01. März 2014
BGB § 2033; BGB § 1935; BGB § 2032; BGB § 2094

Übergang eines Anteils an einer Erbengemeinschaft auf die beiden Miterben dieser Erben gemeinschaft; Rechtsfolgendes Übergangs

BGB §§ 2032, 2033, 1935, 2094

Übergang eines Anteils an einer Erbengemeinschaft auf die beiden Miterben dieser Erben gemeinschaft; Rechtsfolgendes Übergangs

I. Sachverhalt

Mutter (M), Sohn (S) und Tochter (T) bildeten aufgrund gesetzlicher Erbfolge eine Erbengemein schaft nach dem verstorbenen Vater (V), an der S und T zu gleichen Anteilen beteiligt waren. Der Nachlass besteht nur mehr aus einem Grundstück, das dem V als Alleineigentümer gehört hatte.
M ist nun ebenfalls verstor ben und von ihren Kindern S und T kraft Gesetzes je zur Hälfte beerbt worden. S und T möchten den „Anteil“ der verstorbenen Mutter „am Grundstück“ auf E (die Tochter von S und Enkeltochter von V und M) übertragen.

II. Frage

Existiert der Erbteil von M am Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes V weiterhin oder ist der Erbteil mit dem Tod der M dadurch untergegangen, dass S und T (die zugleich als einzige weitere Miterben zu gleichen Teilen am Nachlass des V beteiligt waren) ihn durch Erbfolge erworben haben?

III. Zur Rechtslage

1. Rechtsnatur der Untererbengemeinschaft

Wird der Erblasser von mehreren Personen beerbt, entsteht eine Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft (§ 2032 Abs. 1 BGB). Der einzelne Miterbe kann dabei nicht über seinen „Anteil“ an einzelnen Nachlassgegenständen verfügen (vgl. § 2033 Abs. 2 BGB), sondern nur die Erbengemeinschaft als solche über den Gegenstand an sich (vgl. § 2040 Abs. 1 BGB). Verstirbt einer der Miterben der Erbengemeinschaft und wird er durch mehrere Erben beerbt, treten diese Miterben in gesonderter Miterbengemeinschaft (sog. Untererbengemeinschaft) an seine Stelle (Münch KommBGB/Gergen, 6. Aufl. 2013, § 2032 Rn. 3; Staudinger/Werner, BGB, Neubearb. 2010, § 2032 Rn. 2).
Mehrere Erben als Miterben bilden somit eine gesamthänderische Gruppierung innerhalb der (Ober-) Erbengemeinschaft und können über den ererbten Anteil an dieser Obererbengemeinschaft als Nachlassgegenstand des zweiten Nachlasses gem. § 2040 Abs. 1 BGB nur gemeinsam verfügen. Eine Verfügung des einzelnen Erbeserben über „seinen“ Anteil an diesem Erbteil, d. h. den ererbten Anteil an der Miterbengemeinschaft als Nachlassgegenstand des zweiten Nachlasses, ist dagegen nicht möglich (RGZ 162, 397, 401; MünchKommBGB/Gergen, § 2033 Rn. 5). Dies gilt zumindest so lange, bis die Erbengemeinschaft in Bezug auf diesen Nachlassgegenstand – bspw. durch Bildung von Bruchteilseigentum – auseinandergesetzt worden ist.

2. Untererbengemeinschaft auch bei Beerbung durch sämtliche Miterben?

Vorliegend besteht die Besonderheit, dass sämtliche Erbeserben (S und T als Erben zu je ½) neben der verstorbenen M die einzigen Erben (zu je ¼) der ersten Erbengemeinschaft (nach dem Tod des V) sind. Durch den Tod der M könnte damit ihr Anteil an der Erbengemeinschaft nach V dergestalt auf ihre Erben S und T übergegangen sein, dass diese nunmehr als Mitglieder einer Untererben gemeinschaft nach M deren Anteil an der Obererbengemeinschaft in gesamthänderischer Bindung hielten. Alternativ käme in Betracht, dass der Anteil der M an der Erbengemein schaft nach V den beiden Erbeserben S und T im Verhältnis ihrer Erbteile (also zu je ½) angewachsen und mit dem jeweils bereits vorhandenen Anteil an der Erbengemein schaft nach V verschmolzen wäre. Letzteres hätte zur Folge, dass S und T jeweils nur noch einen einheitlichen Erbanteil nach V zu ½ innehätten.

a) Lebzeitige (rechtsgeschäftliche) Erbteilsübertragung

Soweit ersichtlich, wird die vorstehend beschriebene Konstellation weder in der Rechtspre chung noch in der Literatur ausdrücklich erörtert. Es finden sich lediglich vereinzelte Stellungnahmen zu dem Fall, dass der Anteil des Miterben an einer Erben gemeinschaft nicht im Wege der Erbfolge, sondern durch rechtsgeschäftliche Erbteils-über tragung (§ 2033 BGB) auf die Miterben dieser Erbengemeinschaft übergeht. In einem Beschluss aus dem Jahre 1980 hat das BayObLG (BayObLGZ 1980, 328, 330 = DNotZ 1981, 292) noch offengelassen, ob dann eine Verschmelzung des bereits bestehenden mit dem hinzuerworbenen Erbanteil stattfindet. Dagegen hat es in einem Beschluss aus dem Jahre 1991 (BayObLGZ 1991, 146, 149 = DNotZ 1992, 255) angenommen,dass die rechtsgeschäftliche Übertragung im Wege der Anwachsung zu einer Vergrößerung des bereits gehaltenen Erb anteils führt (a. A. jedoch Münch KommBGB/ Küpper, § 2007 Rn. 2; Staudinger/Marotzke, § 2007 Rn. 16: Hinzuerwerb führt stets zum Entstehen gesonderter Erbteile). Im Zusammenhang mit der Ausübung des Miterbenvorkaufsrechts gem. § 2034 BGB entspricht es – soweit ersichtlich – allgemeiner Auffassung, dass die Miterben, die das Vorkaufsrecht geltend gemacht haben, den betreffenden Anteil im Verhältnis ihrer Erb teile durch Anwachsung erwerben (vgl. §§ 1935, 2094 BGB; BGH NJW 1983, 2142, 2143; BayObLGZ 1980, 328, 330; BeckOK-BGB/Lohmann, Std.: 1.11.2013, § 2034 Rn. 10; MünchKommBGB/Gergen, § 2034 Rn. 36).
Auch wenn eine höchstrichterliche Klärung der Frage noch aussteht, dürfte u. E. daher davon auszugehen sein, dass Miterben, die einen weiteren Anteil an der Erbengemeinschaft rechtsgeschäftlich erwerben, künftig nur noch einen einzigen vereinigten Erbteil halten (so ausdr. auch Haegele, BWNotZ 1971, 129, 136).

b) Erbteilserwerb von Todes wegen

Ob dies auch gilt, wenn die Miterben den Anteil an der Erbengemeinschaft im Wege der Erbfolge erwerben, erscheint uns dagegen sehr zweifelhaft. Gegen eineÜbertragung der für den rechtsgeschäftlichen Erwerb geltenden Grundsätze spricht, dass der Erbengemeinschaft beim Erwerb von Todes wegen alle Nach lassgegenstände zur gesamten Hand zustehen (§ 2032 BGB) und es für eine Zuweisung einzelner Gegenstände an einen Miterben grundsätzlich einer entsprechenden (Teil-)Erbauseinandersetzung bedarf. Nähme man eine automatische Verschmelzung des ererbten Erbteils mit den bereits vorhandenen Erbteilen an, wäre eine Auseinandersetzung insoweit nicht mehr erforderlich und die Miterben könnten eine der quotalen Erbeinsetzung zuwiderlaufende Entscheidung gar nicht mehr treffen (z. B. dahingehend, dass einer von ihnen den Erbteil hinsichtlich der Untererbengemeinschaft allein übernehmen soll).

3. Ergebnis

Unseres Erachtens spricht daher viel dafür, dass der Erbteil nach V auch nach dem Tod der M als selbständiger Erbteil in deren Nachlass
erhalten geblieben ist und nunmehr durch gemein schaftliche Verfügung von S und T auf E übertragen werden kann (§ 2040 BGB).
Folgt man dem nicht, ließe sich mit der zur rechtsgeschäftlichen Erbteilsüber tragung entwickelten Meinung von Haegele (BWNotZ 1971, 129, 137 unter Bezug etwa auf Römer, MittRhNotK 1957, 405) evtl. von der Möglichkeit ausgehen, „den vereinigten Erbteil durch entsprechende Verfügungen (Über tragung, Verpfändung) wieder in die ursprünglichen mehreren Anteile zu zerlegen, falls nicht alle Erbteile in einer Person vereinigt worden sind und die Erbengemeinschaft damit ein Ende gefunden hat“.
Im Übrigen hinderte eine etwaige Vereinigung der Erbteile den Inhaber des vereinigten Erbteils nicht daran, einen Bruchteil davon weiter zu übertragen (BGH NJW 1963, 1610; BayObLG NJW 1968, 505; LG Landau NJW 1954, 1647; Staudinger/Werner, § 2033 Rn. 7; MünchKommBGB/Gergen, § 2033 Rn. 9). Neben der Erbteilsübertragung könnte daher ggf. hilfsweise eine entsprechende Bruchteilsübertragung erfolgen.

Gutachten/Abruf-Nr:

123537

Erscheinungsdatum:

01.03.2014

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Gesetzliche Erbfolge
Erbteilsveräußerung
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung

Erschienen in:

DNotI-Report 2014, 25-26

Normen in Titel:

BGB § 2033; BGB § 1935; BGB § 2032; BGB § 2094