15. Dezember 2020
BGB § 2289

Erbvertrag; abweichendes späteres Testament; Ausschlagung der vertragsmäßigen Erbeinsetzung

BGB § 2289
Erbvertrag; abweichendes späteres Testament; Ausschlagung der vertragsmäßigen Erbeinsetzung

I. Sachverhalt
Der Erblasser E hat zunächst einen Erbvertrag errichtet, in dem er die T (die Tochter der zum Zeitpunkt des Todes des E bereits vorverstorbenen Ehefrau) zur Alleinerbin eingesetzt hat. Eine ausdrückliche Anordnung einer Ersatzerbfolge hat E in dem Erbvertrag nicht vorgenommen.

In einem späteren eigenhändigen Testament hat E seine Lebensgefährtin F zu seiner Alleinerbin bestimmt.

T hat die Erbschaft nach dem E wirksam durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht ausgeschlagen. F will nun einen Erbschein beantragen, der sie als Alleinerbin ausweist.

II. Frage
Unterstellt, T habe keine Abkömmlinge: Ist die Erbeinsetzung der F im späteren Testament gem. § 2289 BGB unwirksam, oder steht der Erbvertrag dem Testament nicht mehr entgegen, da infolge der Ausschlagung der einzigen Vertragserbin diese durch das spätere Testament nicht mehr beeinträchtigt ist?

III. Zur Rechtslage
1. Erbvertrag und Bindung
Der Abschluss eines Erbvertrages bewirkt, dass der Erblasser mit Vertragsabschluss an die hierin von ihm getroffenen vertragsmäßigen Verfügungen i. S. v. § 2278 BGB erbrechtlich gebunden ist. Dies betrifft im vorliegenden Fall die Erbeinsetzung der Tochter der vorver­storbenen Ehefrau (T).

2. Wirkung auf spätere Verfügungen von Todes wegen
Die erbrechtliche Bindung wirkt sich dahingehend aus, dass eine neue letztwillige Verfügung, die der Erblasser nach Abschluss des Erbvertrages errichtet, gem. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam ist, soweit hierdurch das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung des Rechts des Bedachten liegt nach h. M. vor, wenn die anderweitige Verfügung die vertragsmäßige Zuwendung mindern, beschränken, belasten oder gegenstandslos machen würde (vgl. OLG Hamm OLGZ 74, 378; Palandt/Weidlich, BGB, 80. Aufl. 2021, § 2289 Rn. 2). Eine Beeinträchtigung liegt beispielsweise in der Auswechslung des Vertragserben, in der nachträglichen Einsetzung von Miterben, in der Zurückstufung des Vertragserben zum Vorerben oder Nacherben oder in seiner späteren Beschwerung mit Vermächtnissen oder Auflagen (vgl. BeckOGK-BGB/Müller-Engels, Std.: 1.10.2020, § 2289 Rn. 54 ff.).

Dabei kommt es für die Frage der Beeinträchtigung auf den Zeitpunkt des Erbfalls, nicht auf den der Errichtung der Verfügung an (vgl. BeckOGK-BGB/Müller-Engels, § 2289 Rn. 43). Daraus folgt, dass eine spätere Verfügung wirksam werden kann, wenn die vorrangige, erbrechtlich bindende Verfügung bis zum Eintritt des Erbfalls unwirksam oder gegenstandslos geworden ist (BeckOGK-BGB/Müller-Engels, § 2289 Rn. 43).

Um also eine Bindungswirkung zu entfalten und späteren Verfügungen von Todes wegen in ihrer Wirksamkeit entgegenzustehen, muss der Erbvertrag zum Zeitpunkt des Erbfalls noch wirksam sein (vgl. auch Burandt, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, § 2289 BGB Rn. 12). Insoweit führen beispielsweise J. Mayer/Röhl (in: Reimann/Bengel/Dietz, Testament und Erbvertrag, 7. Aufl. 2020, § 2289 Rn. 27) Folgendes aus:

„Die spätere Verfügung von Todes wegen ist also trotz der Kollision mit dem Erbvertrag wirksam, wenn dieser oder die in Frage stehende vertragsmäßige frühere Verfügung nichtig oder erfolg­reich angefochten ist, wenn sie durch Aufhebung oder Rücktritt beseitigt oder wenn sie wegen Vorablebens des Bedachten, Ausschlagung, Erbverzichts oder Erbunwürdigkeit oder Eingreifens einer Verwirkungsklausel gegenstandslos ist, ohne dass eine Ersatzberufung oder Anwachsung eingreift.“

3. Ergebnis
Da im vorliegenden Fall keine Ersatzberufung oder Anwachsung eingreift, ist die vertragsmäßige Erbeinsetzung der T infolge ihrer wirksamen Ausschlagung, die gem. § 1953 Abs. 2 BGB auf den Erbfall zurückwirkt, gegenstandslos geworden und entfaltet keine Bindungswirkung mehr. Das später zugunsten der Lebensgefährtin F errichtete Testament hat damit nachträglich Wirksamkeit erlangt.

Gutachten/Abruf-Nr:

175914

Erscheinungsdatum:

15.12.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbvertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 188-189

Normen in Titel:

BGB § 2289