22. Dezember 2016
BGB § 96; BGB § 1018

Schicksal einer Grunddienstbarkeit, die zugunsten des jeweiligen Inhabers eines Erbbaurechts bestellt wurde, wenn das Erbbaurecht aufgehoben und das Erbbaurechtsgrundstück real geteilt wird

DNotI Gutachten-Abruf-Dienst Deutsches Notarinstitut
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 152084
letzte Aktualisierung: 22. Dezember 2016

BGB §§ 96, 1018
Schicksal einer Grunddienstbarkeit, die zugunsten des jeweiligen Inhabers eines Erbbaurechts
bestellt wurde, wenn das Erbbaurecht aufgehoben und das Erbbaurechtsgrundstück
real geteilt wird

I. Sachverhalt
Ein Käufer beabsichtigt, ein mit einem Gebäude bebautes Grundstück zu erwerben. Das Grundstück
ist in Abt. II mit Grunddienstbarkeiten belastet. Die Belastungen sind erfolgt zugunsten des
jeweiligen Eigentümers eines Erbbaurechts. Das Erbbaurecht ist im Jahr 2012 aufgehoben
worden, ohne dass auf dem Kaufgrundstück eine Löschung erfolgt ist. Das ursprünglich mit dem
Erbbaurecht belastete Grundstück wurde nach der Aufhebung in ca. 30-50 einzelne Grundstücke
aufgeteilt, veräußert und bebaut.
Der Käufer beabsichtigt, das Grundstück lastenfrei zu erwerben.

II. Fragen
1. Findet § 12 Abs. 3 ErbbauRG auch auf die zuvor angesprochenen Grunddienstbarkeiten
Anwendung?
2. Falls ja: Genügt es, wenn der ursprüngliche Erbbauberechtigte nach Aufhebung des Erbbaurechtes
nunmehr die Löschung der Grunddienstbarkeiten bewilligt?
3. Falls nein: Bedarf es der Löschungsbewilligung sämtlicher Grundstückseigentümer, die eine
Grundstücksteilfläche erworben haben, die ursprünglich mit dem Erbbaurecht belastet war?

III. Zur Rechtslage
Einleitender Hinweis: Aus Vereinfachungsgründen sprechen wir im Nachfolgenden lediglich
von einer Grunddienstbarkeit (singular), obgleich sich der Sachverhalt auch auf mehrere Rechte
bezieht.

1. Grunddienstbarkeit als Bestandteil des Erbbaurechts
Nach § 1018 BGB kann ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines
anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, dass dieser das Grundstück in einzelnen
Beziehungen benutzen darf oder dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen
werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich
aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt
(sog. Grunddienstbarkeit). Darüber hinaus lässt das Gesetz derartige dingliche Belastungen
auch zugunsten einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person zu, § 1090 BGB (sog.
beschränkte persönliche Dienstbarkeiten).
Nach dem mitgeteilten Sachverhalt wurde die Dienstbarkeit zugunsten des jeweiligen
Inhabers eines Erbbaurechts – als grundstücksgleiches Recht (vgl. § 11 Abs. 1 ErbbauRG;
BeckOGK-BGB/Alexander, Stand: 15.9.2016, § 1018 Rn. 135) – bestellt. Es handelt sich
mithin um eine Grunddienstbarkeit i. S. v. § 1018 BGB.
Aus der Sicht des herrschenden Erbbaurechts handelt es sich bei der Dienstbarkeit um
einen Bestandteil dieses grundstücksgleichen Rechts, § 96 BGB.

2. Übergang der Grunddienstbarkeit auf das Erbbaugrundstück
§ 12 Abs. 3 ErbbauRG bestimmt, dass bei Erlöschen des Erbbaurechts die Bestandteile des
Erbbaurechts Bestandteile des Grundstücks werden. Prinzipiell findet § 12 Abs. 3 ErbbauRG
auch im Fall der rechtsgeschäftlichen Aufhebung eines Erbbaurechtes Anwendung,
da unter dem Oberbegriff des „Erlöschens“ sowohl die Beendigung durch Zeitablauf als
auch die rechtsgeschäftliche Aufhebung zu verstehen ist (vgl. v. Oefele/Winkler, Handbuch
des Erbbaurechts, 5. Aufl. 2012, Rn. 5.203).
Die Frage, ob § 12 Abs. 3 ErbbauRG auch subjektiv-dingliche Rechte zugunsten des Erbbaurechtes
erfasst, war lange stark umstritten und ist auch heute noch nicht abschließend
geklärt (vgl. zum Meinungsstreit BeckOGK-BGB/Mössner, Stand: 1.9.2016, § 96 Rn. 9-
9.3). Hintergrund hierfür ist, dass § 12 Abs. 2 ErbbauRG nur die §§ 94 und 95 BGB
erwähnt, nicht aber § 96 BGB, der auch Rechte als Bestandteile des Grundstückes definiert.
Der BGH hat die Frage nunmehr zumindest für Wegerechte sowie Leitungsrechte geklärt
(BGH DNotZ 2012, 760 = NJW-RR 2012, 845 = MittBayNot 2013, 40 m. Anm. Satzl =
ZfIR 2012, 429 m. Anm. Grziwotz; hierzu auch Oppermann, ZNotP 2012, 166 ff.; Maaß,
NotBZ 2012, 208, 213; Ott, notar 2015, 75, 83 f.). Nach Auffassung des BGH werden diese
Rechte mit dem Erlöschen des Erbbaurechts Bestandteil des Erbbaugrundstücks (BGH
a. a. O. Rn. 13). Der BGH beruft sich dabei im Wesentlichen auf den Wortlaut des § 12
Abs. 3 ErbbauRG, der keine Einschränkungen erkennen lässt (Rn. 14). Außerdem stützt der
BGH das Ergebnis auf den wirtschaftlichen Umstand, dass der Übergang des Eigentums am
Bauwerk dem Eigentümer gerade den wirtschaftlichen Zugriff auf das Gebäude ermöglichen
soll. Dem würde es entgegenstehen, wenn wirtschaftliche notwendige Bestandteile erlöschen
würden (Rn. 15).
Im Grundsatz ist mithin davon auszugehen, dass auch im vorliegenden Fall die Grunddienstbarkeit
im Wege des § 12 Abs. 3 ErbbauRG auf das Erbbaurechtsgrundstück übergegangen
sein kann. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass der BGH einen Übergang bislang
nur für ein Wege- und Leitungsrecht angenommen hat. In seinen Entscheidungsgründen
lässt das Gericht zugleich anklingen, dass für Grunddienstbarkeiten mit einem
anderen Inhalt eine abweichende Beurteilung – also Erlöschen der subjektiv-dinglichen
Rechte gemeinsam mit dem Erbbaurecht – gerechtfertigt sein kann. In den Entscheidungsgründen
heißt es insoweit:
„Ob § 12 Abs. 3 ErbbauRG auf alle mit dem Erbbaurecht verbundenen
subjektiv-dinglichen Rechte nach § 96 BGB, also
auch auf andere Dienstbarkeiten, Reallasten und dingliche Vorkaufsrechte
anzuwenden ist, die nicht der weiteren Nutzung des
Bauwerks dienen, erscheint zweifelhaft. Dem Zweck dieser
Rechte könnte es eher entsprechen, wenn solche Rechte mit dem
Erbbaurecht untergingen. Das kann jedoch dahinstehen, weil es
hier um den Übergang eines für den jeweiligen Erbbauberechtigten
bestellten Wegerechts geht.“
Der Gerichtsentscheidung lässt sich somit „nur“ zuverlässig entnehmen, dass zumindest
solche Dienstbarkeiten, die für die weitere Nutzung des Bauwerks [Bauwerk = wesentlicher
Bestandteil des untergegangenen Erbbaurechts] nützlich sind, weiterbestehen. Hinsichtlich
Dienstbarkeiten mit sonstigem Inhalt, ist die Rechtslage weiterhin umstritten und ungeklärt.
Vor dem Hintergrund, dass uns im vorliegenden Fall der Inhalt der Dienstbarkeit nicht
bekannt ist, soll – dem für notarielle Gestaltungspraxis geltenden Gebot des sichersten
Weges folgend – unterstellt werden, dass die Dienstbarkeit auf das Erbbaurechtsgrundstück
übergegangen ist.

3. Schicksal einer Grunddienstbarkeit, wenn das herrschende Grundstück geteilt wird
Nach dem mitgeteilten Sachverhalt wurde das Erbbaurechtgrundstück zeitlich nach dem Erlöschen
des Erbbaurechts (und einem hiermit etwaig einhergehenden Übergang der Dienstbarkeit)
in mehrere rechtlich selbständige Grundstücke aufgeteilt. § 1025 S. 1 Hs. 1 BGB
ordnet für diesen Fall an, dass die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile fortbesteht
(vgl. statt aller BeckOGK-BGB/Alexander, Stand: 15.9.2016, § 1025 Rn. 1, 19 ff.; zu den
Problemen in der notariellen Praxis betreffend die Löschung der Dienstbarkeit vgl. auch
Everts, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, A VII Rn. 58).
Rechtsfolge einer Teilung des herrschenden Grundstücks bei einer Grunddienstbarkeit gem.
§ 1025 BGB ist nach ganz überwiegender, wenngleich bestrittener Ansicht, dass die Grunddienstbarkeit
durch die Teilung des Grundstücks nicht in mehrere selbständige Grunddienstbarkeiten
zerlegt wird, sondern als einheitliches Recht bestehen bleibt (BayObLGZ
1965, 267; BayObLG NJW-RR 1990, 1043, 1044; Staudinger/Weber, BGB, Neubearb.
2017, § 1025 Rn. 5; MünchKommBGB/Mohr, 7. Aufl. 2016, § 1025 Rn. 2;
Palandt/Bassenge, BGB, 76. Aufl. 2017, § 1025 Rn. 1; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl.,
Stand: Frühjahr 2001, § 1025 Rn. 1).
Nach der Gegenansicht soll demgegenüber im Falle der Teilung des herrschenden Grundstücks
die Grunddienstbarkeit nicht als einheitliches Recht fortbestehen, sondern vielmehr
entsprechend der Anzahl der durch die Teilung entstandenen Einzelgrundstücke eine Mehrheit
von einzelnen Grunddienstbarkeiten gebildet werden (vgl. BeckOK-BGB/Wegmann,
40. Ed. 1.2.2016, § 1025 Rn. 3).

4. Erlöschen einer Dienstbarkeit durch Wegfall des Vorteils i.S.v. § 1019 S. 1 BGB
Eine Grunddienstbarkeit erlischt, wenn infolge Veränderungen eines der betroffenen Grundstücke
ihre Ausübung dauernd ausgeschlossen ist oder wenn der Vorteil für die Benutzung
des herrschenden Grundstücks (§ 1019 S. 1 BGB) infolge wesentlicher Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage objektiv und endgültig wegfällt (vgl.
BGH NJW 1984, 2157, 2158; Staudinger/Weber, § 1018 Rn. 180). Ob im vorliegenden Fall
die Dienstbarkeit für die einzelnen (infolge Teilung neu entstandenen) Grundstücke weiterhin
einen Vorteil i. S. v. § 1019 S. 1 BGB bietet, lässt sich dem mitgeteilten Sachverhalt
nicht entnehmen. Maßgeblich wäre insoweit insbesondere der Inhalt der Dienstbarkeit und
die räumliche Lage der nunmehr herrschenden Grundstücke.

5. Löschung der Grunddienstbarkeit
Materiell-rechtlich erlischt eine Grunddienstbarkeit durch Aufgabeerklärung des Berechtigten
sowie Löschung im Grundbuch, § 875 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Aufgabeerklärung ist
eine einseitige, empfangsbedürftige (formfreie) Willenserklärung des Berechtigten, die entweder
gegenüber dem Grundbuchamt oder gegenüber demjenigen abzugeben ist, zu dessen
Gunsten die Aufgabe erfolgt, § 875 Abs. 1 S. 2 BGB. Aufgrund der gesetzlich angeordneten
Empfangszuständigkeit des Grundbuchamtes ist also eine Beteiligung des Eigentümers des
dienenden Grundstücks grundsätzlich nicht erforderlich.
Berechtigte sind nach unserem Dafürhalten nicht der ursprüngliche Inhaber des (untergegangenen)
Erbbaurechts, sondern die heutigen Eigentümer des ursprünglichen Erbbaurechtsgrundstücks
[= Eigentümer der neuen Grundstücke], denn die Grunddienstbarkeit ist
zwischenzeitlich – einen Übergang gem. § 12 Abs. 3 ErbbauRG unterstellt – ein Bestandteil
dieser Grundstücke geworden. Eine gegenteilige Annahme, wonach der ursprüngliche Erbbaurechtsinhaber
weiterhin zur Aufgabe der Dienstbarkeit berechtigt ist, erschiene demgegenüber
nicht konsequent; mit einer solchen Sichtweise würde die Rechtsfolge des § 12
Abs. 3 ErbbauRG letztlich ignoriert und der ursprüngliche Erbbaurechtsinhaber könnte über
ein zwischenzeitlich „fremdes“ Recht verfügen.
Überdies erlauben wir uns darauf hinzuweisen, dass im Einzelfall die Notwendigkeit
bestehen kann, dass Dritte an der Aufgabe der Grunddienstbarkeit mitwirken müssen.
Rechte, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind, gelten – wie bereits
oben ausgeführt – gem. § 96 BGB als Bestandteile dieses (begünstigten) Grundstücks.
Zweck des § 96 BGB ist vor allem, die grundpfandrechtliche Haftung (§§ 1120 ff. BGB) auf
die mit dem Grundstück verbundenen Rechte zu erstrecken (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB,
76. Aufl. 2017, § 96 Rn. 1 f. m. w. N; MünchKommBGB/Kohler, 7. Aufl. 2016, § 876
Rn. 5). Es ist daher konsequent, wenn das Gesetz in § 876 S. 2 BGB anordnet, dass der Eigentümer
des begünstigten Grundstücks solche „Grundstücksbestandteile“ nur dann aufgeben
kann, wenn die am begünstigten Grundstück dinglich Berechtigten – also beispielsweise
die Grundpfandrechtsgläubiger am herrschenden Grundstück – der Aufgabe des
Rechts zustimmen, es sei denn, die Drittberechtigten werden durch die Aufgabe in ihrer
Rechtsposition nicht berührt. Es könnte also eine Zustimmung von Drittberechtigten i. S. v.
§ 876 S. 2 BGB zur materiell-rechtlichen Aufgabe der Dienstbarkeit notwendig sein.
Schließlich sind die formgerechte Löschungsbewilligung des Eigentümers des herrschenden
Grundstücks gem. §§ 19, 29 GBO sowie ein Antrag gem. § 13 GBO erforderlich. Ist
ein Herrschvermerk im Grundbuch des herrschenden Grundstücks eingetragen, so bedarf es
– verfahrensrechtlich – auch der Bewilligung des Berechtigten i. S. v. § 876 S. 2 BGB,
§§ 19, 21 GBO. Sofern es an einem Herrschvermerk im Grundbuch des herrschenden
Grundstücks fehlt, ist zwar die Zustimmung eines Drittberechtigten gegenüber dem Grundbuchamt
nicht nachzuweisen; § 21 GBO verzichtet in diesem Fall auf eine verfahrensrechtliche
Erklärung des Drittberechtigten. An der gegebenenfalls materiell-rechtlichen Zustimmungsbedürftigkeit
gem. § 876 S. 2 BGB ändern die Vorschriften der Grundbuchordnung
freilich nichts.

Gutachten/Abruf-Nr:

152084

Erscheinungsdatum:

22.12.2016

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Sachenrecht allgemein

Normen in Titel:

BGB § 96; BGB § 1018