12. August 2022

Genehmigungsfreiheit einer Finanzierungsgrundschuld; zur Frage der Begrenzung des Nominalbetrags der Finanzierungsgrundschuld auf den Kaufpreis

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 188854
letzte Aktualisierung: 12. August 2022

BayKommKredV § 3 Nr. 4
Genehmigungsfreiheit einer Finanzierungsgrundschuld; zur Frage der Begrenzung des
Nominalbetrags der Finanzierungsgrundschuld auf den Kaufpreis

I. Sachverhalt

Eine bayerische Kommune möchte im Rahmen eines Grundstücksverkaufs an einen Investor
diesem auch eine Finanzierungsvollmacht erteilen. Die Finanzierungsvollmacht soll nicht auf die
Höhe des Kaufpreises beschränkt sein, sondern auch die Kosten der Baumaßnahmen mit umfassen.

II. Frage

Gem. der KommKredV in der Fassung vom 1.1.2021 ist nach deren § 3 Nr. 4 grundsätzlich die
Erteilung einer Finanzierungsvollmacht möglich. Über die mögliche Höhe einer solchen Vollmacht
äußert sich die Verordnung nicht. Kann die Finanzierungsvollmacht seitens der Gemeinde
in unbeschränkter Höhe erteilt werden oder zwar in beschränkter Höhe, jedoch über den vereinbarten
Grundstückskaufpreis hinaus (also unter Einschluss der Aufwendungen für das
Bauobjekt)?

III. Zur Rechtslage

1. Bestellung einer Finanzierungsgrundschuld durch Gemeinde
Nach Art. 72 Abs. 3 BayGO bedarf die Gemeinde zur Bestellung von Sicherheiten zugunsten
Dritter der Genehmigung. Genehmigungsbehörde ist gem. Art. 117 Abs. 1 BayGO die
Rechtsaufsichtsbehörde. Geschäfte des bürgerlichen Rechts erlangen nach Art. 117 Abs. 2
BayGO Rechtswirksamkeit erst mit Erteilung der nach diesem Gesetz erforderlichen Genehmigung
(vgl. auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 4079).

Zur Vereinfachung der Abwicklung solcher Rechtsgeschäfte hat das Bayerische Staatsministerium
des Inneren mit Erlass der Verordnung über die Genehmigungsfreiheit von Rechtsgeschäften
des kommunalen Kreditwesens v. 16.8.1995 (GVBl. S. 812), zuletzt geändert
durch Verordnung v. 25.11.2020 (GVBl. S. 703), von der Verordnungsermächtigung des
Art. 72 Abs. 5 BayGO Gebrauch gemacht. Nach § 3 Nr. 4 dieser Verordnung sind
Bürgschaften, Gewährverträge und Verpflichtungen aus verwandten Rechtsgeschäften, die
ein Einstehen für fremde Schuld oder für den Eintritt oder Nichteintritt bestimmter
Umstände zum Gegenstand haben, genehmigungsfrei, wenn im Zusammenhang mit dem
Erwerb oder der Veräußerung eines Grundstücks Grundpfandrechte im Zusammenhang mit
der Kaufpreiszahlung bestellt werden oder wenn ein mit einem Grundpfandrecht belastetes
Grundstück erworben wird; dies gilt auch, wenn Grundpfandrechte in Ausübung einer
Vollmacht bestellt werden, die im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung
eines Grundstücks zur Bestellung von Grundpfandrechten im Zusammenhang mit der
Kaufpreiszahlung erteilt worden ist; dasselbe gilt für die Begründung der persönlichen Schuld
zu einem solchen Grundpfandrecht.

Möglicherweise ist diese kürzlich erfolgte Änderung der Verordnung auf die höchst zweifelhafte
Rechtsansicht des OLG München, Kaufvertrag und Grundschuldbestellung müssten
uno actu erfolgen (BayVBl. 2020, 172 m. Anm. Meier/Schmitt), zurückzuführen (vgl. auch die
Ergänzung in § 4 S. 2 der Verordnung, die ebenfalls die Gestaltung der Grundschuldbestellung
mittels Vollmacht berücksichtigt).

2. Umfang der Genehmigungsfreiheit – Höhe des Grundschuldbetrages
Rechtsprechung und Literatur zu der Frage, ob die Bestellung sog. vorgezogener Finanzierungsgrundpfandrechte
nach § 3 Nr. 4 der Verordnung auch dann genehmigungsfrei ist, wenn
der Betrag der Grundschuld den Kaufpreis übersteigt, konnten wir nicht ausfindig machen.
So heißt es etwa bei Schöner/Stöber (Rn. 4079) lediglich:
„Bewilligt die Gemeinde als Verkäufer eine Grundschuld zur Finanzierung
des Kaufpreises für die Bank des Käufers (s Rdn
3158 ff), so bedarf diese Grundschuld auch der aufsichtlichen Genehmigung,
soweit nicht Freistellungsverordnungen dies ausschließen.

Die Freistellung von der Genehmigungspflicht für die Bestellung
von Finanzierungsgrundschulden setzt in der Regel voraus,
dass die Grundschuld bzw. die Vollmacht zur Bestellung der
Grundschuld bestimmten inhaltlichen Anforderungen genügt: zB
Ausschluss der persönlichen Haftung der Gemeinde und Übernahme
der Kosten durch den Käufer, Einschränkung der Zweckbestimmungsabrede
der Grundschuld, dass die Grundpfandrechte
bis zur Eigentumsumschreibung, mindestens bis zur vollständigen
Kaufpreiszahlung nur zur Sicherung des finanzierten und tatsächlich
an den Verkäufer ausgezahlten Kaufpreises dienen und der
Käufer bei Abschluss des Kaufvertrages seine Ansprüche auf Darlehensauszahlung
an den Verkäufer abtritt und die Gläubiger unwiderruflich
anweist, aus dem Darlehen den Kaufpreis zu zahlen.“

Zur Klärung der unterbreiteten Rechtsfrage muss daher § 3 der Verordnung ausgelegt werden.

a) Nach dem Wortlaut der Bestimmung muss die Bestellung des Grundpfandrechts lediglich
im Zusammenhang mit Erwerb oder Veräußerung eines Grundstücks sowie der
Kaufpreiszahlung erfolgen. Im Zusammenhang mit der Kaufpreiszahlung ist ein Grundpfandrecht
auch dann bestellt, wenn es der Höhe nach nicht nur den Kaufpreis selbst,
sondern auch weitere Aufwendungen absichert. Der Grundschuldbetrag wird jedenfalls
nicht ausdrücklich auf den Kaufpreis beschränkt. Allerdings ist man angesichts der kaum
nachvollziehbaren (Wortlaut-)Argumentation des OLG München (FGPrax 2019, 256,
257) zur Notwendigkeit einer uno-actu-Beurkundung von Kaufvertrag und GrundSeite
schuldbestellung nicht davor gefeit, dass diese Lesart des Gesetzes von einem zur Entscheidung
berufenen Gericht anders beurteilt wird. Eine solche Lesart ginge dahin, dass
unter „Kaufpreis“ ausschließlich der Grundstückskaufpreis zu verstehen sein soll.

b) Ein solches Gesetzesverständnis wäre jedoch reduktionistisch. Art. 72 BayGO will nach
seinem Sinn und Zweck verhindern, dass die Gemeinde zulasten ihrer Bürger Risiken
durch die Bestellung von Sicherheiten zugunsten Dritter für fremde Interessen übernimmt
(vgl. Gutachten DNotI-Report 1995, 176, 177 zur Parallelnorm in der sächsischen
GO). Die Verordnung hebt die Genehmigungsbedürftigkeit teilweise auf, um die wirtschaftliche
Bewegungsfreiheit der Gemeinden zu erweitern. Dabei können nach Art. 72
Abs. 5 Nr. 2 BayGO Rechtsgeschäfte von der Genehmigung freigestellt werden, die für
die Gemeinde keine besondere Belastung bedeuten. Eine besondere Belastung der Gemeinde
wird jedoch - zumindest weitgehend - verhindert, wenn vertragliche Abreden
sicherstellen, dass eine Verpflichtung der Gemeinde über den erhaltenen Kaufpreis hinaus
ausgeschlossen wird. Die Gemeinde ist durch die Grundschuldbestellung über Kaufpreis
und Baukosten nicht stärker gefährdet als bei einer Belastung nur in Höhe des Kaufpreises;
denn nach standardisierter Vorgehensweise (Beschränkung der Sicherungsabrede)
erfolgt zunächst nur eine Valutierung zur Kaufpreisfinanzierung und erst nach dessen
Begleichung eine Valutierung für die Bau- und Erwerbsnebenkosten (vgl. nur Grziwotz,
BayVBl 2014, 561 mit zahlreichen Nachweisen). Somit greifen zur Sicherheit der
Gemeinde bei einer standardisierten Sicherungsabrede Sicherungsmechanismen ein, die
ihr denselben Schutz unabhängig davon verschaffen, in welcher Höhe eine Belastung
erfolgt.

Im Ergebnis erachten wir daher eine Grundschuldbestellung auch über den Betrag des
Kaufpreises hinaus für zulässig (so im Ergebnis auch Eckert, KommJur 2005, 454, 456;
Grziwotz, BayVBl 2014, 561; Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 6. Aufl. 2022,
Teil 6 Rn. 153-154; Sürth, notar 2014, 302, 305 zum Recht in Nordrhein-Westfalen). Ob
der Grundschuldbetrag dann auf den Kaufpreis zuzüglich der Kosten für geplante
Baumaßnahmen beschränkt wird oder eine Grundschuldbestellung in unbeschränkter
Höhe erfolgt, dürfte vor diesem Hintergrund keinen Unterschied machen, denn die
Absicherung der Gemeinde durch die Ausgestaltung der Sicherungsabrede greift in
jedem Fall unabhängig von der Höhe des Nominalbetrags der Grundschuld (so auch
explizit Sürth, notar 2014, 302, 304 f.).

Allerdings gilt es darauf hinzuweisen, dass das Bayerische Staatsministerium des Innern
als Verordnungsgeber wohl selbst davon ausgeht, dass Kaufpreis i. S. d. Verordnung nur
der Grundstückskaufpreis ist (Schreiben des BayMI vom 6.10.1997, Az.: I B 4 -1513.2-12,
zitiert nach: Grziwotz, BayVBl 2014, 561). Zwar leitet Grziwotz (BayVBl 2014, 561) aus
der Entscheidung des OLG München (MittBayNot 2012, 248) ab, dass gerichtlicherseits
§ 3 Nr. 4 der Verordnung über die Genehmigungsfreiheit von Rechtsgeschäften des
kommunalen Kreditwesens auch auf eine einheitliche Grundschuld, die zur Finanzierung
des Kaufpreises und eines etwaigen Bauvorhabens in den Kaufpreis übersteigender Höhe
bestellt wird, anzuwenden ist. Dies ergibt sich jedoch implizit aus der Entscheidung und
wird nicht explizit vom OLG München formuliert.

3. Ergebnis:

Nach unserem Dafürhalten unterfällt eine Finanzierungsgrundschuld, deren Nominalbetrag
den für das Grundstück geschuldeten Kaufpreis übersteigt, nach dem Sinn und Zweck der
Genehmigungsfreistellung des § 3 Nr. 4 der Verordnung über die Genehmigungsfreiheit von
Rechtsgeschäften des kommunalen Kreditwesens, wenn die Gemeinde als Sicherungsgeber
durch eine Einschränkung der Sicherungsabrede zulasten der finanzierenden Bank geschützt
ist. Mit Blick auf fehlende Rechtsprechung und die höchst zweifelhafte Wortlautargumentation
des OLG München ist jedoch nicht sicher, ob ein zur Entscheidung
berufenes Gericht nicht vollkommen formal am Begriff des Kaufpreises festhält, ohne die
Genehmigungsfreistellungsfunktion der Verordnung hinreichend in den Blick zu nehmen.

Gutachten/Abruf-Nr:

188854

Erscheinungsdatum:

12.08.2022

Rechtsbezug

National