07. November 2019
BGB § 311b Abs. 1

Beurkundungspflicht bei noch nicht feststehendem Inhalt eines Bauvertrages

BGB § 311b Abs. 1 S. 1
Beurkundungspflicht bei noch nicht feststehendem Inhalt eines Bauvertrages

I. Sachverhalt
Ein gewerblicher Bauunternehmer hat ein Grundstück in einem Wochenendgebiet bzw. Gebiet mit stark beschränkendem Bebauungsplan erworben, um es mit Einfamilienhäusern zu bebauen und diese zu veräußern. Bis zuletzt wurde in diesem Gebiet – aufgrund Ausnahmevorschriften in zulässiger Weise – abweichend von der Festsetzung und deutlich großzügiger als im Bebauungsplan angegeben gebaut. Der Bauträger plant nun, das Grundstück zu verkaufen. Wegen der unklaren Genehmigungssituation kann der Umfang der späteren Herstellungsverpflichtung im Bauvertrag derzeit noch nicht abgesehen werden, weshalb ein reiner Grundstückskaufvertrag angedacht ist. Der Kaufvertrag soll vor Einholung einer Baugenehmigung und vor Abschluss der Planung beurkundet werden.

II. Frage
Kann in diesem Fall ein reiner Kaufvertrag über das Grundstück ohne Bauverpflichtung geschlossen werden, wenn die Beteiligten keine Verpflichtung zu einer späteren Beauftragung des Bauträgers eingehen wollen, auch wenn es nach Vertragsabschluss dazu kommen sollte?

III. Zur Rechtslage
1. Reichweite des Beurkundungserfordernisses bei noch offenem Inhalt des abzuschließenden Vertrages
a) Beurkundungserfordernis bei zusammengesetzten Verträgen: Grundsätze der Rechtsprechung
Nach § 311b Abs. 1 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich ein Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. Nach ständiger Rechtsprechung erstreckt sich das Beurkundungserfordernis des § 311b Abs. 1 BGB auch auf für sich allein nicht beurkundungsbedürftige Vereinbarungen, „wenn sie dem Willen der Parteien gemäß derart voneinander abhängen, dass sie miteinander stehen und fallen sollen“ (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 1980, 829, 830; NJW 1987, 1069; DNotZ 1989, 501, 502). Ist sowohl das Grundstücksgeschäft von dem anderen Rechtsgeschäft abhängig als auch dieses von jenem (wechselseitige Abhängigkeit), unterfallen beide Rechtsgeschäfte dem Formerfordernis gem. § 311b Abs. 1 BGB.

Die (relativ) neuere Rechtsprechung zur sog. einseitigen Abhängigkeit hat die Anforderungen konkretisiert, die an den Verknüpfungswillen zu stellen sind, der zur Beurkundungsbedürftigkeit von an sich formfreien Abreden führt (vgl. BGH DNotZ 2003, 632; BGH NJW 2002, 2559; BGH NJW 2001, 226; BGH NJW 2000, 951):

- Hängt der Bestand des Grundstücksgeschäfts vom an sich nicht beurkundungsbedürftigen Geschäft ab, so müssen beide Geschäfte beurkundet werden.

- Ist das Grundstücksgeschäft vom – isoliert betrachtet – nicht beurkundungsbedürftigen Geschäft unabhängig, wobei umgekehrt der Bestand dieses anderen Geschäfts vom Grundstücksgeschäft abhängig ist, so gilt das Beurkundungserfordernis nur für das Grundstücksgeschäft. Das andere Geschäft ist demgegenüber nicht beurkundungsbedürftig (BGH NJW 2002, 2559; BGH NJW 2000, 951; a. A. Kanzleiter, der auch das andere Geschäft für beurkundungsbedürftig hält, wenn es – jedenfalls von einem Vertragsteil, dem anderen erkennbar – mit Rücksicht auf das in Aussicht gestellte Grundstücksgeschäft geschlossen wird, MünchKommBGB/Kanzleiter, 7. Aufl. 2016, § 311b Rn. 54; wie die h. M. insoweit aber nunmehr MünchKommBGB/Ruhwinkel, 8. Aufl. 2019, § 311b Rn. 58 ff.).

Diese durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geformten Grundsätze wurden in BGHZ 186, 345 (= DNotZ 2011, 196) bestätigt und fortgeführt (vgl. zu diesen Grundsätzen allgemein nur Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 311b Rn. 32). Der erste Leitsatz dieser Entscheidung lautet:

„Ein Bauvertrag ist gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB beurkundungsbedürftig, wenn er mit einem Vertrag über den Erwerb eines Grundstücks eine rechtliche Einheit bildet. Eine solche besteht, wenn die Vertragsparteien den Willen haben, beide Verträge in der Weise miteinander zu verknüpfen, dass sie miteinander stehen und fallen sollen. Sind die Verträge nicht wechselseitig voneinander abhängig, ist der Bauvertrag nur dann beurkundungsbebürftig, wenn das Grundstücksgeschäft von ihm abhängt (…).“

Die Frage, ob ein zur Beurkundungsbedürftigkeit der übrigen Abreden führender Verknüpfungswille vorliegt, ist – wie der BGH in st. Rspr. betont – Tatfrage, hängt also von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH NJW 1981, 274, 275; vgl. auch Staudinger/Schumacher, BGB, 2018, § 311b Abs. 1 Rn. 176; Seeger, MittBayNot 2003, 11, 18). Indizien für den Willen zur Einheitlichkeit können die wirtschaftliche Zwecksetzung, der Abschluss aller Verträge in einer Urkunde sowie bei fehlender Personenidentität die gegenseitigen Einflussmöglichkeiten der einzelnen Beteiligten sein (MünchKommBGB/Ruhwinkel, 8. Aufl. 2019, § 311b Rn. 54; Erman/Grziwotz, BGB, 15. Aufl. 2017, § 311b Rn. 51).

Entscheidend kommt es hierbei darauf an, dass zwischen den beiden Verträgen ein rechtlicher Zusammenhang besteht. Liegt ein solcher rechtlicher Zusammenhang vor, ist auch das andere, an sich nicht beurkundungsbedürftige Rechtsgeschäft zu beurkunden. Beispiel für einen solchen rechtlichen Zusammenhang ist etwa die Verknüpfung mittels Bedingung oder Rücktrittsklausel (LG Ellwangen BWNotZ 1986, 148; Staudinger/Schumacher, § 311b Abs. 1 Rn. 176; zur Verknüpfung mittels Bedingung jüngst OLG Köln RNotZ 2019, 459). Ein rein tatsächlicher Zusammenhang genügt nicht, ebensowenig ein bloßer wirtschaftlicher Zusammenhang genügt (BGH NJW-RR 1991, 1031 ff.; OLG Hamm DNotZ 1996, 1048 ff.; Staudinger/Schumacher, § 311b Abs. 1 Rn. 177; BeckOK BGB/Gehrlein, Std.: 1.8.2019, § 311b Rn. 25; Soergel/J. Mayer, BGB, 13. Aufl. 2014, § 311b Rn. 127 ff.; ähnlich MünchKommBGB/Ruhwinkel, § 311b Rn. 59 Fn. 224; jurisPK-BGB/Ludwig, 8. Aufl. 2017, § 311b Abs. 1 Rn. 234). Allerdings wird ein wirtschaftlicher Zusammenhang in der Regel ein starkes Indiz für einen rechtlichen Zusammenhang sein, da wirtschaftliches Ziel und Verknüpfungswille in der Regel identisch sein werden (Staudinger/Schumacher, § 311b Abs. 1 Rn. 177; jurisPK-BGB/Ludwig, § 311b Abs. 1 Rn. 234).

Die Abhängigkeit muss nicht für alle Vertragsparteien in gleicher Weise gegeben sein; es genügt vielmehr, wenn ein Beteiligter erkennbar von der Abhängigkeit der beurkundungsbedürftigen Abrede von der anderen Vereinbarung ausgeht und der andere Vertragsteil dies erkennt und billigt oder zumindest ohne Widerspruch hinnimmt (BGH NJW 1987, 1069 m. w. N. – dort als st. Rspr. bezeichnet).

Irrelevant ist ferner auch der zeitliche Zusammenhang der verschiedenen Rechtsgeschäfte, da ausschließlich auf den Parteiwillen abzustellen ist (BGH NJW 2002, 2559, 2560; Staudinger/Schumacher, § 311b Abs. 1 Rn. 175). Wird also der an sich formfreie Vertrag zeitlich früher geschlossen als der Grundstückskaufvertrag, so schließt dies einen – im Zeitpunkt des Abschlusses des an sich formfreien Vertrages – bereits vorhandenen Verknüpfungswillen i. S. einer einseitigen Abhängigkeit des noch nicht beurkundeten Grundstückskaufvertrages von diesem nicht von vorneherein aus; auch die Erfüllung des formunwirksamen Teilgeschäfts ändert daran nichts, denn gem. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB heilt nur die Erfüllung durch Vollzug der Auflassung.

In diesem Sinne hat der BGH (NJW-RR 2009, 953, 954) ausdrücklich nochmals ausgeführt:

„[14] 2. Eine rechtliche Einheit eines Vertrags mit einem Grundstücksgeschäft besteht allerdings nicht bereits dann, wenn dieser Vertrag von dem Grundstückskaufvertrag abhängig ist, sondern nur, wenn umgekehrt das Grundstücksgeschäft nach dem Willen der Parteien von dem weiteren Vertrag abhängig ist (BGH, NJW 2000, 951 = DNotZ 2000, 635; NJW 2002, 2559 = NZBau 2002, 502 = BauR 2002, 1541 = DNotZ 2002, 944 = ZfBR 2002, 777). Denn erst bei einer Abhängigkeit des Grundstücksgeschäfts von dem weiteren Vertrag besteht Anlass, zur Wahrung der Funktionen des § 311b BGB (Warn- und Schutzfunktion, Gewährsfunktion für richtige, vollständige und rechtswirksame Wiedergabe des Parteiwillens, Beweisfunktion) das Formgebot auf den weiteren Vertrag auszudehnen. An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn zunächst der weitere Vertrag und alsdann der Grundstücksvertrag geschlossen wird. Die Frage der Formbedürftigkeit ist von der zeitlichen Abfolge der Verträge nicht abhängig (vgl. BGH, NJW 2002, 2559 = NZBau 2002, 502 = BauR 2002, 1541 = DNotZ 2002, 944 = ZfBR 2002, 777).“

b) Anwendung auf den konkreten Sachverhalt
Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob es sich bei dem noch nicht näher spezifizierten Bauvertrag und dem Grundstückskaufvertrag um voneinander abhängige Rechtsgeschäfte handelt, sodass das Beurkundungserfordernis des § 311b BGB auch auf den Bauvertrag erstreckt wird.

Im konkreten Fall handelt es sich bei dem Veräußerer um einen gewerblichen Bauunternehmer, der die betreffenden Grundstücke zwecks Bebauung und Weiterveräußerung als Bauträger erworben hat. Die Beschränkung auf den Abschluss eines reinen Kaufvertrages soll nur deshalb erfolgen, weil eine Spezifizierung der bauvertraglichen Herstellungspflicht wegen der unsicheren baurechtlichen Genehmigungssituation derzeit noch nicht möglich ist. Grundsätzlich wird eine Bebauung durch den Veräußerer aber (wohl) nach Vorstellung beider Vertragsparteien angestrebt, wenn die vorgenannten Unsicherheiten beseitigt sind.

Insoweit bestehen zwar im Hinblick auf die „Vorgeschichte“ des Vertragsschlusses und die daraus erkennbare wirtschaftliche Zielsetzung der Beteiligten gewisse Indizien dafür, dass ein grundsätzlicher Verknüpfungswille, was das „Ob“ des Abschlusses eines Bauvertrages anbelangt, bestehen könnte. Andererseits soll nach ausdrücklichem Bekunden der Beteiligten jedoch keine Verpflichtung zum Abschluss eines späteren Bauvertrages begründet werden. Der Abschluss des Grundstückkaufvertrages soll nach dem Willen der Beteiligten gerade nicht mit dem Abschluss eines weiteren Rechtsgeschäftes stehen und fallen, und wird auch in seinem Fortbestand nicht von dem Abschluss eines Bauvertrages abhängig gemacht, etwa indem ein Rücktrittsrecht oder eine (auflösende) Bedingung vereinbart wird.

Unabhängig davon, dass später ggf. ein Bauvertrag zwischen den Beteiligten geschlossen werden soll, ist der Abschluss des Grundstückkaufvertrags nach dem derzeitigen Willen der Beteiligten (wohl) nicht von den Details eines solchen Bauvertrages abhängig, da diese Details zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht feststehen. D. h.: Es fehlt ein diesbezüglicher Rechtsbindungswille. U. E. liegt damit kein Fall eines zusammengesetzten Vertrages vor; maßgeblich ist insoweit der Wille der Beteiligten im Zeitpunkt des Abschlusses des beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäfts. Dieser ist eben gerade nicht darauf gerichtet, dass die Verpflichtung zur Übertragung des Grundstückseigentums nur dann entstehen bzw. begründet werden soll, wenn ein bestimmter weiterer (Bau-)Vertrag zustande kommt. Auch sind noch nicht alle wesentlichen Vertragspunkte im Hinblick auf den Bauvertrag zum jetzigen Zeitpunkt bekannt, der Inhalt des noch abzuschließenden Vertrages ist also derzeit völlig offen. Eine konkrete Absprache über den Inhalt (insbesondere die essentialia negotii) ist wohl noch nicht getroffen worden.

2. Ergebnis
Nach unserem Dafürhalten ist der spätere Bauvertrag als solcher daher nicht beurkundungsbedürftig, so­fern die Beteiligten unabhängig von den Details dieses Vertrags bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen für sie verbindlichen Grundstückskaufvertrag schließen möchten. Mit einer gegenteiligen Sichtweise entstünde das kuriose Ergebnis, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Beteiligten am Abschluss eines verbindlichen Grundstückskaufvertrages gehindert wären, denn der „heute“ abgeschlossene Grundstückskaufvertrag wäre mangels Mitbeurkundung des noch außenstehenden Bauvertrags gem. §§ 311b Abs. 1 S. 1, 125, 139 BGB nichtig. Das Formerfordernis des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB dient aber nicht dazu, die Beteiligten eines Grundstückkaufvertrages zu einer Willensbildung zu zwingen. Mit dem Beurkundungserfordernis soll vielmehr im Interesse der Rechtssicherheit der bereits gebildete Wille dokumentiert (Nachweisfunktion von Formvorschriften), nicht aber eine Willensbildung herbeigeführt werden. Abschließend weisen wir jedoch nochmals darauf hin, dass es sich bei der Ermittlung des tatsächlichen Parteiwillens um eine Tatfrage handelt.

Gutachten/Abruf-Nr:

173176

Erscheinungsdatum:

07.11.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Beurkundungserfordernis

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 169-172

Normen in Titel:

BGB § 311b Abs. 1