01. April 2022
BGB § 563; VermG § 20

Unvererblichkeit eines vermögensrechtlichen Vorkaufsrechts; Ausübung des Vorkaufsrechts nach Versterben eines von mehreren Berechtigten

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 185526
letzte Aktualisierung: 01. April 2022

VermG § 20; BGB § 563
Unvererblichkeit eines vermögensrechtlichen Vorkaufsrechts; Ausübung des Vorkaufsrechts
nach Versterben eines von mehreren Berechtigten

I. Sachverhalt

Der Verkäufer ist Eigentümer eines ca. 3600qm großen Grundstücks, welches zu DDR-Zeiten
in drei Teilflächen „parzelliert“ (es wurde keine Vermessung vorgenommen) und dann drei verschiedenen
Nutzungsberechtigten als Kleingarten durch den damaligen staatlichen Verwalter zugewiesen
wurde.

Für dieses Grundstück wurde ein Restitutionsanspruch angemeldet, welchem auch stattgegeben
worden ist. Auf diesem Wege wurde der heutige Verkäufer Grundstückeigentümer. Auf Ersuchen
des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen wurde jedoch gleichzeitig ein Vorkaufsrecht
nach § 20 VermG für zwei der Parzellennutzer in das Grundbuch eingetragen, ohne
nähere Angaben zum Beteiligungsverhältnis und zum Umfang der Nutzungsflächen.

Der Eigentümer möchte das Grundstück insgesamt an einen Dritten verkaufen und trägt vor,
dass einer der eingetragenen Vorkaufsberechtigten bereits verstorben ist (dessen Vorkaufsrecht
dürfte nach gemäß § 20 Abs. 7 VermG damit erloschen sein).

Der verbleibende Vorkaufsberechtigte nutzt seine Parzelle weiter, diese macht ein Drittel der
Grundstücksgesamtfläche aus. Er hat dem Eigentümer signalisiert, dass er durchaus geneigt sei,
für seine Parzelle das Vorkaufsrecht auszuüben, was jedoch eine Vermessung der Teilflächen
voraussetzen würde.

II. Fragen

Inwieweit ist ein Vorkaufsrecht nach § 20 VermG ausübbar, das an einem Flurstück für zwei
Pächter eingetragen wurde, die jeweils Teilflächen des Grundstücks nutzten bzw. nutzen und
von denen einer bereits verstorben ist?

III. Zur Rechtslage

Im Folgenden unterstellen wir in tatsächlicher Hinsicht aufgrund des mitgeteilten Sachverhalts,
der von einem eingetragenen Vorkaufsrecht für zwei Nutzer spricht, dass es sich nicht um mehrere
am 25.12.1993 bereits bestehende Vorkaufsrechte für jeden der beiden Nutzer handelt, sodass
das Vorkaufsrecht somit nicht nach § 20 VermG in der vor dem Inkrafttreten des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes
– RegVBG – (BGBl. I 1993, 2182, 2223 ff.) geltenden Fassung
eingetragen worden ist. Ein vor diesem Datum begründetes Vorkaufsrecht bezieht sich nach
dem inzwischen aufgehobenen Art. 19 Abs. 9 S. 2 RegVBG, nunmehr nach § 41 Abs. 7 S. 2
VermG nur auf die tatsächlich von dem jeweiligen Berechtigten genutzte Teilfläche, wenn der
Eigentümer das Grundstück entsprechend teilt und wenn sich das Miet- oder Nutzungsverhältnis
auf nicht mehr als 50 % der Gesamtfläche des zurückübertragenen Grundstücks erstreckt.
Auf diese Weise kann der Eigentümer ein bereits bestehendes Vorkaufsrecht einschränken
(Kiethe, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Std.:
September 2020, § 20 VermG Rn. 5; Plesse, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus,
VermG, Loseblattkommentar, Std.: September 2020, § 20 Rn. 24). Diese Möglichkeit besteht für
ab diesem Datum nach neuerer Fassung des § 20 Abs. 3 u. 4 VermG eingetragene Vorkaufsrechte
hingegen nicht (dazu sogleich). Dieser Umstand ist in tatsächlicher Hinsicht daher noch
einmal zu überprüfen.

1. Allgemeines zum Vorkaufsrecht nach § 20 VermG

Bei dem Vorkaufsrecht gem. § 20 VermG handelt es sich um ein Vorkaufsrecht, welches
Mietern und Nutzern von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie von Grundstücken für Erholungszwecke,
die der staatlichen Verwaltung i. S. d. § 1 Abs. 4 VermG unterlagen oder
auf die ein Anspruch auf Rückübertragung besteht, auf Antrag eingeräumt wurde, wenn das
Miet- oder Nutzungsverhältnis am 29.9.1990 bestanden hat und im Zeitpunkt der Entscheidung
über den Antrag fortbestand (§ 20 Abs. 1 S. 1 VermG).

Dieses Vorkaufsrecht entsteht, wenn der Bescheid, mit dem dem Antrag auf Einräumung
des Vorkaufsrechts stattgegeben wurde, unanfechtbar geworden und die Eintragung im
Grundbuch erfolgt ist (§ 20 Abs. 6 S. 1 VermG). Es gilt nur für den Fall des ersten Verkaufs
(§ 20 Abs. 6 S. 2 VermG) und ist nicht übertragbar und nicht vererblich (§ 20 Abs. 7 S. 1
VermG). Es erlischt mit der Beendigung des Miet- oder Nutzungsverhältnisses (§ 20 Abs. 7
S. 2 VermG).

Von diesen und den weiteren in § 20 VermG genannten Besonderheiten abgesehen, handelt
es sich bei dem Vorkaufsrecht nach § 20 VermG um ein gewöhnliches (subjektivpersönliches
dingliches) Vorkaufsrecht, für welches grundsätzlich die Vorschriften des BGB
über Vorkaufsrechte gelten (§ 20 Abs. 8 VermG). Es bestehen daher, insbesondere was die
Löschung des Vorkaufsrechts angeht, keine Besonderheiten zu den sonstigen Vorkaufsrechten.
2. Überwiegensprinzip gemäß § 20 Abs. 3 VermG nur bei Einräumung des Vorkaufsrechts
Wenn sich das Miet- oder Nutzungsverhältnis lediglich auf die Teilfläche eines Grundstücks
bezieht, besteht nach § 20 Abs. 3 S. 1 VermG der Anspruch auf Einräumung des Vorkaufsrechts
nur dann, wenn die betroffene Teilfläche mehr als 50 % der Grundstücksgesamtfläche
umfasst (sog. Überwiegensprinzip). In diesem Fall kann das Vorkaufsrecht
allerdings nur am Gesamtgrundstück eingeräumt werden (§ 20 Abs. 3 S. 2 VermG). Zur
Ermittlung des nach § 20 Abs. 3 S. 1 VermG maßgeblichen 50 %-Anteils sind mehrere, an
verschiedene Mieter oder Nutzer überlassene Teilflächen zusammenzurechnen. Korrespondierend
bestimmt § 20 Abs. 4 S. 1 VermG, dass mehreren Anspruchsberechtigten, also
auch mehreren Teilflächennutzern, in Bezug auf das Grundstück im Rechtssinne das Vorkaufsrecht
nur gemeinschaftlich zusteht (Plesse, § 20 Rn. 26; Kinne, in:
Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Loseblattkommentar,
Std.: Dezember 2004, § 20 VermG Rn. 22; Kiethe, § 20 VermG Rn. 55).

Zu beachten ist insofern aber, dass sich § 20 Abs. 3 und 4 VermG allein auf die Einräumung
des Vorkaufsrechts bezieht. Für die Ausübung des Vorkaufsrechts gilt das
Überwiegensprinzip des § 20 Abs. 3 VermG somit gerade nicht. Für die Ausübung des
mehreren Nutzungsberechtigten gemäß § 20 Abs. 3 und 4 VermG gemeinschaftlich zustehenden
Vorkaufsrechts gilt über den Verweis in § 20 Abs. 8 VermG die Vorschrift des
§ 472 BGB. Das mehreren Nutzern gemeinschaftlich zustehende Vorkaufsrecht kann danach
nur im Ganzen ausgeübt werden. Da § 20 Abs. 4 für das mehreren Nutzern gemeinschaftlich
zustehende Vorkaufsrecht kein spezielleres Anteilsverhältnis regelt, gilt für diese
mehreren Berechtigten das BGB-Gemeinschaftsrecht (§§ 741 ff BGB).

3. Erlöschen des Vorkaufsrechts aufgrund Todes eines vorkaufsberechtigten Nutzers
Wie bereits erwähnt, ist das Vorkaufsrecht nach § 20 VermG nicht übertragbar und nicht
vererblich (§ 20 Abs. 7 S. 1 VermG) und erlischt zudem mit der Beendigung des Miet- oder
Nutzungsverhältnisses (§ 20 Abs. 7 S. 2 VermG). Denn da das Vorkaufsrecht nach § 20
VermG dem Mieter oder Nutzer lediglich einen Ausgleich dafür gewähren soll, dass ihm
durch die Rückübertragung des Eigentums oder die Aufhebung der staatlichen Verwaltung
ein neuer (u. U. unbequemer) Vertragspartner aufgezwungen wird, ist es eng mit der Person
des Mieters oder Nutzers verbunden und soll ihm daher nur persönlich zustehen (vgl. hierzu
Plesse, § 20 Rn. 38).

Gleichwohl erlischt das Vorkaufsrecht nicht stets mit Tod des Vorkaufsberechtigten. Denn
gemäß § 20 Abs. 7 S. 4 VermG bleibt § 563 Abs. 1 u. 2 BGB unberührt. Gemäß § 563
Abs. 1 BGB tritt mit dem Tod des Mieters der Ehegatte oder Lebenspartner, der mit dem
Mieter einen gemeinsamen Haushalt führt, in das Mietverhältnis ein. Leben in dem gemeinsamen
Haushalt Kinder des Mieters, treten diese gemäß § 563 Abs. 2 S. 1 BGB mit dem
Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein, wenn nicht der Ehegatte oder Lebenspartner eintritt.
Andere Familienangehörige, die mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt führen,
treten mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein, wenn nicht der Ehegatte oder der
Lebenspartner eintritt (§ 563 Abs. 2 S. 2 BGB). Dasselbe gilt gemäß § 563 Abs. 2 S. 3 BGB
für Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt
führen.

Liegt ein Fall des § 563 Abs. 1 oder 2 BGB vor, ordnet die Sondervorschrift des § 20 Abs. 7
S. 4 VermG das Fortbestehen des Mietverhältnisses an mit der Folge, dass infolge des Eintritts
der nächsten Familienangehörigen in das Mietverhältnis auch das Vorkaufsrecht nicht
erlöschen würde (Kiethe, § 20 VermG Rn. 108). Ob dieser Tatbestand bezüglich des verstorbenen
Nutzers in persönlicher Hinsicht hier erfüllt ist, lässt sich dem mitgeteilten Sachverhalt
nicht entnehmen, kann nach hier vertretener Ansicht (dazu sofort) vorliegend jedoch
im Ergebnis dahinstehen.

Zu beachten ist, dass § 563 Abs. 1 und 2 BGB – der auch für vor dem 3.10.1990 in der
ehemaligen DDR geschlossene Verträge anwendbar ist (Staudinger/Rolfs, BGB, 2021,
§ 563 Rn. 4) – nach dem Zweck der Norm und ihrer systematischen Stellung im Gesetz
ausschließlich für Mietverträge über alle Arten von Wohnraum, einschließlich der in § 549
Abs. 2 und Abs. 3 bezeichneten, gilt (vgl. nur BeckOGK-BGB/Wendtland, Std.: 1.1.2022,
§ 563 Rn. 4, 5; MünchKommBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, § 563 Rn. 3). Für andere
Nutzungsverhältnisse, insbesondere für Pachtverträge gilt die Norm demgegenüber nicht
(vgl. BeckOGK-BGB/Schlinker, Std.: 1.2.2022, § 581 Rn. 5; Staudinger/Schaub, BGB,
2018, § 581 Rn. 141, 143, 483, der zudem auf die Vorschrift des § 12 Abs. 2 BKleinG hin-
weist, die allein für Kleingärten im Sinne des BKleinG bei gemeinschaftlich geschlossenem
Kleingartenpachtvertrag ein Eintrittsrecht für Ehegatten und Lebenspartner vorsieht).

Daran ändert u. E. auch die Vorschrift des § 20 Abs. 7 S. 4 VermG nichts. Denn der Wortlaut
dieser Norm („bleibt unberührt“) enthält keine Ausnahme von dem in § 20 Abs. 7
S. 1 u. 2 VermG normierten Grundsatz, sondern stellt lediglich klar, dass in den Fällen des
§ 563 Abs. 1 u. 2 BGB – und somit bei Wohnraummietverträgen – das Vorkaufsrecht
mangels Beendigung des Mietverhältnisses nicht erlischt. Insofern ist die Vorschrift gar als
überflüssig bezeichnet worden (Plesse, § 20 Rn. 41).

In der Literatur finden sich insofern jedoch ungenaue Formulierungen, als zum einen zwar
ausgeführt wird, dass eine Beendigung des Miet- oder Nutzungsverhältnisses bei Eintritt
nächster Familienangehöriger nicht vorliege, sodann aber allein von einem Eintritt in das
Mietverhältnis und von dem verstorbenen Mieter, somit gerade nicht von sonstigen Nutzungsverhältnissen
und Nutzern gesprochen wird (so Kiethe, § 20 Rn. 108; Säcker/Busche,
VermG, 1995, § 20 Rn. 20; keine über die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts hinausgehende
Ausführungen hierzu finden sich bei Kinne, § 20 VermG Rn. 32; Heilmann, Das Vorkaufsrecht
nach § 20 Vermögensgesetz, 1995, 81; Böhringer, BWNotZ 2007, 1, 4; Schöner/
Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 4197).

Soweit ein Teil der Literatur somit eine § 563 Abs. 1 und 2 BGB entsprechende Eintrittsmöglichkeit
auch in andere Nutzungsverhältnisse andeutet, verkennt diese u. E. jedoch, dass
§ 20 Abs. 7 S. 4 VermG über die erwähnte bloße Klarstellung hinaus § 563 Abs. 1 u. 2 BGB
gerade nicht bezüglich aller ein Vorkaufsrecht im Sinne des § 20 VermG vermittelnder
Nutzungsverhältnisse für entsprechend anwendbar erklärt (wie hier im Ergebnis wohl auch
Plesse, § 20 Rn. 40 f.). U. E. kommt daher ein Fortbestand des Vorkaufsrechts nach § 20
VermG allein bei Eintritt nächster Familienangehöriger in Wohnraummietverhältnisse in
Betracht, nicht jedoch bei anderen Nutzungsverhältnissen wie den hier vorliegenden Pachtbzw.
Nutzungsverträgen über Kleingärten.

Im Ergebnis ist nach hier vertretener Ansicht das Vorkaufsrecht des verstorbenen Nutzers
daher mit seinem Tod erloschen. Jedoch müssen wir darauf hinweisen, dass diese Frage
– soweit ersichtlich – bisher noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung geworden ist und
die Rechtslage daher letztlich als noch nicht vollständig geklärt gelten muss.

4. Ausübung des Vorkaufsrechts durch den verbliebenen vorkaufsberechtigten Pächter
Über den Verweis in § 20 Abs. 8 VermG gilt § 472 S. 2 BGB. Ist das Vorkaufsrecht für einen
der Berechtigten erloschen oder übt einer von ihnen sein Recht nicht aus, so sind nach dieser
Vorschrift die übrigen Berechtigten berechtigt, das Vorkaufsrecht im Ganzen auszuüben.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass wenn – wie hier vertreten – das Vorkaufsrecht
des verstorbenen Nutzers erloschen sein sollte, der verbliebene Pächter das Vorkaufsrecht
für das gesamte Grundstück gleichwohl noch ausüben könnte.

Insofern kann der verbliebene vorkaufsberechtigte Pächter das Vorkaufsrecht nur an dem
gesamten Grundstück und nicht nur an der von ihm genutzten Teilfläche ausüben (vgl.
Plesse, § 20 Rn. 20-22; Kinne, § 20 Rn. 20-22; Kiethe, § 20 Rn. 65). Etwas Anderes würde –
wie anfangs erwähnt – nur dann gelten, wenn es sich um mehrere, vor dem 25.12.1993 eingetragene
Vorkaufsrechte handelte und der Verkäufer das Grundstück teilt.

Gutachten/Abruf-Nr:

185526

Erscheinungsdatum:

01.04.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Miete
Immobilienrechtliches Sonderrecht der neuen Bundesländer

Normen in Titel:

BGB § 563; VermG § 20