15. Dezember 2020
BGB § 1094; BGB § 1098; BGB § 469; BGB § 463; ErbbauRG § 11

Umfang der Mitteilung bei Kaufvertrag über ein Erbbaurecht; Fristbeginn bei zusätzlicher Übersendung auch des Erbbaurechtsvertrages

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letzte Aktualisierung: 15. Dezember 2020

BGB §§ 463, 469, 1094, 1098; ErbbauRG § 11
Umfang der Mitteilung bei Kaufvertrag über ein Erbbaurecht; Fristbeginn bei zusätzlicher
Übersendung auch des Erbbaurechtsvertrages

I. Sachverhalt

Herr A verkauft sein Erbbaurecht an B. Für den Bruder des Herrn A (C) besteht ein dingliches
Vorkaufsrecht.

Herrn C wurde der Kaufvertrag über das Erbbaurecht zur Verfügung gestellt. Er fordert jetzt,
vertreten durch einen Rechtsanwalt, den Erbbaurechtsvertrag und die Nachträge an.

II. Fragen:

1. Muss neben dem Kaufvertrag auch der ursprüngliche Erbbaurechtsvertrag nebst allen
Nachträgen dem Vorkaufsberechtigten C zur Verfügung gestellt werden?

2. Wenn er einen Anspruch auf diese Verträge hat: Wann beginnt die Zweimonatsfrist zu laufen?
3. Können die Verträge dem bevollmächtigten Rechtsanwalt übersandt werden oder muss
zwingend dem Vorkaufsberechtigten zugestellt werden?

III. Zur Rechtslage

1. Gem. § 1094 Abs. 1 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass derjenige,
zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, dem Eigentümer gegenüber zum Vorkauf
berechtigt ist. Vom Vorkaufsrecht erfasst sein können auch grundstücksgleiche Rechte, wie
das Erbbaurecht (Omlor/Diebel, JuS 2017, 1160, 1162). Gem. § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB
bestimmt sich das Rechtsverhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten
nach den Vorschriften der §§ 463-473 BGB. Gem. § 469 Abs. 2 S. 1 BGB kann das Vorkaufsrecht
bei Grundstücken nur bis zum Ablauf von zwei Monaten, bei anderen Gegenständen
nur bis zum Ablauf einer Woche nach dem Empfang der Mitteilung ausgeübt werden.

Nach § 11 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG sind auf das Erbbaurecht die sich auf Grundstücke
beziehenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 925, 927, 928 BGB sowie die Vorschriften
über Ansprüche aus dem Eigentum entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht aus dem
ErbbauRG ein anderes ergibt. Durch § 11 ErbbauRG ist im Wesentlichen die Grundstücksnatur
des Erbbaurechts bestimmt (Bardenhewer, in: Ingenstau/Hustedt, ErbbauRG,
11. Aufl. 2018, § 11 Rn. 2). Nach allgemeiner Ansicht gehört zu den auf das Erbbaurecht
anwendbaren Grundstücksvorschriften aus dem BGB damit auch § 469 Abs. 2 BGB
(v. Oefele/Winkler/Schlögel, Handbuch Erbbaurecht, 6. Aufl. 2016, § 2 Rn. 162; BeckOKBGB/
Maaß, Std.: 1.8.2020, § 11 ErbbauRG Rn. 19), mit der Folge, dass auch für Erbbaurechte
die Ausübungsfrist von zwei Monaten nach § 11 ErbbauRG i. V. m. § 469 Abs. 2 S. 1
Var. 1 BGB gilt.

2. Nach § 469 Abs. 2 BGB beginnt die Ausschlussfrist zur Ausübung des Vorkaufsrechtes nur
zu laufen, wenn der Inhalt des Kaufvertrages so vollständig mitgeteilt wird, dass dem Vorkaufsberechtigten
eine Entscheidung über die Ausübung seines Vorkaufsrechtes möglich ist
(BGH NJW-RR 2006, 1449 Rn. 18; BeckOGK-BGB/Daum, § 469 Rn. 9); die unvollständige
Mitteilung setzt die Ausschlussfrist nicht in Lauf (RGZ 108, 91, 97; BGH NJW-RR 2006,
1449 Rn. 18).

3. Nicht mitzuteilen sind – anders als die für das schuldrechtliche Geschäft notwendigen
Genehmigungen, etwa eine solche nach § 5 Abs. 1 ErbbauRG, (BGH NJW 1994, 315,
316; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 5. Aufl. 2018, Teil 2 Kap. 8 Rn. 134 f.) – lediglich
für den Vertragsvollzug selbst erforderliche Genehmigungen, wie z. B. die Genehmigung
der Grundstücksteilung, ebenso wenig die Unbedenklichkeitsbescheinigung des
Finanzamtes (BGH NJW 1994, 315, 316; Hertel, Teil 2 Kap. 8 Rn. 134).

4. Nach § 469 Abs. 1 BGB hat der Verpflichtete dem Vorkaufsberechtigten den Inhalt des mit
dem Dritten geschlossenen Vertrages unverzüglich mitzuteilen. Der Zweck der Mitteilungspflicht,
dem Vorkaufsberechtigten die Entscheidung über die Ausübung seines Rechts zu
ermöglichen, bestimmt dabei den Umfang der Mitteilung. Diese muss soweit auf die Einzelheiten
des mit dem Dritten geschlossenen Vertrages eingehen, dass der Berechtigte über
die für seine Entscheidung wesentlichen Punkte Klarheit hat. Hierfür mag es zwar
nicht immer erforderlich sein, dem Berechtigten den gesamten Vertragstext zur Verfügung
zu stellen; teilweise wird auch vertreten, dass dem Vorkaufsberechtigten bindende
Nebenabreden mitzuteilen sind (vgl. zu einer Sonderkonstellation für eine psychologische
Beratung als Nebenabrede: OLG München NJW-RR 1999, 1314, 1316;
MünchKommBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 469 Rn. 4). Die Verfügbarmachung des
vollständigen Vertragstexts dürfte aber nach Auffassung der Rechtsprechung ausreichend
sein, da die fristauslösende Mitteilung den Berechtigten nicht über sämtliche Umstände in
Kenntnis setzen muss, die für seine Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts
von Bedeutung sein könnten (so BGH NJW 1994, 315, 316). Nach Teilen der Literatur soll
allerdings die vollständige Mitteilung des Vertragstextes „mitunter nicht aus[reichen]“
(Staudinger/Schermaier (2013) BGB § 469, Rn. 10; unklar auch BeckOGK-BGB/Daum,
§ 469 Rn. 11, 12 und 22).

5. Diese Ansicht der Literatur ist nach unserem Dafürhalten abzulehnen. Denn eine Ausdehnung
der Mitteilungspflicht über den Wortlaut des Gesetzes („Inhalt des mit dem Dritten
geschlossenen Vertrages“) hinaus hätte einschneidende Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit
der Fristberechnung. Die Vertragsbeteiligten des Ursprungsvertrages müssen aber
sicher sein können, mit der Übersendung des „wirksamen, vollständigen und richtigen
notariellen Kaufvertrages“ (BGH NJW 1994, 315, 316) an den Vorkaufsberechtigten grundsätzlich
alles Erforderliche zur Ingangsetzung der Frist getan zu haben, um an den dann einfach
zu berechnenden Fristlauf weitere Folgen knüpfen oder Entscheidungen treffen zu
können. Da sich der Kreis denkbarer Informationsbedürfnisse des Vorkaufsberechtigten
beliebig ausdehnen lässt, ohne dass präzise Abgrenzungskriterien hierfür vorhanden sind,
muss es grundsätzlich dabei bleiben, dass die Ausübungsfrist mit der Mitteilung des wirk-
samen, vollständigen und richtigen notariellen Kaufvertrages beginnt (zum Ganzen BGH
NJW 1994, 315 ff.; OLG Frankfurt/M. NotBZ 2006, 210).

6. Dabei muss es nach unserem Dafürhalten auch bleiben, wenn – wie wohl vorliegend –
infolge rechtsgeschäftlicher Erklärungen im Erstkaufvertrag der Eintritt in einen anderen,
nicht beurkundungsbedürftigen Vertrag – vorliegend den Erbbaurechtsvertrag nebst Nachträgen
– erfolgt und damit im Ergebnis unmittelbar weitere Pflichten auch des Vorkaufsberechtigten
(im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts) begründet werden. Denn auch
insoweit wäre es mit dem Prinzip der Rechtssicherheit kaum vereinbar, wenn etwa in
Folge eines versehentlich nicht mitgeteilten Nachtrags zum Erbbaurechtvertrag an einen
beispielsweise zunächst überhaupt nicht an der Ausübung des Vorkaufsrechts interessierten
Vorkaufsberechtigten die Frist des § 469 Abs. 2 BGB niemals zu laufen begänne. Dem
insoweit gleichwohl bestehenden Informationsinteresse des Vorkaufsberechtigten kann –
wie im Folgenden dargelegt wird – durch Einräumung eines Auskunftsrechts Rechnung
getragen werden.

7. Bleiben demnach ungeachtet des übersandten, vollständigen Vertragstextes Unklarheiten, so
ist der Vorkaufsberechtigte befugt, ergänzende Auskünfte zu verlangen. Ihm sind
dabei grundsätzlich alle erheblichen Daten direkt zugänglich zu machen. Welche Daten
konkret von dem Informationsanspruch des Vorkaufsberechtigten erfasst sind, ist stets eine
Frage des Einzelfalls. Zu beachten ist, dass auch die Ausübung des Vorkaufsrechts unter
dem Gebot von Treu und Glauben steht und die Erteilung von Auskünften immer ein
berechtigtes Interesse des Vorkaufsberechtigten voraussetzt (Staudinger/Schermaier,
§ 469 Rn. 10 ff.).

8. Wie der BGH in der bereits zitierten Entscheidung (NJW 1994, 315 ff.) klargestellt hat, wird
der Beginn der Ausübungsfrist für das Vorkaufsrecht durch ergänzende Auskunftsverlangen
des Vorkaufsberechtigten nicht berührt. Es obliegt dem Vorkaufsberechtigten
selbst, die ihm unklaren Punkte zu klären, ohne dass deswegen die Gesetzesbestimmung zur
Mitteilungspflicht des Verkäufers über ihren Wortlaut hinaus auszudehnen wäre. Die Frist
beginnt also mit der ordnungsgemäßen Mitteilung gem. § 469 Abs. 1 BGB, unabhängig
davon, ob der Vorkaufsberechtigte über den Vertragstext hinaus noch weitere Auskünfte
verlangt. Ob sich der Vorkaufsberechtigte auch innerhalb der Ausübungsfrist Klarheit verschaffen
muss oder ob sich ausnahmsweise die Ausübungsfrist verlängert – bzw. ein
Berufen des Verkäufers auf den Fristablauf treuwidrig ist –, hat der BGH allerdings offengelassen
(BGH NJW 1994, 315, 316; in diesem Sinne auch OLG Frankfurt a. M. NotBZ
2006, 210, 211).

9. Für den vorliegenden Sachverhalt folgt hieraus, dass die zweimonatige Frist zur Ausübung
des gesetzlichen Vorkaufsrechts mit Übersendung des vollständigen, wirksamen Kaufvertrages
über das Erbbaurecht in Gang gesetzt worden sein dürfte (zur Zweckmäßigkeit
der Übersendung einer Ausfertigung (vgl. BeckNotar-HdB/Everts, 7. Aufl. 2019, § 8 Rn.
31). Mit Blick auf den Wortlaut des § 469 BGB sowie die vorzitierte Rechtsprechung des
BGH dürfte dies ausreichen, sodass für die Auslösung der Frist nicht auch die Mitteilung
des Erbbaurechtsvertrages samt zugehöriger Nachträge notwendig ist.

10. Da der Vorkaufsberechtigte vorliegend insoweit allerdings ein berechtigtes Informationsbedürfnis
vorbringt, sind ihm der Erbbaurechtsvertrag samt zugehöriger Nachträge u. E. zur
Kenntnis zu bringen. Denn aufgrund der – unterstellt – im Kaufvertrag über das Erbbaurecht
enthaltenen Vereinbarung über den Eintritt des Erwerbers in den Erbbaurechtsvertrag
tritt auch der Vorkaufsberechtigte mit Ausübung des Vorkaufsrechts in Erbbaurechtsver-
trag ein. Überdies bestimmt sich – auch unabhängig von einem rechtsgeschäftlichen Eintritt
in den Erbbaurechtsvertrag – auch der dingliche Inhalt des vom Vorkaufsberechtigten
etwaig zu erwerbenden Erbbaurechts nach dem Erbbaurechtsvertrag, vgl. § 2 ErbbauRG.

Bereits diese Tatsache dürfte u. E. ein ausreichendes Informationsbedürfnis begründen.

Denn dem Vorkaufsberechtigten kann insoweit kaum zugemutet werden, auch in Unkenntnis
der betreffenden Umstände, sein Vorkaufsrecht gleichwohl auszuüben (vgl.
Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl. 2014, § 469 Rn. 9). Etwas anderes könnte nur dann gelten,
wenn sich der Erbbaurechtsvertrag seit der Begründung des Vorkaufsrechts – in
Kenntnis des Inhalts des Erbbaurechtsvertrages – nicht geändert hat (vgl.
MünchKommBGB/Westermann, 8. Aufl. 2016, § 469 Rn. 4). Fristauslösend dürfte eine
solche ergänzende Information jedoch nicht sein.

11. Sollte dem Vorkaufsberechtigten der Erbbaurechtsvertrag nicht zur Kenntnis gebracht
werden, könnte nach der zitierten Entscheidung des BGH ein Berufen auf den Fristablauf
nach zwei Monaten treuwidrig sein bzw. sich die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts
faktisch verlängern. Zwar dürfte eine solche Fristverlängerung nur ausnahmsweise in
Betracht kommen, da sie als vom Gesetzeswortlaut abweichende Erweiterung eher restriktiv
zu handhaben sein dürfte (Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 13. Aufl.
2018, § 469 Rn. 3). Grundsätzlich kann vom Vorkaufsberechtigten nämlich erwartet
werden, sein Informationsverlangen so rechtzeitig zu stellen, dass er mit einer Antwort bzw.
Aufklärung des Sachverhalts vor Ablauf der Ausübungsfrist rechnen kann. Falls sich indes
die Erteilung der geforderten Auskunft verzögert und sich der Vorkaufsberechtigte daher
nicht mehr innerhalb der Frist über die Ausübung seines Rechts erklären kann, dürfte der
formale Fristablauf die Wirksamkeit einer (angemessenen) späteren Ausübung des Vorkaufsrechts
nach Treu und Glauben nicht verhindern (RGZ 108, 66, 67 f.). Dabei dürfte
dem Vorkaufsberechtigten eine umso längere Prüfungsfrist zuzubilligen sein, je komplexer
die berechtigterweise angeforderten ergänzenden Informationen sind.

12. Gem. § 469 Abs. 1 BGB ist die Mitteilung an den Vorkaufsberechtigten zu richten
(BeckOGK-BGB/Daum, § 469 Rn. 8). Entsprechendes dürfte auch für solche Informationen
gelten, die dem Vorkaufsberechtigten ergänzend zur Verfügung gestellt werden. Dass es
sich nicht um Willens-, sondern um Wissenserklärungen handelt
(MünchKommBGB/Westermann, § 469 Rn. 5), dürfte Empfangsvertretung (analog) § 164
Abs. 3 BGB nicht ausschließen. Da der Notar aber jedenfalls die Wirksamkeit der
(Empfangs-) Vollmacht nicht überprüfen kann, könnte es sich aus Gründen der notariellen
Vorsicht empfehlen, die entsprechenden Abschriften sowohl dem Vorkaufsrechtsberechtigten
persönlich als auch dessen Vertreter zustellen zu lassen.

13. Ergebnis: Zwar dürfte der Vorkaufsberechtigte einen Anspruch auf Mitteilung des Erbbaurechtsvertrages
samt Nachträgen haben. Allerdings dürfte deren Zusendung mit Blick
auf die Mitteilung des Inhalts des Kaufvertrages i. S. d. § 469 Abs.1 BGB keine fristauslösende
Wirkung haben. Vielmehr dürfte die Frist bereits mit Zusendung des Inhalts des
Kaufvertrages angelaufen sein. Zweifelhaft dürfte dagegen sein, ob Gleiches auch gilt, wenn
– was vorliegend allerdings nicht der Fall ist – im Kaufvertrag über das Erbbaurecht auf den
Erbbaurechtsvertrag förmlich und zulässig gem. §§ 9 Abs. 1 S. 2, 13a Abs. 1 BeurkG verwiesen
wird. Denn in diesem Fall gelten die im Erbbaurechtsvertrag abgegebene
Erklärungen als in der Niederschrift (über den Kaufvertrag) selbst enthalten, § 9 Abs. 1 S. 2
BeurkG.

Das Berufen auf einen etwaigen Fristablauf kann aber unter Umständen treuwidrig sein
bzw. jedenfalls Schadenersatzansprüche auslösen, wenn dem Vorkaufsberechtigten
Informationen, die für eine Ausübung des Vorkaufsrechts von Bedeutung sind, solange
vorenthalten worden sind, dass die fristgemäße Ausübung des Vorkaufsrechts nicht mehr
möglich war.

Gutachten/Abruf-Nr:

180636

Erscheinungsdatum:

15.12.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Dingliches Vorkaufsrecht
Erbbaurecht

Normen in Titel:

BGB § 1094; BGB § 1098; BGB § 469; BGB § 463; ErbbauRG § 11