14. August 2020
BeurkG § 40; BGB § 129; GBO § 29

Großbritannien: Keine Gleichwertigkeit einer im Ausland vorgenommenen Fernbeglaubigung per Video-Verfahren

GBO § 29; BeurkG § 40; BGB § 129
Großbritannien: Keine Gleichwertigkeit einer im Ausland vorgenommenen Fernbeglaubigung per Video-Verfahren

I. Sachverhalt
Im Wege eines Kaufvertrages wurde ein Wohnungseigentum veräußert. Zur Rechtswirksamkeit bedarf es der Zustimmung der Miteigentümer. Ein Verwalter wurde nicht bestellt. Ein Miteigentümer wohnt in Großbritannien. Seine Zustimmung wurde durch einen britischen „notary public“ beglaubigt und mit Apostille versehen. Der Beglaubigungsvermerk lässt erkennen, dass die Unterschrift in nur virtueller Anwesenheit des Notars („by videoconference“) vollzogen wurde. Eine weitergehende Identifizierung, bspw. mittels Auslesung eines elektronischen Personalausweises o. ä., erfolgte nicht.

II. Frage
Handelt es sich bei einer so beschriebenen Urkunde um einen im Grundbuchverkehr tauglichen Zustimmungsnachweis?

III. Zur Rechtslage
1. Ausgangspunkt: Maßgeblichkeit des britischen Beglaubigungsverfahrens
Gem. § 29 Abs. 1 S. 1GBO ist eine Eintragung in das Grundbuch nur dann vorzunehmen, wenn die zur Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Öffentliche Beglaubigung ist dabei gem. § 129 Abs. 1 BGB die schriftliche Abfassung der Erklärung und die Beglaubigung der Unterschrift durch den Notar. Die Beglaubigung begründet den vollen Beweis, dass die im Vermerk bezeichnete Person die Unterschrift vor dem Notar geleistet oder anerkannt hat, also die Echtheit der Unterschrift (vgl. insoweit Meikel/Hertel, GBO, 11. Aufl. 2015, § 29 Rn. 452).

Insoweit ist allgemein anerkannt, dass die Beglaubigung nicht zwingend durch eine deutsche Urkundsperson erfolgen muss, sondern auch die Beglaubigung durch eine ausländische Urkundsperson möglich ist (statt aller OLG Zweibrücken MittBayNot 1999, 480; Meikel/Hertel, Einl. G Rn. 290), sofern hierdurch eine öffentliche Urkunde entsteht, die einer deutschen Unterschriftsbeglaubigung gleichwertig ist (OLG Zweibrücken MittBayNot 1999, 480; Meikel/Hertel, Einl. G Rn. 290). Auf welche Weise die öffentliche Beglaubigung vorgenommen wird, ist aber zunächst eine Frage des für die jeweilige Urkundsperson geltenden Verfahrensrechts (Meikel/Hertel, § 29 Rn. 290, 452; Schaub, in: Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl. 2018, AT K Rn. 596).

Insoweit gilt daher für einen britischen notary public das Beurkundungsrecht Großbritanniens. Dieses gilt insbesondere dafür, welche Person zur Beurkundung bzw. Beglaubigung berufen ist und in welcher Weise die Feststellung der Identität der Person erfolgen muss. Insoweit geht die uns vorliegende Sekundärliteratur davon aus, dass die sog. Fernbeglaubigung jedenfalls nach dem englischen notariellen Berufsrecht möglich ist (vgl. nur Langhein, NZG 2001, 1123, 1126 m. w. N.). Daher gehen wir im Folgenden von der Zulässigkeit der Beglaubigung nach britischem Recht aus, zumal nach dem Urteil des OLG Zweibrücken (MittBayNot 1999, 480 ff.) das Grundbuchamt bei der Beurteilung von ausländischen öffentlichen Beglaubigungen von dem Erfahrungssatz auszugehen hat, dass ein ausländischer Notar die für ihn maßgeblichen Verfahrensvorschriften beachtet hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Echtheit der Urkunde mittels Apostille (oder Legalisation) nachgewiesen ist (Meikel/Hertel, § 29 Rn. 370). Nur wenn „gewichtige Gründe“ für die Annahme sprechen, dass eine vorgelegte ausländische Urkunde (verfahrens-)fehlerhaft oder kompetenzwidrig aufgenommen wurde, ist das Grundbuchamt berechtigt, eine entsprechende Bestätigung zu verlangen.

2. Keine Gleichwertigkeit der Fernbeglaubigung für Zwecke des deutschen Grund­buchverfahrens (§ 29 GBO)
Fraglich ist allerdings, ob eine derartige Beglaubigung eine „öffentliche Urkunde“ i. S. v. § 29 GBO darstellt. Hierzu ist – neben dem Nachweis der Echtheit der ausländischen Urkunde, der in der Regel mittels Legalisation (§ 438 Abs. 2 ZPO) oder (wie etwa bei britischen notariellen Urkunden) Apostille erbracht wird – erforderlich, dass die ausländische Beglaubigung einer deutschen Beglaubigung gleichwertig ist (Meikel/Hertel, Einl. G Rn. 375 ff.; Schaub, AT K Rn. 600). Insoweit ließe sich wie folgt differenzieren:

a) Beglaubigungsvermerk bestätigt nur die Übereinstimmung der Unterschrift
Beschränkt sich der Beglaubigungsvermerk des notary public darauf, die Übereinstimmung der Unterschrift unter der Zustimmung mit einer ihm etwa aus einer früheren Beurkundung (oder Beglaubigung) vorliegenden Unterschrift festzustellen, so wäre aus deut­scher Sicht schon zweifelhaft, ob damit überhaupt die Echtheit der Unterschrift nachgewiesen ist. Die Gleichheit des Namens­zuges kann nämlich allenfalls ein Indiz dafür sein, dass beide Unterschriften von derselben Person geleistet worden sind. Eine Feststellung der Echtheit der Unterschrift wäre in diesem Fall nicht einmal vom „Tenor“ des Beglaubigungsvermerks erfasst. Eine Beglaubigung i. S. v. § 129 BGB, § 29 Abs. 1 S. 1 GBO läge damit u. E. nach nicht vor.

b) Bestätigung der Echtheit der Unterschrift auf Grund Unterschriftenvergleichs
Schwieriger ist die Situation zu beurteilen, wenn der notary public ausdrücklich die Echtheit der Unterschrift bestätigt hat und nur in einem Zusatz erwähnt hat, dass er diese Echt­heit ausschließlich aufgrund eines Unterschriftenvergleichs festgestellt hat. In diesem Fall hat der Notar nicht nur die Gleichheit, sondern auch die Echtheit bestätigt. Vom Tenor her läge dann eine Beglaubigung i. S. v. § 129 BGB, § 29 Abs. 1 S. 1 GBO vor.

Bei einer derartigen Abweichung des ausländischen Beglaubigungsverfahrens von wesentlichen Grundsätzen des deutschen Beglaubigungsverfahrens könnte aber die ausländische Beglaubigung nach unserer Ansicht das deutsche Beglaubigungserfordernis nicht substituieren (ebenso Staudinger/Hertel, BGB, 2017, § 129 Rn. 158; Meikel/Hertel, § 29 Rn. 378). Hierfür spricht insbe­sondere, dass § 40 Abs. 1 BeurkG das Vollziehen oder die Anerkennung der Unterschrift verlangt und einen bloßen Unterschriftenvergleich nicht zulässt (Staudin­ger/Hertel, § 129 Rn. 69; OLG Köln RNotZ 2009, 240, 242; Meikel/Hertel, § 29 Rn. 447).

c) Anerkennung der Unterschrift nicht in Anwesenheit des Notars (mittels Vi­deoschaltung)
Schließlich ist noch der – hier vorliegende – Fall zu betrachten, in dem die Beglaubigung der Unterschrift erfolgt ist (ggf. in Kombination mit einem Unterschriftenvergleich), nachdem der (angebliche) Aussteller zuvor gegenüber dem notary public mittels Videoschaltung (oder auf andere Weise fernmündlich) bestätigt („anerkannt“) hat, dass es sich hierbei um eine von ihm stammende Unterschrift handelte. Es würde dann also eine sog. Fernbeglaubigung vorliegen.

Die h. M. (Staudinger/Hertel, § 129 Rn. 158; Meikel/Hertel, § 29 Rn. 378; Schäuble, § 7 Rn. 51) hält eine solche Vorgehensweise zu Recht nicht mit dem deutschen Recht gleichwertig, weil § 40 Abs. 1 BeurkG die Beglaubigung nur zulässt, wenn die Unterschrift in Gegenwart des Notars vollzogen oder anerkannt wird (großzügiger aber BeckOGK-BGB/Cziupka, Std.: 1.5.2020, § 129 Rn. 30). Erforderlich ist also, dass der Notar den Vollzug oder das Anerkenntnis der Unterschrift durch den Beteilig­ten unmittelbar wahrnimmt. Unzulässig ist damit nach deutschem Recht jede Form der Fernbeglaubigung, beispielsweise ein schriftliches oder telefonisches Anerkenntnis, ein Anerkenntnis durch einen Vertreter oder mittels eines Videomediums (BeckOGK-BeurkG/Theilig, Std.: 1.4.2020, § 40 Rn. 24; Limmer, in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 4. Aufl. 2016, § 40 BeurkG Rn. 10 f.; BeckOGK-BGB/Cziupka, § 129 Rn. 15). Denn die bloß durch technische Hilfsmittel hergestellte „Gegenwart“ – sei sie visuell mittels Videoschalte oder akustisch mittels Telefon – bietet gerade nicht die gleiche täuschungs- und damit rechtssichere Grundlage für eine Identifizierung des Beteiligten, wie dessen räumliche Gegenwart (Preuß, in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, 8. Aufl. 2020, § 40 Rn. 20; Limmer, § 40 BeurkG Rn. 10 f.). Die sichere Identifizierung der die Unterschrift leistenden Person durch körperliches Erscheinen vor dem Notar stellt aber gerade den Wesenskern der Beglaubigung dar (ähnlich OLG Köln RNotZ 2009, 240, 242). Denn die öffentliche Beglaubigung nach § 40 BeurkG ist nichts anderes als die öffentliche Beurkundung der Tatsache, dass die Unterschrift von einer bestimmten Person herrührt, §§ 40 Abs. 4 i. V. m. 10 Abs. 1 BeurkG (BGH NJW 1962, 1149, 1150; OLG Karlsruhe FGPrax 2003, 41, 41; Limmer, § 40 BeurkG Rn. 2; Winkler, BeurkG, 19. Aufl. 2019, § 40 Rn. 2), und dass der Aussteller persönlich seine Unterschrift o­der sein Handzeichen vor der Urkundsperson vollzogen oder anerkannt hat (OLG Karlsruhe FGPrax 2003, 41, 41; Limmer, § 40 BeurkG Rn. 2; Winkler, § 40 Rn. 2). Damit spielt es für den Fall der Fernbeglaubigung auch keine Rolle, dass an die Gleichwertigkeit der ausländischen Beglaubigung in der Regel relativ geringe An­forderungen zu stellen sind (Schaub, AT K Rn. 600).

Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass eine derartige Fernbeglaubigung nach deutschem Recht zwar („nur“) amtspflichtwidrig und ggf. sogar strafbar wäre (BGH DNotZ 1977, 762; BGH DNotZ 1988, 259; BGH DNotZ 1969, 178; BGH DNotZ 1969, 178; BGHSt 22, 32; OLG Frankfurt DNotZ 1986, 421 = NStZ 1986, 121; OLG Köln DNotZ 1977, 763; OLG Stuttgart DNotZ 1950, 166; RG HRR 1934, Nr. 1242), sie aber der Wirksamkeit der Beglaubigung nicht im Wege stünde (Staudinger/Hertel, § 129 Rn. 69; Winkler, § 40 Rn. 86; BeckOGK-BeurkG/Theilig, § 40 Rn. 22), und das Grundbuchamt – trotz Minderung des Beweiswerts der Urkunde (Staudinger/Hertel, § 129 Rn. 69) – wohl nur bei konkreten Zweifeln daran, dass die in der Urkunde getroffene Identitätsfeststellung falsch ist, zur Zurückweisung der Urkunde berechtigt ist (OLG Celle DNotZ 2006, 297 zum Beweiswert der notariellen Urkunde bei ungenügendem Identitätsnachweis; dazu auch Meikel/Hertel, § 29 Rn. 453).

Denn das Erfordernis der Gleichwertigkeit, das Voraussetzung dafür ist, dass eine im Ausland vorgenommene Beglaubigung auch im Rahmen des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO Anerkennung finden kann, bezieht sich auf ein nach deutschem Recht – jedenfalls im Wesentlichen – korrekt durchgeführtes Beglaubigungsverfahren i. S. v. § 40 BeurkG. Es bezieht sich dagegen gerade nicht bloß auf die Rechtsfolge einer amtspflichtwidrigen inländischen Beglaubigung, die – im Falle des erfolgten Verstoßes gegen den Grundsatz der Gegenwärtigkeit gem. § 40 Abs. 1 BeurkG – im Sinne der Sicherheit des Rechtsverkehrs die grundsätzliche Wirksamkeit der öffentlich beglaubigten Urkunde erhalten will. Es bleibt dabei, dass die Vorgabe aus § 40 Abs. 1 BeurkG, dass der Notar die Unterschrift nur beglaubigen „soll“, wenn sie in seiner Gegenwart vollzogen oder anerkannt wurde, eine unbedingte – und in Verbindung mit der Identitätsfeststellung eine im Rahmen des § 40 BeurkG wesentliche – Amtspflicht des Notars ist (BeckOGK BeurkG/Theilig, § 40 Rn. 22). Diese zentrale Regelvorgabe des Gesetzgebers würde ausgehöhlt, wäre die im Ausland vorgenommene – und nach ausländischem Recht zulässige – Fernbeglaubigung der deutschen Beglaubigung als gleichwertig zu betrachten.

Das Grundbuchamt kann daher vorliegend die nach ausländischem Recht verfahrensmäßig vorgenommene Unterschriftsbeglaubigung als nicht den deutschen Formerforder­nissen des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO entsprechend zurückweisen (Staudinger/Hertel, § 129 Rn. 158).

3. Ergebnis
Unabhängig davon, ob eine sog. Fernbeglaubigung nach ausländischem Recht (verfahrens )rechtlich zulässig ist, ist eine derartige Beglaubigung derjenigen des deutschen Rechts nicht gleichwertig, weil sie gegen die wesentlichen Grundsätze des § 40 BeurkG verstößt. Das Grundbuchamt kann daher eine solche Unterschriftsbeglaubigung als nicht den deutschen Formerfordernissen des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO entsprechend zurückweisen.

Gutachten/Abruf-Nr:

178521

Erscheinungsdatum:

14.08.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 121-123

Normen in Titel:

BeurkG § 40; BGB § 129; GBO § 29