3; Münch-
KommBGB/Westermann, 8. Aufl. 2020, § 1098 Rn. 1). Insoweit kommt es darauf an, wie
die Formulierung „ist für die Ausübung eine Frist bestimmt“ nach
werden kann.
2. „Bestimmte Frist“ i. S. d.
Aus dem Wortlaut des
werden kann (vgl. dazu auch Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 81. Aufl. 2022, § 469 Rn. 3;
auf diese Fundstelle wird explizit auch bei
Herrler, § 1098 Rn. 3). Dies spricht auf den ersten Blick für die Zulässigkeit des Vorkaufsrechts
mit dem im Sachverhalt mitgeteilten Inhalt. In Frage steht jedoch, ob § 469 Abs. 2 S. 2
BGB tatsächlich dahingehend verstanden werden kann, dass das „Bestimmen einer Frist“
auch die Möglichkeit eröffnet, dass der Fristbeginn zeitlich vor Eintritt des Vorkaufsfalls vorverlagert
werden kann.
In
vertreten, dass die Frist nicht zu laufen beginnt, bevor ein rechtswirksamer Drittkauf
vorliegt (vgl. Grüneberg/Weidenkaff, § 469 Rn. 3; BeckOGK-BGB/Daum, Std.: 1.4.2022,
§ 469 Rn. 18; Staudinger/Schermaier, § 469 Rn. 5; BGH, Urt. v. 3.6.1966 – V ZR 116/65
[juris] Rn. 25; Soergel/Wertenbruch, BGB, 2009, § 469 Rn. 5).
Der BGH (Urt. v. 3.6.1966 – V ZR 116/65 [juris] Rn. 25) führt hierzu aus:
„Soll sich der Vorkaufsberechtigte binnen der ihm gesetzten Frist
darüber schlüssig werden, ob er von seinem Recht Gebrauch machen
will oder nicht, so muß er auch darüber unterrichtet werden,
ob ein wirksamer Kaufabschluß vorliegt, der ihm die Gewißheit,
das Grundstück erwerben zu können, bietet. Denn die Entschließung
kann erhebliche Mühen und Kosten verursachen (vgl. RGZ
106, 320, 326). Zwar hat der Vorkaufsberechtigte auch nach der
Mitteilung auf eigene Verantwortung zu prüfen, ob der Vorkaufsfall
gegeben ist und die Erklärungsfrist damit begonnen hat (vgl.
Rechtslage hinsichtlich des Kaufvertrags anzustellen. Ihm ist bekanntzugeben,
daß ein Kaufvertrag fest abgeschlossen und rechtsgültig
zustande gekommen ist (RG WarnRspr 1928, 243, 244;
Soergel/Siebert aaO § 510 Rdn. 2 und 3).“
Die in
sich u. E. nicht darauf beziehen, dass die Parteien den Fristbeginn zeitlich vor den Eintritt
des Vorkaufsfalls (= wirksamer Kaufvertrag mit einem Dritten) legen können.
Dahingehend argumentiert auch das KG (
„Nach dem Wortlaut des
bei Grundstücken grundsätzlich nur bis zum Ablauf
von zwei Monaten nach Empfang der Mitteilung über den Vorkaufsfall
ausgeübt werden. Das Gesetz bestimmt damit die Frist
zur Ausübung des Vorkaufsrechts auf zwei Monate, während der
Beginn der Frist auf den Empfang der Mitteilung im Sinne von
vorsieht, dass an die Stelle der gesetzlichen Frist die durch die Parteien
bestimmte Frist tritt, ist nach dem Wortlaut und der Systematik
der Norm alleine die Frist, also deren Dauer, gemeint (siehe
dazu etwa Palandt/Weidenkaff, § 469 Rdnr. 3: „Fristen können vertraglich
verlängert oder verkürzt werden“; auch Lemke/Böttcher,
Immobilienrecht, § 1098 Rdnr. 9; Kölner Formularbuch Grundstücksrecht/
Koller, Kap. 4 Rdnr. 377). Von dem Beginn der Frist
oder der Form der Mitteilung ist in
keine Rede, ebenso wenig findet ein Verweis auf Abs. 1 von
sich nichts anderes. Im Gegenteil würde eine abweichende Vereinbarung
des Fristbeginns zur Unklarheit darüber führen, wann die
Frist zu laufen beginnt, nämlich ob mit der formlosen Mitteilung
über den Verkaufsfall oder dem zwischen den Parteien vereinbarten
Fristbeginn. Das Entstehen von Unklarheiten will der Gesetzgeber
jedoch vermeiden.“
Dies verstehen wir dahingehend, dass der Fristbeginn durch die Parteien nicht auf den Zeitpunkt
vor Wirksamkeit des Drittkaufvertrages (= Eintritt des Vorkaufsfalls) vorverlagert werden kann.
Andernfalls würde es dem Berechtigten nicht in jedem Fall ermöglicht, eine sinnvolle
Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts zu treffen, da die Frist möglicherweise
bereits ausläuft, bevor der Vorkaufsfall vorliegt.
Zwar ist es bei anderen Vorschriften, in welchen der Gesetzgeber die Formulierung „Frist
bestimmt“ verwendet, auch möglich den Fristbeginn festzulegen. Hier kann beispielsweise
regelmäßig mit Absendung des Antrags beginnt, die Beteiligten aber vereinbaren können, dass
die Frist erst bei Zugang des Antrags beginnt). Mit Blick auf
es indes mit dem Wesen des Vorkaufsrechts unvereinbar, dass sich der Berechtigte entscheiden
muss, bevor überhaupt ein Vorkaufsfall, also ein wirksamer Kaufvertrag zwischen
Vorkaufsverpflichtetem und Drittem, vorliegt.
Dieses Ergebnis kann auch auf die Überlegung gestützt werden, dass es andernfalls dem Vorkaufsverpflichteten
und dem Dritten (Erstkäufer) sehr leicht möglich wäre, die einmal erfolgte
Vorkaufsrechtsübung „auszuhebeln“. Denn wenn die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts
schon vor Wirksamkeit des Erstkaufvertrages zu laufen beginnen würde und der
Vorkaufsberechtigte vor diesem Zeitpunkt sein Vorkaufsrecht ausüben müsste, um die Ausübungsfrist
zu wahren, so könnten die Beteiligten des Erstkaufvertrages der Vorkaufsrechtsausübung
nachträglich den Boden entziehen, indem sie den noch nicht wirksamen Erstkaufvertrag
aufheben. Der Beseitigung des Erstkaufvertrages könnte in einem solchen Fall lediglich
dargelegt und nötigenfalls bewiesen werden.
3. Ergebnis
Unter Anwendung dieser Grundsätze dürfte die begehrte Eintragung unzulässig sein. Der
Fristbeginn darf u. E. von den Parteien nicht auf einen Zeitpunkt vorverlegt werden, zu dem
noch kein Vorkaufsfall vorliegt.
189577
Erscheinungsdatum:02.06.2022
RechtsbezugNational
Normen in Titel:BGB § 1094