01. Oktober 2021

Bosnien: Ehegattenerbvertrag

Gutachten-Abruf-Dienst
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 177005
letzte Aktualisierung: 01. Oktober 2021

EuErbVO Art. 25
Bosnien: Ehegattenerbvertrag

I. Sachverhalt

Ein deutscher und eine bosnische Staatsangehörige haben 2010 geheiratet. Beide leben seit Eheschließung
Deutschland. Dies soll voraussichtlich auch so bleiben. Die Ehegatten haben
Immobilien- und bewegliches Vermögen in Deutschland, die Ehefrau auch eine Immobilie in
Bosnien.

II. Fragen

1. Können die Ehegatten einen Erbvertrag abschließen, in dem sie sich gegenseitig als Erben
und nach dem Tod des Überlebenden die gemeinsamen Kinder als Erben einsetzen?
2. Wenn ja: Sollte vorsichtshalber ein Testament der Ehefrau über ihr bosnisches Vermögen
errichtet werden?

III. Zur Rechtslage

1. Erbstatut

a) aus deutscher Sicht

Aus deutscher Sicht wird das anzuwendende Erbrecht nach den Regeln der Europäischen
Erbrechtsverordnung bestimmt (Text auszugsweise abgedruckt etwa bei
Palandt/Thorn, BGB, 80. Aufl. 2021, Anh. zu Art. 25 EGBGB). Für das allgemeine
Erbstatut gilt hiernach die Grundregel des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO: Soweit in dieser
Verordnung nicht Anderes vorgesehen ist, unterliegt die Erbfolge dem Recht des
Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt
hatte.

Anhaltspunkte für eine Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts finden
sich in Erwägungsgrund 23, 24 zur EuErbVO. Prinzipiell handelt es sich hierbei um
den Daseinsmittelpunkt einer Person als Schwerpunkt ihrer familiären, sozialen und
beruflichen Beziehungen (EuGH ZEV 2020, 628; OLG Hamm IPRax 2019, 151; OLG
Hamburg FamRZ 2017, 68; Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO Rn. 5 ff.). Die
Europäische Erbrechtsverordnung geht hierbei vom Prinzip der Nachlasseinheit aus (s.
auch Erwägungsgrund 37 zur EuErbVO). Dem so bestimmten Erbstatut unterliegt aus
Sicht der Europäischen Erbrechtsverordnung also das gesamte Vermögen des Erblassers,
unabhängig von seiner Qualifikation als beweglich oder unbeweglich und
unabhängig von seiner Belegenheit (s. nur Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO Rn. 3
m. w. N.).

Würden die Ehegatten mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland versterben,
würde mithin deutsches Erbrecht zur Anwendung gelangen, und zwar aus
deutscher Sicht auch hinsichtlich des bosnischen Immobilienvermögens der Ehefrau.

Sollten die Ehegatten dagegen ihren gewöhnlichen Aufenthalt verlegen und mit letztem
gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Land versterben, so wäre über Art. 21
Abs. 1 EuErbVO prinzipiell das Erbrecht dieses anderen Landes zur Anwendung berufen.
Einer dadurch ggf. bestehenden Unsicherheit in der Rechtsanwendung könnte der
deutsche Ehemann dadurch ausweichen, dass er nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO das
deutsche Erbrecht als sein Heimatrecht wählt. Eine solche Rechtswahl müsste ausdrücklich
in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder
sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben (Art. 22 Abs. 2
EuErbVO). Notarielle Beurkundung im Rahmen des hier intendierten Erbvertrages
wäre also jedenfalls ausreichend.

Der bosnischen Ehefrau stünde eine derartige Wahl deutschen Rechts nach Art. 22
EuErbVO dagegen nicht offen. Für sie könnte die Geltung eines über Art. 21 Abs. 1
EuErbVO etwa anzuwenden ausländischen Erbrechts also nicht durch Rechtswahl
vermieden werden.

Dem allgemeinen Erbstatut gem. Art. 21, 22 EuErbVO unterliegen inhaltlich
insbesondere Pflichtteilsansprüche sowie die allgemein zur Verfügung stehenden erbrechtlichen
Gestaltungsmittel, wie etwa die Anerkennung einer Vor- und Nacherbfolge,
Testamentsvollstreckung und dergleichen (vg. die ausführliche Aufzählung in Art. 23
EuErbVO).

Von diesem allgemeinen Erbstatut ist der Geltungsbereich der Sonderregelung für das
Errichtungsstatut eines Erbvertrags nach Art. 25 EuErbVO abzugrenzen. Dort ist
eine partielle Sonderanknüpfung hinsichtlich der Zulässigkeit, der materiellen Wirksamkeit,
der Bindungswirkungen sowie die Voraussetzungen für die Auflösung des Erbvertrages
geregelt. Dieses sog. Errichtungsstatut des Erbvertrages unterliegt dem Recht,
das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Person
anzuwenden wäre, wenn sie zu dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verstorben
wäre. Wegen des gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthaltes der Ehegatten in Deutschland
gilt für das Errichtungsstatut also aus deutscher Sicht gem. Art. 25 Abs. 2, 21
Abs. 1 EuErbVO zwingend deutsches Recht. Einer besonderen, im Rahmen des
Art. 25 Abs. 3 EuErbVO zulässigen Rechtswahl für das Errichtungsstatut bedarf es zur
Sicherstellung der Geltung deutschen Rechts insoweit nicht. Eine rein vorsorgliche
Aufnahme der Rechtswahl könnte sich gleichwohl empfehlen.

b) Erbstatut aus der Sicht Bosnien-Herzegowinas

Da Bosnien-Herzegowina nicht Mitgliedstaat i. S. d. EuErbVO ist, ist das
anzuwendende Erbrecht aus dortiger Sicht auf der Grundlage des eigenen nationalen
IPR zu bestimmen. Nach Art. 30 Abs. 1 des dort fortgeltenden ehemaligen
jugoslawischen Gesetzes über die Regelung von Kollisionen der Gesetze mit den Vorschriften
anderer Staaten bei bestimmten Verhältnissen vom 15.7.1982 (IPRG) ist für
die Beerbung das Recht des Staates maßgeblich, dessen Staatsangehöriger der Erblasser
im Zeitpunkt des Todes gewesen ist. Dieses Erbstatut ist gesetzlich zwingend festgelegt.
Eine Rechtswahl ist nicht vorgesehen (s. hierzu Povlakic/Softic Kadenic, in:
Süß, Erbrecht in Europa, 4. Aufl. 2020, Länderbericht Bosnien und Herzegowina,
Rn. 3 ff.). Bleiben die Staatsangehörigkeiten der Ehegatten unverändert, so würde also
das IPR Bosnien Herzegowinas für den deutschen Ehemann im Wege einer Gesamtverweisung
(Art. 6 Abs. 1 IPRG) auf das deutsche Recht verweisen. Dieses würde bei
letztem gewöhnlichen Aufenthalt des Ehemannes in Deutschland bzw. entsprechender
Rechtswahl die Verweisung gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO bzw. Art. 22 Abs. 1
EuErbVO annehmen. Dagegen käme es auf Seiten der Ehefrau bei unveränderter
Staatsangehörigkeit zur Geltung des Erbrechts von Bosnien-Herzegowina.

2. Sachrecht Bosnien-Herzegowinas

Deswegen muss im Hinblick auf die Gestaltung für die Ehefrau das Sachrecht Bosnien
Herzegowinas in den Blick genommen werden. Das dortige Erbrecht ist aktuell im Gesetz
über die Beerbung vom 22.9.2014 geregelt (deutsche Übersetzung bei Jessel-Holst, in:
Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Länderbericht Bosnien und
Herzegowina, Std.: August 2018, Texte C 2 = Bosnien Texte S. 40 ff.). Mit dem genannten
Erbgesetz wurde für Bosnien-Herzegowina ausdrücklich der Erbvertrag eingeführt (s.
Art. 125 – 134 ErbG; hierzu Povlakic/Softic Kadenic, Rn. 75 ff.).

Nichtig ist zwar ein Vertrag, durch den jemand seinen Nachlass oder einen Teil desselben
seinem Vertragspartner oder einer Drittperson hinterlässt (Art. 125 ErbG). Art. 126 Abs. 1
ErbG lässt jedoch den Abschluss eines Erbvertrages zwischen Ehegatten und nichtehelichen
Lebensgefährten zu. Auch künftige Ehegatten können einen Erbvertrag abschließen,
jedoch sind die Wirkungen des Vertrages bis zur Eheschließung aufgeschoben (Art. 126
Abs. 2 ErbG). Der Erbvertrag ist ein streng persönlicher Akt, den nur vollständig geschäftsfähige
Personen abschließen können (Art. 126 Abs. 3 ErbG). Durch den Erbvertrag setzen
sich die Parteien gegenseitig zu Erben ein oder bestimmt die eine Partei die andere zu ihrem
Erben, was jene annimmt. Der Erbvertrag kann das gesamte Vermögen oder einen Teil
desselben umfassen, gegenwärtiges wie auch künftiges Vermögen (Art. 127 Abs. 1, 2 ErbG).
Durch den Abschluss dieses Vertrages wird die Möglichkeit zu Verfügungen über das Vermögen
zu Lebzeiten nicht beschränkt (Art. 127 Abs. 3 ErbG). Der Erbvertrag bedarf der
notariellen Beurkundung, wobei der Notar zur Belehrung über die erbrechtlichen Folgen
des Erbvertrages verpflichtet ist (Art. 128 ErbG). Für weitere Einzelheiten darf auf den in
der Anlage beigefügten Gesetzestext sowie die einführende Darstellung bei Povlakic/Softic
Kadenic (Rn. 75 ff.) verwiesen werden. Wesentlich für die Vertragsgestaltung ist insbesondere
die Festlegung, dass zulässiger Inhalt des Erbvertrages hiernach nur die gegenseitige Erbeinsetzung
der Ehegatten bzw. nichtehelichen Partner ist. Soweit sie dritte Personen
bedenken wollen, wie vorliegend ihre Kinder, ist dies nach dem Recht Bosnien-
Herzegowinas nur ohne erbvertragliche Bindung möglich. Die Rechtslage lehnt sich
insoweit an jene in Österreich an (dazu etwa Haunschmidt, in: Süß, Erbrecht in Europa, 4.
Aufl. 2020, Länderbericht Österreich, Rn. 86 ff.).

Eine gegenständliche Abgrenzung des Geltungsanspruchs zweier Verfügungen von Todes
wegen (Vermögen in Deutschland/Vermögen in Bosnien-Herzegowina) ist im Hinblick auf
die Nachlasseinheit nicht möglich.

3. Formstatut

Aus deutscher Sicht genügt eine Beurkundung des Erbvertrages nach den Bestimmungen
am deutschen Errichtungsort jedenfalls gem. Art. 27 Abs. 1 lit. a, 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO.

Hinsichtlich der Beurkundung eines Einzeltestaments ist für das Formstatut aus der Sicht
Deutschlands und Bosnien-Herzegowinas die Anwendung des Haager Übereinkommens
vom 5.10.1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vorrangig
(vgl. Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 2 EuErbVO). Dieses Abkommen ist auch für Bosnien
und Herzegowina seit dem 6.3.1992 in Kraft getreten (BGBl. 1994 II S. 296). Die Errichtung
eines Einzeltestaments in Deutschland nach den hier geltenden Formvorschriften ist
dementsprechend gem. Art. 1 Abs. 1 lit. a Haager Testamentsformübereinkommen aus der
Sicht beider Staaten als formwirksam anzuerkennen. Dieses Abkommen gilt außerdem für
gemeinschaftliche Testamente (Art. 4 Haager Testamentsformübereinkommen), nicht aber
für Erbverträge).

Für den Erbvertrag ist also aus der Sicht Bosnien-Herzegowinas auf das dortige nationale
IPR zurückzugreifen. Dieses enthält in Art. 31 IPRG zwar nur Bestimmungen über
die Anerkennung eines Testaments als formgültig, dagegen nicht betreffs eines Erbvertrages.

Dies erklärt sich zwanglos daraus, dass bei Inkrafttreten dieses Gesetzes im Jahre 1982
der Erbvertrag in Jugoslawien noch unzulässig war. Da sich dies für Bosnien Herzegowina
auf der Grundlage des dortigen Gesetzes über die Beerbung vom 22.9.2014 mittlerweile geändert
hat, gehen wir davon aus, dass die in Art. 31 IPRG in favorem testamenti gegebenen Anknüpfungspunkte
auch für den jetzt zulässigen Erbvertrag entsprechend gelten. Dementsprechend
dürfte die Anerkennung der deutschen Ortsform aus der Sicht Bosnien Herzegowinas
auch für den Erbvertrag aus Art. 31 Nr. 1 IPRG folgen (allg. zur Testamentsformwirksamkeit:
Povlakic/Softic Kadenic, Rn. 6 ff.).

Gutachten/Abruf-Nr:

177005

Erscheinungsdatum:

01.10.2021

Rechtsbezug

National