16. Juli 2020
InsO § 277; InsO § 270; InsO § 270c

Eigenverwaltung: Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners; Auswirkung auf nicht vorgelegte Eintragungsbewilligung

InsO §§ 270, 270c, 277
Eigenverwaltung: Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners; Auswirkung auf nicht vorgelegte Eintragungsbewilligung

I. Sachverhalt
In einem Kaufvertrag zwischen einer Kommune und einem Bauträger hat sich die Kommune ein Wiederkaufsrecht zur Absicherung einer Bauverpflichtung vorbehalten. Zur Sicherung dieses Wiederkaufsrechts wurde eine Auflassungsvormerkung bewilligt und beantragt. Bei der Eigentumsumschreibung auf den Bauträger hat die Kommune auf die Eintragung dieser Vormerkung zunächst verzichtet und den in der Urkunde gestellten Antrag zurückgenommen.

Nach Eigentumsumschreibung auf den Bauträger ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Insolvenz findet in Eigenverwaltung statt. Die Kommune beantragt nunmehr doch die Eintragung der Vormerkung zur Sicherung des Wiederkaufsrechts.

II. Frage
Ist die Bewilligung des insolventen Bauträgers (in Eigenverwaltung) aus der Kaufvertragsurkunde weiterhin wirksam, sodass die Vormerkung allein infolge des Antrags der Kommune im Grundbuch eingetragen werden kann?

III. Zur Rechtslage
1. Verfügungsbefugnis des Schuldners in der Eigenverwaltung
Das Insolvenzgericht kann im Eröffnungsbeschluss unter den Voraussetzungen des § 270 Abs. 2 InsO die Eigenverwaltung durch den Insolvenzschuldner anordnen (§ 270 Abs. 1 S. 1 InsO). Geschieht dies bereits im Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so wird nach § 270c S. 3 InsO kein Insolvenzvermerk im Grundbuch eingetragen, denn die Anwendbarkeit der §§ 32, 33 InsO ist gerade ausgeschlossen. Regelmäßig behält der Schuldner bei angeordneter Eigenverwaltung seine Verfügungsmacht. Er bleibt nach § 270 Abs. 1 S. 1 InsO grundsätzlich berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Entgegen § 80 Abs. 1 InsO kommt es also nicht zum Insolvenzbeschlag (Foerste, Insolvenzrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 611; in diesem Sinn aus der Rechtsprechung: BGH NZI 2017, 345 Tz. 8 = NJW-RR 2017, 553; BGH NJW 2018, 2125 Tz. 51; s. auch Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl. 2019, § 270 Rn. 35; Uhlenbruck/Zipperer, § 270c Rn. 6).

Demgegenüber wird insbesondere im Schrifttum vielfach ein abweichendes Verständnis zur Verfügungsbefugnis des Schuldners bei Eigenverwaltung vertreten (z. B. MünchKommInsO/Kern, 4. Aufl. 2020, § 270 Rn. 141; Jaeger/Meller-Hannich, InsO, 2019, § 270 Rn. 16), wonach der Schuldner – wie der Insolvenzverwalter – als Amtswalter in eigener Sache tätig werde. Diese (neue) Befugnis sei originär aus der Anordnung des Insolvenzgerichts abzuleiten. Der Schuldner behalte also nicht seine „alte“, vor Verfahrenseröffnung bestehende Verfügungsmacht über sein Vermögen. Nur über diese Konstruktion lasse sich erklären, dass der Schuldner nach Verfahrenseröffnung bestimmte dem Insolvenzverwalter zugewiesene Rechte wahrnehmen und sich z. B. über § 103 InsO aus Vertragsverhältnissen lösen könne (vgl. § 279 S. 1 u. 2 InsO), dass der Schuldner für bestimmte Handlungen das Einvernehmen mit dem Sachwalter oder der Gläubigerversammlung herstellen müsse und dass bestimmte Handlungen des Schuldners wegen Insolvenzzweckwidrigkeit unwirksam seien. Im Sinne dieses Verständnisses lässt sich möglicherweise auch die knappe Formulierung in einem neuen Urteil des BGH (NZI 2019, 236 Tz. 11) deuten: Ordnet das Insolvenzgericht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung an, erlangt aus Sicht des BGH der Schuldner das Recht, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie „gleichsam als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“ zu verfügen.

2. Schicksal der Eintragungsbewilligung
Auch die Befürworter der dem Schuldner durch Anordnung neu verliehenen Verfügungsbefugnis haben bisher nicht weiter erörtert, ob zufolge ihrer Ansicht die vom Insolvenzschuldner vor Insolvenzeröffnung abgegebene Eintragungsbewilligung bzgl. der Vormerkung nur unter den Voraussetzungen des § 878 BGB für den Grundbuchvollzug verwertbar bleibt – weil eben die vormalige Verfügungsmacht des Schuldners erlischt und mit Anordnung der Eigenverwaltung durch eine qualitativ neue ersetzt wird (s. allg. zur anerkannten entsprechenden Anwendung des § 878 BGB auf Vormerkungen nur BGH NZI 2005, 331, 332 = DNotI-Report 2005, 94; NJW 1996, 461, 463; ausf. BeckOGK-BGB/Kesseler, Std.: 1.4.2020, § 878 Rn. 49 f. m. w. N.). Dann wäre, da der Antrag zur Eintragung der Vormerkung beim Grundbuchamt bisher nicht gestellt wurde, aus diesem Grund die bereits vom Bauträger abgegebene Erklärung unverwertbar. Unseres Erachtens scheint angesichts der ausdrücklich angeordneten Nichteintragung eines Insolvenzvermerks bei der Eigenverwaltung (§ 270c S. 3 InsO) zwar die Auffassung von der „Fortdauer der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners“ (so die Formulierung bei BGH NJW 2018, 2125 Tz. 51) eher dem Gesetzessinn zu entsprechen. Lässt sich die Mitwirkung des Bauträgers noch erreichen, könnte es sich jedoch wegen der nicht abschließend geklärten Rechtslage nach dem Grundsatz des sichersten Weges (dazu nur Winkler, BeurkG, 19. Aufl. 2019, § 17 Rn. 210 m. w. N.) empfehlen, dass der – unstreitig verfügungsbefugte – Bauträger nochmals die Bewilligung zur Eintragung der Vormerkung abgibt.

3. Zustimmungsvorbehalt gem. § 277 InsO    
Differenzierter würde sich die Rechtslage im Rahmen der Eigenverwaltung dann darstellen, wenn das Insolvenzgericht angeordnet hätte, dass Verfügungen des Insolvenzschuldners (Bauträgers) bzgl. des mit der Vormerkung zu belastenden Grundbesitzes nur mit Zustimmung des Sachwalters wirksam sind (§ 277 Abs. 1 S. 1 InsO). Bei einer derartigen Fallgestaltung wäre auch – wie sonst im regulären Insolvenzverfahren – ein entsprechender Insolvenzvermerk im Grundbuch einzutragen (§§ 277 Abs. 3 S. 3, 32 InsO). Allerdings wird dem Insolvenzschuldner die Verfügungsbefugnis unabhängig von der Eintragung des Insolvenzvermerks im Grundbuch allein durch den Erlass des Beschlusses über die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit entzogen (s. nur MünchKommInsO/Kern, § 277 Rn. 29). Die nachfolgende Eintragung des Insolvenzvermerks im Grundbuch gem. §§ 277 Abs. 3 S. 3, 32 InsO hat dann lediglich deklaratorische (kundmachende) Bedeutung (vgl. Uhlenbruck/Zipperer, § 32 Rn. 5).

Gutachten/Abruf-Nr:

177316

Erscheinungsdatum:

16.07.2020

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 108-109

Normen in Titel:

InsO § 277; InsO § 270; InsO § 270c