05. Februar 2021
BGB § 21; BGB § 59

Analoge Anwendung des § 5 Abs. 2 MaßnG-GesR auf die Gründung eines Vereins; Gründung eines eingetragenen Vereins unter Abwesenden; Gründung mit Vollmacht

MaßnG-GesR § 5 Abs. 2; BGB §§ 21, 59
Analoge Anwendung des § 5 Abs. 2 MaßnG-GesR auf die Gründung eines Vereins; Gründung eines eingetragenen Vereins unter Abwesenden; Gründung mit Vollmacht

I. Fragen    
1. Ist § 5 Abs. 2 MaßnG-GesR auf die Gründungsversammlung eines einzutragenden Vereins analog anzuwenden?

2. Ist eine Gründungsversammlung unter Abwesenden zulässig?

II. Zur Rechtslage
1. Analoge Anwendung des § 5 Abs. 2 MaßnG-GesR auf die Gründungsversammlung
Das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (MaßnG-GesR, BGBl. I 2020, S. 570) hat die Beschlussfassung auch im Verein erleichtert (vgl. DNotI-Report 2020, 61, 62). Abweichend von § 32 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vorstand auch ohne statutarische Ermächtigung gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 MaßnG-GesR den Vereinsmitgliedern die elektronische Teilnahme an der Mitgliederversammlung gestatten und gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2 MaßnG-GesR die schriftliche Stimmabgabe vor der Versammlung ermöglichen. § 5 Abs. 3 MaßnG-GesR erlaubt zudem ein gegenüber § 32 Abs. 2 BGB erleichtertes Umlaufverfahren zur versammlungslosen Beschlussfassung. Die Regelungen beziehen sich ihrem Wortlaut nach klar auf die Mitgliederversammlung und die darin wahrzunehmenden Rechte bzw. auf den Mitglieder­beschluss (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 30).

Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf die Vereinsgründung kommt u. E. nicht in Betracht. Zum einen gibt es keinen Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber die Gründung versehentlich ungeregelt gelassen hat (Merkmal „Planwidrigkeit der Regelungslücke“). Zum anderen dürfte es sich bei der Gründungsversammlung des werdenden Vereins und der Mitgliederversammlung des bestehenden Vereins nicht um vergleichbare Sachverhalte handeln. Nach wohl vorherrschender Ansicht ist der Gründungsakt (mit Satzungsfeststellung) als Einigung unter den Gründern ein Vertrag unter den Gründern (Baumann/Sikora/Stiebitz, Hand- und Formularbuch zum Vereinsrecht, 2. Aufl. 2017, § 4 Rn. 4; BeckOGK-BGB/Segna, Std.: 1.1.2021, § 21 Rn. 219.1; Reichert/Wagner, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl. 2018, Kap. 2 Rn. 17; Staudinger/Schwennicke, BGB, 2019, § 21 Rn. 86). Kein solcher Vertrag ist hingegen der in der Mitgliederversammlung gefasste Beschluss. Er setzt vielmehr einen solchen Vertrag und einen dadurch errichteten Verein voraus. Sowohl das Organ „Mitgliederversammlung“ als auch die Entscheidungsform „Beschluss“ sind nur im Rahmen einer bestehenden korporativen Verfassung denkbar. Dies verdeutlichen auch die praktischen Schwierigkeiten einer analogen Anwendung: Initiator der modifizierten Versammlung oder versammlungslosen Entscheidung ist der Vorstand des Vereins. Einen solchen gibt es aber erst durch die Gründung des Vereins mit der Bestellung des ersten Vorstands. Den Initiator der Gründung – sofern ein solcher überhaupt klar auszumachen ist ­– bei analoger Anwendung an die Stelle des Vorstands zu setzen, wäre rechtlich keines­wegs zwingend (daran ändert u. E. nichts, dass in der Literatur von einer „Einberufung“ der Gründerversammlung durch den Initiator durchaus die Rede ist, vgl. dazu Knof, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 5. Aufl. 2021, § 15 Rn. 21).

2. Vereinsgründung unter Abwesenden nach allgemeinen Grundsätzen
Näherliegend ist die Frage, ob der Gründungsakt bereits nach allgemeinen Grundsätzen einer (weitgehend) präsenzlosen Durchführung zugänglich ist. Wie oben ausgeführt, sind Mitgliederversammlung und Beschluss mit dem Gründungsakt nicht vergleichbar. Dies stimmt auch insoweit, als die regulären Formalitäten – angefangen mit der Einberufung durch das Einberufungsorgan – nicht zu beachten sind (zumindest im Hinblick auf die Einberufung u. E. auch nicht beim etwaigen ersten Beschluss der Gründer über die Bestellung des ersten Vorstands). Abgesehen von § 59 BGB und einem impliziten Schriftformerfordernis (vgl. Burhoff, Vereinsrecht, 10. Aufl. 2019, Rn. 26; bzgl. der Satzung Baumann/Sikora/Stiebitz, § 4 Rn. 65) gibt es keine besonderen gesetzlichen Vorgaben für den Gründungsakt. Das Gesetz eröffnet daher einigen Spielraum, auch wenn dieser in der Praxis kaum genutzt und in der Literatur wenig erörtert wird (sogar eine ausdrückliche Gründungsvereinbarung für entbehrlich haltend BeckOK-BGB/Schöpflin, Std.: 1.11.2020, § 21 Rn. 121; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. 2000, Vor § 21 Rn. 63; gegen eine konkludente Vereinsgründung aber BeckOGK-BGB/Segna, § 21 Rn. 219; Reichert/Wagner, Kap. 2 Rn. 17). Mithin wäre es unter Wahrung der Schriftform durchaus möglich, den Verein (weitgehend) präsenzlos zu gründen. Die Gründer könnten etwa einen von ihnen rechtsgeschäftlich zur Gründung bevollmächtigen (vgl. OLG Hamm BeckRS 2007, 10640, Rn. 13; Baumann/Sikora/Stiebitz, § 4 Rn. 8; Burhoff, Rn. 31). Dabei ist eine ausdrückliche Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zu empfehlen (vgl. Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 11. Aufl. 2016, Rn. 25). Nicht ausgeschlossen erscheint es zudem, den Verein im „Umlaufverfahren“ zu gründen, also etwa durch ein Zirkular, auf dem alle Gründer entsprechende (schriftliche) Erklärungen abgeben. Eine Versammlung im eigentlichen Sinne ist insofern für die Gründung u. E. überhaupt nicht erforderlich.

Gutachten/Abruf-Nr:

181191

Erscheinungsdatum:

05.02.2021

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 20-21

Normen in Titel:

BGB § 21; BGB § 59