22. Dezember 2023
BGB § 1643; BGB § 1799; BGB § 1629; BGB § 1852; BGB § 1809

Genehmigungserfordernis bei der Neugründung oder dem Erwerb von Anteilen in Bezug auf eine grundstücksverwaltende Familienpool-KG

BGB §§ 1629, 1643, 1799, 1809, 1852
Genehmigungserfordernis bei der Neugründung oder dem Erwerb von Anteilen in Bezug auf eine grundstücksverwaltende Familienpool-KG

I. Sachverhalt
Im Rahmen der Neugründung einer grundstücksverwaltenden Familienpool-KG soll auch ein Minderjähriger beteiligt werden.

II. Fragen
1. Ist in diesem Zusammenhang eine familiengerichtliche Genehmigung nach den seit dem 1.1.2023 geltenden §§ 1643 Abs. 1, 1850-1854 BGB erforderlich?

2. Macht es einen Unterschied, ob der Minderjährige bereits an dem Gesellschaftsvertrag zur Gründung beteiligt ist oder die Anteile im Wege der Übertragung erhält?

3. Hat sich die Rechtslage insoweit mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts geändert?

III. Zur Rechtslage
1. Problemaufriss
a) Genehmigungstatbestände nach der Reform zum 1.1.2023
Die Genehmigungstatbestände wurden mit Wirkung zum 1.1.2023 in das Betreuungsrecht verschoben, völlig neu strukturiert und sind nunmehr nach Lebenssachverhalten sortiert (vgl. Gutachten DNotI-Report 2023, 6, 7; Siegel/Kraus, DNotZ 2022, 906, 918). In Bezug auf das Gesellschaftsrecht ist der relevante Genehmigungstatbestand in § 1852 BGB zu finden. Insofern ist zu beachten, dass nunmehr auch der unentgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Gesellschaft, die ein Erwerbsgeschäft betreibt, der Genehmigung gem. § 1852 Nr. 1 lit. b BGB bedarf (vgl. Gutachten DNotI-Report 2023, 6, 7; Staake/Weinmann, RFamU 2022, 493, 494; Werner, ZEV 2021, 618, 621). Überdies wird nicht mehr zwischen Kapital- und Personengesellschaften differenziert (Siegel/Kraus, DNotZ 2022, 906, 922).

b) Geltung für alle gesetzlichen Vertreter des Kindes
Für den nachfolgend behandelten Aspekt des Genehmigungserfordernisses spielt es keine Rolle, wer als gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes agiert (zur wichtigen Differenzierung zwischen der Vertretung eines Minderjährigen und dem Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung vgl. Münch/Schaal, Familienrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 4. Aufl. 2023, § 17 Rn. 275).

Denn wesentliche Teile der §§ 1850 ff. BGB gelten sowohl für Eltern, die als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder auftreten (§§ 1629 Abs. 1, 1643 Abs. 1 BGB), als auch für einen etwaigen Ergänzungspfleger (§§ 1809, 1813 Abs. 1, 1799 Abs. 1 BGB) oder einen Vormund (§§ 1773 Abs. 1, 1799 BGB). Lediglich in geringem Umfang sind Besonderheiten zu beachten, da die Genehmigungstatbestände in den Verweisungsvorschriften teilweise modifiziert oder für nicht anwendbar erklärt werden (vgl. § 1643 Abs. 2-5, § 1799 Abs. 1, Abs. 2 BGB).

c) Abschließende Normierung in § 1852 Nr. 1, 2 BGB bzgl. des Beitritts oder Erwerbs von Gesellschaftsanteilen
§ 1852 BGB trifft eine abschließende Regelung (vgl. Werner, ZEV 2021, 618, 622; Everts, MittBayNot 2023, 9, 12; Münch/Lotte, Familienrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 4. Aufl. 2023, § 13 Rn. 187). Auch sonstige Genehmigungstatbestände, etwa gem. § 1850 BGB, sind im Falle einer Gesellschaftsgründung oder des Erwerbs einer Beteiligung richtigerweise nicht heranzuziehen (so implizit auch Werner, ZEV 2021, 618, 621; Staake/Weinmann, RFamU 2022, 493, 495).

Der Genehmigungstatbestand des § 1854 Nr. 4 BGB (Übernahme einer fremden Verbindlichkeit) ist neu gefasst worden und bei der Gründung einer Gesellschaft oder Übernahme von Gesellschaftsanteilen nach ganz h. A. nicht (mehr) einschlägig, da eine subsidiäre Haftung für eine fremde Schuld, welche sich als bloße Nebenfolge eines anderen Rechtsgeschäfts darstellt, nicht mehr von der Neufassung der Norm umfasst ist (Werner, ZEV 2021, 618, 622; BeckOGK-BGB/Schöpflin, Std.: 15.5.2023, § 1854 Rn. 27; Eble, RNotZ 2021, 117, 133; Münch/Lotte, § 13 Rn. 226; Siegel/Kraus, DNotZ 2022, 906, 922 f.; vorsichtiger nur Walter, NZFam 2023, 241, 244 f.).

§ 1850 BGB soll den Minderjährigen davor schützen, (insbesondere) Grundstücke oder Rechte hieran ohne gerichtliche Kontrolle zu verlieren (Zorn, FamRZ 2023, 915, 916). Bei einer grundstücksverwaltenden Gesellschaft ist nur diese Eigentümerin des Grundbesitzes, sodass es im Falle des Beitritts zu dieser Gesellschaft allein auf § 1852 BGB ankommt. Diskutiert wird jedoch die Konstellation, dass eine grundstückshaltende GbR, an welcher ein Minderjähriger beteiligt ist, über Grundstücke verfügt. Insofern wird mitunter ein Genehmigungserfordernis der Veräußerung durch die GbR gem. § 1850 Nr. 1 BGB angenommen, wenn keine Gründungs- bzw. Eintrittskontrolle nach § 1852 BGB hinsichtlich des minderjährigen Gesellschafters erfolgte (so Jürgens/Trautmann, Betreuungsrecht, 7. Aufl. 2023, Vorbem. zu §§ 1848-1854 Rn. 7; tendenziell auch Beckervordersandfort/Steinbrink, ZErB 2022, 125, 130; Hinweis auf die umstrittene Rechtslage bei jurisPK-BGB/Herberger, 10. Aufl. 2023, Std. 6.12.2023, § 1850 Rn. 12.1). Ob dies zu überzeugen vermag, kann für den vorliegenden Sachverhalt dahinstehen, da nicht die Verfügung über ein Grundstück, sondern der Beitritt eines Minderjährigen zu einer Gesellschaft in Rede steht.

Für den hier zu begutachtenden Sachverhalt der Neugründung einer grundstücksverwaltenden Familienpool-KG ist daher allein § 1852 BGB relevant.

2. Genehmigungserfordernis des § 1852 BGB
Gemäß § 1852 Nr. 1 BGB bedarf ein Betreuer der Genehmigung des Betreuungsgerichts zu einer Verfügung und zur Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung, durch die der Betreute einen Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft erwirbt oder veräußert, die ein Erwerbsgeschäft betreibt. § 1852 Nr. 2 BGB umfasst die Konstellation, dass ein Gesellschaftsvertrag zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird. Es ergibt sich daher – in Bezug auf die Rechtsfrage zu Ziff. II. 2. – kein Unterschied dahingehend, ob der Minderjährige bereits an dem Gesellschaftsvertrag zur Gründung beteiligt ist oder die Anteile im Wege der Übertragung erhält.

Die Verweisungsnormen der §§ 1643, 1799 BGB für das Handeln von Eltern, Vormund oder Ergänzungspfleger als gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen weisen keine inhaltlichen Modifikationen dieses Genehmigungstatbestands auf.

a) Erwerbsgeschäft i. S. d. § 1852 BGB
Wann ein „Erwerbsgeschäft“ i. S. d. Norm vorliegt, ist – wie schon vor Inkrafttreten der Reform am 1.1.2023 (damals maßgeblich: § 1822 Nr. 3 BGB a. F.) – umstritten und ungeklärt. Definiert wird dieses als „jede regelmäßig ausgeübte, auf selbstständigen Erwerb gerichtete Tätigkeit, die mit dem Willen zur Gewinnerzielung ausgeübt wird und auf eine gewisse Dauer angelegt ist“ (OLG München MittBayNot 2019, 132 Rn. 14; OLG Schleswig NJW-RR 2020, 805 Rn. 12; BayObLG DNotZ 1995, 941, 942; Münch/Lotte, § 13 Rn. 215; jurisPK-BGB/Herberger, § 1852 Rn. 24 ff.; Eble, RNotZ 2021, 117, 119 m. N.). Hinsichtlich dieses Begriffs haben sich keine Änderungen zu § 1822 Nr. 3 BGB a. F. ergeben (Everts, MittBayNot 2023, 9, 13; Eble, RNotZ 2021, 117, 119), sodass insofern auf die Literatur und Rechtsprechung zum alten Recht zurückgegriffen werden kann. Es wird bedauert, dass der Gesetzgeber anlässlich der Reform keine klareren Vorgaben zur Abgrenzung von Erwerbsgeschäft und Vermögensverwaltung geschaffen hat (vgl. Everts, MittBayNot 2023, 9, 13; ähnlich Harbecke, RNotZ 2022, 521, 539).

Abzugrenzen ist das Erwerbsgeschäft insbesondere von der Verwaltung eigenen Vermögens (Grüneberg/Götz, BGB, 83. Aufl. 2024, § 1852 Rn. 3; Beckervordersandfort/Steinbrink, ZErB 2022, 125, 126). Die Abgrenzung zwischen vermögensverwaltender Tätigkeit und Erwerbsgeschäft kann im Einzelfall schwierig sein (vgl. Eble, RNotZ 2021, 117, 120; Harbecke, RNotZ 2022, 521, 539).

b) Streitstand zu vermögensverwaltenden Familiengesellschaften
Nach h. A. unterfallen rein vermögensverwaltende Gesellschaften nicht dem Begriff des Erwerbsgeschäfts und damit nicht dem Genehmigungserfordernis des § 1852 Nr. 1 BGB (vgl. OLG München MittBayNot 2019, 132 Rn. 14; OLG Schleswig NZG 2020, 593 Rn. 12 jeweils zu § 1822 Nr. 3 BGB a. F.; Grüneberg/Götz, § 1852 Rn. 6; Menzel/Wolf, MittBayNot 2010, 186 f.; Staake/Weinmann, RFamU 2022, 493, 495; Münch/Schaal, § 17 Rn. 275; wohl auch OLG Jena ZEV 2013, 521).

Häufig jedoch wird ein Erwerbsgeschäft angenommen bei einer Gesellschaft, deren Gegenstand die Verwaltung, Vermietung und Verwertung gewerblich nutzbarer Immobilien von erheblichem Wert ist (vgl. BayObLGZ 1995, 230 = DNotZ 1995, 941; BayObLGZ 1997, 113 = NJW-RR 1997, 1163; OLG Zweibrücken, NJW-RR 1999, 1174 = FamRZ 2000, 117, 119; OLG Schleswig NJW-RR 2020, 805 Rn. 12; tendenziell auch OLG Dresden MittBayNot 2019, 270 Rn. 12; Münch/Lotte, § 13 Rn. 216). Insofern soll es vor allem auf das unternehmerische Risiko sowie die geschäftsmäßige Tätigkeit der Verwaltung, Vermietung und Verwertung von gewerblich nutzbaren Immobilien ankommen (vgl. nur OLG Dresden MittBayNot 2019, 270 Rn. 12).

Mitunter wird pauschal postuliert, Familiengrundstücksgesellschaften seien stets auf den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts gerichtet (so KG NZG 2020, 548 Rn. 9; BeckOK-BGB/Kadelbach, Std.: 1.11.2023, § 1852 Rn. 4; jurisPK-BGB/Herberger, § 1852 Rn. 37; differenzierend hingegen OLG München MittBayNot 2019, 132 Rn. 14: jedenfalls Verwaltung eines selbstgenutzten Wohnhauses kein Erwerbsgeschäft).

Bei einer – hier nicht maßgeblichen – Außen-GbR (die nunmehr freilich als „rechtsfähige Gesellschaft“ bezeichnet wird, vgl. § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB k. F.) soll wegen der unbeschränkten persönlichen Haftung immer ein Erwerbsgeschäft vorliegen (Jürgens/Trautmann, § 1852 Rn. 9). Zu einem ähnlichen Ergebnis dürfte auch die oben dargestellte Abwägungslösung auf Basis des entsprechenden unternehmerischen Risikos kommen.

c) Fazit für die Praxis
Im Schrifttum wird angesichts der schwierigen Grenzziehung dazu geraten, sicherheitshalber stets von einer Genehmigungsbedürftigkeit auszugehen und eine Genehmigung bzw. ein Negativattest einzuholen (Herrler/Berkefeld, in: Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl. 2022, § 14 Rn. 23; BeckOGK-BGB/Eitzinger, Std.: 1.10.2023, § 1643 Rn. 57.9; Bock, DNotZ 2020, 643, 648; Everts, MittBayNot 2023, 9, 13; Harbecke, RNotZ 2022, 521, 539 f.). Dem wird man sich auch für die grundstücksverwaltende Familiengesellschaft anschließen müssen, da das Meinungsspektrum (dazu oben lit. b; vgl. auch die detaillierte Rechtsprechungsübersicht bei BeckOGK-BGB/Eitzinger, § 1643 Rn. 57.1 ff.) zu breit ist und das Gebot des sichersten Weges gilt.

Ohne eine – seitens eines Gerichts für erforderlich gehaltene – Genehmigung wäre das Rechtsgeschäft (zunächst schwebend) unwirksam. Hinzuweisen ist darauf, dass ein (nicht normiertes) Negativattest der Genehmigung nicht gleichsteht und keine Bindungswirkung entfaltet (BGH NJW 1966, 652; OLG Schleswig RNotZ 2020, 525 Rn. 8; Eble, RNotZ 2021, 117, 118; Menzel/Wolf, MittBayNot 2010, 186, 187 Fn. 18).

d) Genehmigungsvoraussetzungen und -verfahren
Der Maßstab für die Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung ergibt sich für den Fall der Vertretung durch die Eltern aus § 1644 Abs. 1 BGB. Hiernach wird die Genehmigung erteilt, wenn das Rechtsgeschäft dem Wohl des Kindes unter Berücksichtigung der Grundsätze einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung nicht widerspricht. Inhaltlich gilt dasselbe für den Fall der Vertretung durch einen Vormund oder Ergänzungspfleger: Hiernach ist das Rechtsgeschäft zu genehmigen, wenn es dem Wohle des Mündels/Minderjährigen unter Berücksichtigung der Grundsätze einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung und der wachsenden Bedürfnisse des Mündels/Minderjährigen zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Handeln entspricht (§§ 1800 Abs. 1, 1798 Abs. 1 BGB, für den Ergänzungspfleger vgl. den Verweis in §§ 1809, 1813 Abs. 1 BGB).

Im Schrifttum findet sich der – u. E. nachvollziehbare – Hinweis, die Gründung einer KG sei insbesondere dann genehmigungsfähig, wenn dem Risiko eines Verlustes der nicht aus eigenen Mitteln aufgebrachten Kommanditeinlage erhebliche Gewinnchancen gegenüberstehen (Jürgens/Trautmann, § 1852 Rn. 10; vgl. auch BeckOGK-BGB/Eitzinger, § 1644 Rn. 12; aus der Rspr. etwa OLG Nürnberg MittBayNot 2015, 235, 237 f.; BayObLG DNotZ 1995, 941, 946, jeweils zum alten Recht).

Hinsichtlich des Verfahrens verweisen § 1644 Abs. 3 BGB sowie §§ 1813 Abs. 1, 1800 Abs. 2 BGB jeweils auf §§ 1855, 1856 Abs. 1, 2 BGB. Die Genehmigung wird erst mit Rechtskraft des entsprechenden Beschlusses wirksam (§§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 bzw. Nr. 4 i. V. m. § 40 Abs. 2 S. 1 FamFG).

3. Ergebnis
Es ist – wie auch schon vor der am 1.1.2023 in Kraft getretenen Reform –umstritten und weiterhin unklar, wann eine Gesellschaft ein „Erwerbsgeschäft“ i. S. d. § 1852 BGB betreibt.

Im Rahmen der Mitwirkung eines Minderjährigen an der Neugründung einer grundstücksverwaltenden Familienpool-KG sollte vorsichtshalber stets vom Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung gem. § 1852 Nr. 2 BGB ausgegangen werden. Dasselbe gilt gem. § 1852 Nr. 1 BGB für den Erwerb von Anteilen an einer solchen Gesellschaft, sodass es keinen Unterschied macht, ob der Minderjährige bereits an dem Gesellschaftsvertrag zur Gründung beteiligt ist oder die Anteile im Wege der Übertragung erhält.

Gutachten/Abruf-Nr:

200705

Erscheinungsdatum:

22.12.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 185-188

Normen in Titel:

BGB § 1643; BGB § 1799; BGB § 1629; BGB § 1852; BGB § 1809