06. Februar 2023
WEG § 10

Kein Sondernutzungsrecht an einer Baulast

Gutachten-Abruf-Dienst
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 195059
letzte Aktualisierung: 6. Februar 2023

LBO § 108; WEG § 10
Kein Sondernutzungsrecht an einer Baulast

I. Sachverhalt

Ein Grundstück soll in Wohnungseigentum aufgeteilt werden, wobei Sondernutzungsrechte an
Stellplätzen im Freien begründet werden sollen. Zwei nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften
erforderliche Stellplätze befinden sich auf dem Nachbargrundstück. An dem betreffenden
Nachbargrundstück lastet eine Baulast im Sinne der Landesbauordnung Baden-Württemberg.
Dienstbarkeiten sind keine eingetragen.

II. Fragen

1. Handelt es sich bei Baulasten nach der LBO BW um ein Recht i. S. d. § 96 BGB, welches
damit Bestandteil des (aufzuteilenden) Grundstücks ist?

2. Unabhängig von Frage 1: Ist es möglich, Sondernutzungsrechte an einer solchen Baulast
– analog zu Sondernutzungsrechten an einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Teilungsgrundstücks
– zu begründen?

3. Folgt aus der Baulastverpflichtungserklärung ein (durchsetzbarer) Rechtsanspruch gegen den
jetzigen Eigentümer des Nachbargrundstücks auf Bestellung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit?

III. Zur Rechtslage

1. Inhalt und Rechtswirkungen einer Baulast

Nach § 108 Abs. 1 S. 1 LBO BW können Grundstückseigentümer durch Erklärung gegenüber
der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke
betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, die sich nicht schon aus öffentlichrechtlichen
Vorschriften ergeben (Baulast). Baulasten sind in ein Verzeichnis einzutragen
(Baulastenverzeichnis), § 109 Abs. 1 LBO BW. Sie sind auch gegenüber dem Rechtsnachfolger
wirksam, § 108 Abs. 1 S. 2 LBO BW.

Zweck einer Baulast ist es, auf Dauer und mit Wirkung für Rechtsnachfolger öffentlich-rechtliche
Hindernisse einer Bebauung auszuräumen, damit die Erteilung einer Baugenehmigung
möglich wird. Baulasten haben dabei eine gewisse Verwandtschaft mit der zivilrechtlichen
Grunddienstbarkeit. Wesentlicher Unterschied ist allerdings, dass – von Sonderfällen abgesehen
– die Baulast lediglich in ihrer Entstehung, nicht aber im Bestand von dem Willen des
Grundstückseigentümers abhängig ist, während die Grunddienstbarkeit zur privaten Disposition
steht (insb. bzgl. einer Aufhebung des Rechts). Weiter berechtigt die Grunddienstbarkeit
den Begünstigten entsprechend ihrem Inhalt. Anders ist die Rechtslage dagegen bei der
Baulast. Diese gewährt nach allgemeiner Meinung keinen privaten Nutzungsanspruch
oder auch nur eine Duldungspflicht (grundlegend BGHZ 88, 97 = DNotZ 1984, 176;
Staudinger/Weber, BGB, 2017, Vorbem. zu §§ 1018-1029 Rn. 12; Schmitz-Vornmoor,
RNotZ 2007, 121, 131 ff.). Wörtlich heißt es in einer Entscheidung des BGH (BGHZ 88,
97):

„Die von einem Grundstückseigentümer zugunsten eines anderen
Grundstücks übernommene Baulast, Kraftfahrzeugeinstellplätze
anlegen und nutzen zu lassen, bewirkt nur eine öffentlich-rechtliche
Verpflichtung, die weder dem Eigentümer des begünstigten
Grundstücks einen Nutzungsanspruch gewährt, noch grundsätzlich
den Baulastverpflichteten auferlegt, die Nutzung zu dulden.“

Folge dieser Unterscheidung zwischen einem zivilrechtlich begründeten Nutzungsrecht und
einer Baulast ist, dass diese nicht auf eine Stufe gestellt werden können (BVerwG NVwZ
1995, 377 = NJW 1995, 2507). Aus einer Baulast folgt – wie gezeigt – kein Nutzungsanspruch.
Die Rechtswirkungen einer Baulast erschöpfen sich demnach in der aus ihrer Übernahme
resultierenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung. Folge einer Baulast ist daher, dass bei
einem Verstoß bzw. Nichteinhalten der Verpflichtung (nur) die Bauaufsichtsbehörde Maßnahmen
gegen den Grundstückseigentümer ergreifen kann.

2. Bestellung einer Grunddienstbarkeit erforderlich

Da öffentlich-rechtliche Baulasten regelmäßig keine Sicherung für privatrechtlich vereinbarte
Nutzungsverhältnisse darstellen, muss daher zusätzlich die Nutzung der Stellplätze
durch die Eintragung einer eigenständigen (und von der Baulast unabhängigen)
Dienstbarkeit gesichert werden.
Hierzu ist es möglich, zugunsten des jeweiligen Eigentümers des aufzuteilenden Grundstücks
eine Grunddienstbarkeit zu bestellen, die dazu berechtigt, bestimmte Stellplätze als Parkplatz
zu nutzen. Ist eine solche Grunddienstbarkeit für den jeweiligen Eigentümer des gesamten
WEG-Grundstücks bestellt, steht sie allen (Wohnungs-)Eigentümern gemeinsam zu und ist
gem. § 96 BGB Bestandteil des herrschenden Grundstücks. Aufgrund ihrer Bestandteilszuordnung
zum herrschenden Grundstück ist die Grunddienstbarkeit damit Teil des sog. Gemeinschaftseigentums
(s. dazu Gutachten DNotI-Report 2016, 64, 65).

Infolgedessen ist es möglich, durch Vereinbarung zwischen den Wohnungseigentümern die
Ausübung der Dienstbarkeit einzelnen Sondereigentümern zuzuweisen (BayObLGZ 1990,
124; OLG Köln BeckRS 2006, 5621). Ob es sich dabei um ein Sondernutzungsrecht im technischen
Sinne handelt, ist vom BayObLG (BayObLGZ 1990, 124, 129) noch offengelassen
worden, wird mittlerweile aber zu Recht überwiegend bejaht (OLG Köln BeckRS 2006, 5621;
Gutachten DNotI-Report 2016, 64, 65). Der Zuweisung von „Teilen“ der Dienstbarkeit als
Sondernutzungsrecht stehen ebenfalls keine Bedenken entgegen. Insoweit ist denkbar, dass
lediglich eine Grunddienstbarkeit eingetragen ist, die die Nutzung mehrerer Stellplätze auf dem
Nachbargrundstück gestattet, und innerhalb der Gemeinschaftsordnung die Nutzung des jeweiligen
Stellplatzes (also die Ausübung der Grunddienstbarkeit als wesentlicher Bestandteil
des WEG-Grundstücks) vereinbart wird.

3. Kein Anspruch aus bestehender Baulast auf Bestellung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit
Da durch die Baulast ein Rechtsverhältnis zwischen dem Baulastbegünstigten und dem Baulastverpflichteten
nicht begründet wird, können weder der Baulastbegünstigte noch der Baulastverpflichtete
hieraus unmittelbar Rechte gegen den jeweils anderen herleiten (BGH
DNotZ 1993, 752; Steinkamp, MittRhNotK 1998, 117, 122). Ein Anspruch auf Bestellung
einer entsprechenden Grunddienstbarkeit kann daher aus der bestehenden Baulast
nicht hergeleitet werden. Das OLG Bremen führt hierzu Folgendes aus:

„Vielmehr fehlt es gerade an der Grunddienstbarkeit und damit an
dem gesetzlichen Schuldverhältnis, das irgendwelche Ansprüche
des Kl. begründen könnte. Aus dem Bestehen der Baulast auf dem
Grundstück der Bekl. lassen sich solche nicht herleiten, da deren
öffentlich-rechtlicher Charakter keine privatrechtlichen Hauptund
Nebenpflichten zu begründen vermag. (BGHZ 106, 348 =
NJW 1989, 1607 = NJW-RR 1989, 777 Ls.; Palandt/Bassenge,
BGB, 73. Aufl., Einl. vor § 854 Rn. 15 mwN). Im Übrigen fehlt es
– bei hypothetischer reziproker Betrachtung – an der Voraussetzung,
dass die begehrte Dienstbarkeit zwingende Voraussetzung
für eine beabsichtigte Bebauung des klägerischen Grundstücks
wäre.

Aus diesem Grund greifen auch die Grundsätze des nachbarrechtlichen
Gemeinschaftsverhältnisses (Palandt/Bassenge, § 903
Rn. 13) nicht durch: Gesichtspunkte, die es nach Treu und Glauben
zwingend gebieten würden, das Eigentum der Bekl. zu
Gunsten des Kl. dinglich zu belasten, liegen nicht vor.“

(NJOZ 2014, 1933)

4. Ergebnis: Grunddienstbarkeit erforderlich

Da sich durch die Baulast keine zivilrechtlichen Nutzungsansprüche ergeben und die Baulast
demzufolge auch kein Grundstücksbestandteil i. S. v. § 96 BGB sein kann, sollte die zivilrechtliche
Nutzbarkeit der Stellplätze unbedingt durch eine Grunddienstbarkeit abgesichert
werden; eine zivilrechtliche Nutzbarkeit der Stellplätze ist derzeit nicht gesichert.

Die hier angedachte Gestaltung, die Baulast zum Gegenstand von Sondernutzungsrechten zu
machen, ist u. E. nicht möglich.

Gutachten/Abruf-Nr:

195059

Erscheinungsdatum:

06.02.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Öffentliches Baurecht
WEG

Normen in Titel:

WEG § 10