01. August 2011
EGBGB Art. 25

England/Israel: Bestimmung des Güterrechts bei einer britisch-israelischen Ehe; Erhöhung des gesetzlichen Erbteils

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G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s Abruf-Nr.: 108769 l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 7. Februar 2011

EGBGB Art. 25, 15 England/Israel: Bestimmung des Güterrechts bei einer britisch-israelischen Ehe; Erhöhung des gesetzlichen Erbteils

I. Sachverhalt Ein britischer Staatsangehöriger ist im Mai 2010 mit letztem Wohnsitz in Tel Aviv verstorben. Er hat keine Verfügungen hinterlassen. Hinterbliebene sind zwei Söhne aus erster Ehe und seine Ehefrau (aus zweiter Ehe). Die Ehe mit seiner zweiten Frau wurde im Jahr 1991 auf Zypern geschlossen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung war der Ehemann Brite und die Ehefrau war israelische Staatsangehörige. Beide lebten auch in Tel Aviv. Grund für die Eheschließung auf Zypern war, dass aufgrund der jüdischen Religionszugehörigkeit der Ehefrau nach israelischem Recht die Eheschließung mit dem protestantischen Ehemann nicht zulässig war. Es sollte nun für die beiden Immobilien in Deutschland ein gegenständlich beschränkter Erbschein beantragt werden. II. Frage Sind Wohnungserbbaurechte als grundstücksgleiche Rechte anzusehen, für die das englische Recht auf das Belegenheitsrecht verweise? Ist es zutreffend, dass auch das Güterstatut an dem Belegenheitsort angeknüpft werde? III. Zur Rechtslage 1. Erbstatut Zur Bestimmung des auf die Erbfolge anwendbaren Rechts verweist im vorliegenden Fall Art. 25 Abs. 1 EGBGB wegen der britischen Staatsangehörigkeit des Erblassers auf das britische Recht. Da in Großbritannien das materielle sowie internationale Erbrecht nicht einheitlich geregelt ist, wäre in diesem Fall zunächst eine Unteranknüpfung vorzunehmen. Es wäre also festzustellen, ob die engste Beziehung des Erblassers zum Landesteil England und Wales oder zu den Landesteilen Schottland bzw. Nordirland bestand, Art. 4 Abs. 4 EGBGB. Jedenfalls lässt sich aber feststellen, dass zumindest auf dem Bereich des
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Erbkollisionsrechts die rechtliche Situation in sämtlichen Landesteilen Großbritanniens weitgehend übereinstimmt. So ergibt sich für die Vererbung des unbeweglichen Vermögens (succession to immovables) eine Verweisung auf das jeweilige Belegenheitsrecht. Im englischen Recht werden nicht nur Eigentumsrechte an Grundstücken, sondern auch andere Rechte an Grundstücken als unbewegliches Vermögen in diesem Sinne angesehen. Die Einordnung eines Vermögensgegenstands als beweglich oder unbeweglich erfolgt allerdings nicht nach dem englischen Recht, sondern durch das jeweilige Belegenheitsrecht (sog. Qualifikationsverweisung; siehe hierzu Odersky, in: NK-BGB, Band 5: Erbrecht, 3. Aufl. 2010, Länderbericht Großbritannien, Rn. 6; Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, 14. Aufl., London 2009, S. 1194). Dementsprechend ist im vorliegenden Fall für die Frage, ob das Wohnungserbbaurecht als bewegliches oder unbewegliches Vermögen zu behandeln ist, aus englischer Sicht das deutsche Recht als Belegenheitsrecht anwendbar, mit der Folge, dass eine Rückverweisung auf deutsches Recht stattfindet, Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Dabei werden im deutschen Recht nach allgemeiner Auffassung auch Wohnungseigentum und Erbbaurechte als unbewegliches Vermögen im kollisionsrechtlichen Sinne angesehen (vgl. insoweit nur Palandt/Thorn, BGB, 70. Aufl. 2010, Art. 25 EGBGB Rn. 7). Somit erfolgt im vorliegenden Fall also eine Rückverweisung auf das deutsche Belegenheitsrecht, soweit es um die Vererbung der beiden Wohnungseigentumsrechte geht. Soweit also im vorliegenden Fall ein Erbschein ausschließlich zu Grundbuchberichtigungszwecken beantragt wird, könnte dieser also nach den erbrechtlichen Regeln des BGB ausgestellt werden. Soweit ein gegenständlich beschränkter Erbschein gem. § 2369 BGB beantragt wird, wäre in diesem u. E. zusätzlich klarzustellen, dass dieser sich ausschließlich auf das in Deutschland belegene unbewegliche Vermögen bezieht, da es nämlich für die Vererbung beweglicher Gegenstände ­ auch wenn sie in Deutschland belegen sind ­ darauf ankäme, wo der Erblasser zuletzt sein domicile i. S. d. britischen Rechts gehabt hat und dieses offenbar nicht in Deutschland war, würde nämlich die Vererbung des beweglichen Vermögens möglicherweise ausländischem Recht unterliegen. 2. Güterstatut Bei der Bestimmung des gesetzlichen Ehegattenerbteils ist gem. § 1931 BGB auch der Güterstand der Eheleute von Bedeutung. Hierzu wiederum wäre vorab das auf die güterrechtlichen Wirkungen anwendbare Recht festzustellen (Vorfrage). Zur Bestimmung des auf die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe anwendbaren Rechts ist das anwendbare Recht nach den Regeln der Art. 15, 14, EGBGB festzustellen. Sollte sich hierbei eine Rückverweisung ergeben, wäre der Ehegattenerbteil gem. §§ 1371 Abs. 1, § 1931 BGB auf ½ zu erhöhen. Da im vorliegenden Fall die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung beide ihren Lebensmittelpunkt in Israel hatten und sich in Zypern ausschließlich zum Zweck der Eheschließung aufhielten, verweist im vorliegenden Fall Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB auf das israelische Recht. Sollte im vorliegenden Fall der Ehemann zusätzlich zur britischen auch die israelische Staatsangehörigkeit gehabt haben, so wäre israelisches Recht sogar schon über Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB anzuwenden. Diese Verweisung auf das israelische Recht erfasst auch das israelische IPR, insbesondere wäre gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB eine Rückverweisung auf das deutsche Recht zu be-

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achten. Dabei ergibt sich aus Sec. 15 des israelischen Spouses Property Regulation Law aus 1973, dass die güterrechtlichen Beziehungen von Eheleuten dem Recht des Staates unterliegen, in dem die Eheleute ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt der Eheschließung hatten (vgl. Knoch, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht, Loseblatt, Länderbericht Israel (Stand: August 2007), Rn. 45). Insoweit nimmt das israelische Recht im vorliegenden Fall also die Verweisung an. Insbesondere erfolgt für die Wohnungserbbaurechte keinerlei Verweisung auf das Recht des Belegenheitsstaates. Damit gilt für die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe das israelische Recht. Diese sieht als gesetzlichen Güterstand die Gütertrennung mit Zugewinnausgleich bei Scheidung und Auflösung der ehe durch Tod eines der Ehegatten vor. 3. Wirksamkeit der Eheschließung Schließlich ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass Voraussetzung für ein gesetzliches Ehegattenerbrecht im vorliegenden Fall die Wirksamkeit der Eheschließung ist. Diese stellt eine selbständig anzuknüpfende Vorfrage dar. Art. 13 Abs. 1 EGBGB verweist für die materiellen Voraussetzungen der Ehe auf Seiten jedes der Ehegatten auf sein Heimatrecht. Im vorliegenden Fall ist der Ehemann Brite gewesen. Wir unterstellen insoweit, dass auf seiner Seite die Voraussetzungen des britischen Rechts eingehalten sind. Die Ehefrau hingegen ist israelische Staatsangehörige gewesen. Dabei ist aus Sicht des israelischen Kollisionsrechts die Eheschließung eines israelischen Staatsangehörigen nach dem für ihn jeweils maßgeblichen religiösen Rechts zu überprüfen (interreligiöse Rechtsspaltung in Israel, siehe Knoch, a. a. O., Rn. 44). Insoweit gilt daher auf Seiten der Ehefrau das israelische Recht in Form des jüdischen Rechts. Das jüdische Recht in Israel verbietet seit jeher die Eheschließung zwischen einem Juden und einem Nichtjuden (sog. ,,Mischehe, dazu zuletzt Lehner, Religiöses Eheverständnis und bürgerliche Ehe im Judentum, FamRZ 2011, 4). Der Verstoß macht die Ehe von Anfang an nichtig (siehe Knoch, a. a. O., Rn. 6). Da mithin im vorliegenden Fall auf Seiten der Ehefrau die Voraussetzungen für eine wirksame Eheschließung nicht vorlagen, wäre die Ehe also unwirksam, mit der Folge, dass weder ein gesetzlicher Güterstand zustande gekommen ist noch die Ehefrau ein gesetzliches Erbrecht hat. Eine subsidiäre Anwendbarkeit deutschen Rechts auf die Wirksamkeit der Ehe gem. Art. 13 Abs. 2 EGBGB kommt hier schon deswegen nicht in Betracht, weil keiner der Verlobten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Art. 13 Abs. 2 Ziff. 2 EGBGB) und die in Art. 13 Abs. 2 EGBGB aufgeführten Voraussetzungen kumulativ einzuhalten sind. Aus deutscher Sicht freilich verletzt das Verbot der interreligiösen Eheschließung Art. 4 und Art. 6 GG. Nach einer langen Diskussion hat sich die in Deutschland wohl überwiegende Auffassung nun dahingehend verfestigt, dass sich ein ausländisches Eheverbot der Religionsverschiedenheit jedenfalls dann wegen Grundrechtsverstoßes (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 33 Abs. 3 GG und Art. 140 GG) am in Art. 6 EGBGB normierten ordre publicVorbehalt bricht, wenn eine hinreichende Inlandsbeziehung vorliegt. Dabei soll wegen der Schwere des Grundrechtsverstoßes schon eine geringfügige Inlandsbeziehung für das Eingreifen von Art. 6 EGBGB ausreichen (siehe insoweit Coester, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 13 EGBGB Rn. 86). Freilich verlangt auch Coester (a. a. O.), dass ,,wenigstens einer von ihnen durch langjährigen Aufenthalt, familiäre, soziale, berufliche, kulturelle und sonstige Bindungen in Deutschland integriert sei". Danach wäre im vorliegenden Fall der ordre public-Verstoß noch nicht unbedingt gegeben.

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Dennoch halten wir im vorliegenden Fall ein gesetzliches Ehegattenerbrecht aus einem anderen Gesichtspunkt für gegeben: Im israelischen Recht begründet die nichteheliche Lebensgemeinschaft die Wirkungen einer Ehe, insbesondere auch ein gesetzliches Erbrecht (vgl. insoweit nur Knoch, a. a. O., Rn. 30). In Israel wird also im hier vorliegenden Fall ein gesetzliches Ehegattenerbrecht unabhängig davon bejaht, ob die Eheschließung nach jüdischem Recht wirksam ist oder nicht, weil die Frau mit dem Erblasser nichtehelich zusammen gelebt hat (s. Lehner, FamRZ 2011 S. 5). Die Unzulässigkeit der Eheschließung würde sich also im israelischen Recht auf das Erbrecht nicht auswirken. Es wäre nun nahezu grotesk, wenn das deutsche Gericht unter Hinweis auf das israelisch-jüdische Recht im vorliegenden Fall ein gesetzliches Ehegattenrecht ablehnen würde. Diese Rechtsfolge würde sowohl dem deutschen als auch dem israelischen Rechtsverständnis widersprechen. Nach allgemeiner Auffassung liegt hier ein sog. normativer Widerspruch vor, der im Wege einer sog. Angleichung bzw. Anpassung zu beheben ist (s. nur Kropholler, Internationale Privatrecht, 5. Aufl. 2006, § 34 II, S. 232). Insoweit wäre also im vorliegenden Fall der Ehefrau das gesetzliche Ehegattenerbrecht unter Rückgriff auf die israelische Regelung, die bei nichtigen Ehen das Ehegattenerbrecht aufgrund langjähriger Lebensgemeinschaft gewährt, zuzubilligen. Wegen Geltung der Zugewinngemeinschaft israelischen Rechts hätte die Ehefrau auch im Erbfall einen Zugewinnausgleichsanspruch nach israelischem Recht. Die Eheleute lebten also nicht in ,,Gütertrennung" i.S.v. § 1931 Abs. 4 BGB. Sie hat daher ein gesetzliches Ehegattenerbrecht neben den beiden Söhnen in Höhe von einem Viertel, § 1931 Abs. 1 BGB.

Gutachten/Abruf-Nr:

108769

Erscheinungsdatum:

01.08.2011

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

EGBGB Art. 25