18. Oktober 2021
BGB § 469; BGB § 463

Auskunftspflicht des Vorkaufsberechtigten; Einsicht in Teilungserklärung; Besichtigungsrecht

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 183844
letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2021

BGB § 469, 463
Auskunftspflicht des Vorkaufsberechtigten; Einsicht in Teilungserklärung; Besichtigungsrecht

I. Sachverhalt

Im Rahmen der Durchführung eines Kaufvertrages über eine mit einem Vorkaufsrecht belastete
Eigentumswohnung wünscht der Vorkaufsberechtigte während der noch laufenden Ausübungsfrist
Auskunft bzw. Einsichtnahme in die Teilungserklärung. Der Verkäufer hat der Überlassung
einer Kopie der Teilungserklärung widersprochen.

Im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs der Eigentumswohnung ist ein 1/8-Miteigentumsanteil
an einem Garagengrundstück eingetragen, verbunden mit dem Sondernutzungsrecht an der unmittelbar
zur südlichen Grundstücksgrenze gelegenen Garage.

Grundlage dieser Eintragung war ein zwischen dem Eigentümer der jetzt verkauften Eigentumswohnung
und dem Eigentümer der im gleichen Hause befindlichen Einliegerwohnung vor
einem Gericht geschlossener Vergleich, mit dem der Streit über die Rechte an der Garage
beigelegt wurde. Der Vorkaufsberechtigte wünscht insoweit Überlassung eines Lageplans bzw.
einer Kopie des geschlossenen Vergleichs zwecks Feststellung der genauen Lage der dem
Sondernutzungsrecht unterliegenden Garage.

II. Frage

Ist das Verlangen des Vorkaufsberechtigten begründet?

III. Zur Rechtslage

1. Auskunftsrecht des Vorkaufsberechtigten

§ 469 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet den Vorkaufsverpflichteten, den Vorkaufsberechtigten
über den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Vertrages unverzüglich zu benachrichtigen
und ihm diesen mitzuteilen. Die Norm begründet im Grundsatz nur einen Anspruch
darauf, den Inhalt des jeweils geschlossenen Vertrages zu erfahren. In Literatur und Rechtsprechung
ist allerdings darüber hinausgehend anerkannt, dass dem Vorkaufsberechtigten
ein weitergehendes Auskunftsrecht zustehen kann, um Kenntnis über die verkaufte Sache
zu erlangen (RGZ 108, 66, 67; RGZ 108, 91, 96; BeckOGK-BGB/Daum, Std.: 1.1.2021,
§ 469 Rn. 12; BeckOK-BGB/Faust, 57. Ed. 2021, § 469 Rn. 5; Staudinger/Schermaier,
BGB, 2013, § 469 Rn. 10; stark einschränkend aber MünchKommBGB/Westermann,
8. Aufl. 2019, § 469 Rn. 4; gänzlich ablehnend Soergel/Wertenbruch, BGB, 13. Aufl. 2009,
§ 469 Rn. 2, der lediglich einer Aufklärungspflicht über Mängel annimmt). Das Reichsgericht
hat allgemein einen Anspruch auf Mitteilung aller Umstände, die für die Entschließung
des Vorkaufsberechtigten darüber, ob er das im zustehende Recht ausüben will,
bedeutsam sind, anerkannt (RGZ 66, 67). In der Literatur wird zudem ein Recht
auf Besichtigung des Gegenstandes postuliert (BeckOGK-BGB/Daum, § 469 Rn. 12;
Staudinger/Schermaier, § 469 Rn. 10). Darüber hinaus wird teilweise sogar vertreten, dass
bei einem Unternehmenskaufvertrag dem Vorkaufsberechtigten ein Anspruch auf Gewährung
einer sog. Due Diligence zustehe (so Schwerdtfeger/Kreuzer, BB 1998, 1801; dagegen
aber Soergel/Wertenbruch, § 469 Rn. 2).

2. Anwendung auf den Fall

Wendet man die dargestellten Grundlagen auf den mitgeteilten Sachverhalt an, so dürfte
sich u. E. das jeweilige Verlangen des Vorkaufsberechtigten wohl als begründet erweisen.

a) Anspruch auf Überlassung des Lageplans

Das Reichsgericht hat die Vorlage eines entsprechenden Lageplans, aus dem sich die
konkrete Lage des Kaufgegenstandes ergibt, als notwendigen Inhalt der Mitteilung gem.
§ 469 Abs. 1 BGB anerkannt, soweit der Berechtigte ein entsprechendes Verlangen
stellt (RGZ 108, 91, 96). Dies deckt sich auch mit der kurz zuvor ergangenen Rechtsprechung
des Reichsgerichts, wonach sämtliche wesentliche Unterlagen, die für die
Entscheidung darüber, ob das Vorkaufsrecht ausgeübt werden soll, von Relevanz sind,
dem Vorkaufsberechtigten übergeben werden müssen (RGZ 108, 66, 67). Ein derartiger
Anspruch erscheint auch in der Sache erforderlich, weil andernfalls der Vorkaufsberechtigte
nicht erkennen kann, worauf sich der Kauf bezieht, weshalb für ihn
nicht sämtliche essentialia negotii des Vertrages nachvollziehbar werden. Hierzu ist es
nämlich erforderlich, dass der Berechtigte weiß, was exakt Gegenstand des Vertrages
ist.

Eine Übersendung des Lageplans erschiene wohl nur dann überflüssig, wenn der verkaufte
Gegenstand (inklusive der geschuldeten Bebauung) exakt durch die Urkunde bezeichnet
ist, da dann stets diese, im Kaufvertrag bezeichnete, Sache geschuldet ist,
sodass es nicht darauf ankommen kann, ob der Berechtigte in der Tat Eigentümer oder
ausschließlich Nutzungsberechtigter dieser Fläche ist. Für den Inhalt des Kaufvertrages
kommt es nur auf die schuldrechtliche Vereinbarung an. Ist eine solche exakte
Beschreibung in der Urkunde allerdings nicht gewährleistet, muss dem Vorkaufsberechtigten
nach unserer Auffassung ein entsprechender Lageplan überlassen werden,
der die Lage des Kaufgegenstandes bezeichnet.

Die einschränkende Auffassung von Westermann (MünchKommBGB/Westermann,
§ 469 Rn. 4), wonach derartige Unterlagen nur dann gefordert werden können, wenn
sich der Gegenstand seit Einräumung des Vorkaufsrechts verändert hat, ist in dieser
Form nicht überzeugend. Sie verkennt nämlich, dass der ursprüngliche Begründer des
Vorkaufsrechts und der jetzige Berechtigte nicht identisch sein müssen, weshalb eine
derartig schematische Abgrenzung nicht angezeigt ist. Einzig, soweit der ursprüngliche
Vorkaufsberechtigte und der jetzige Berechtigte noch identisch sind und der Gegenstand
nicht verändert wurde, lässt sich ein entsprechendes Einsichtsrecht verneinen,
weil dann der Vorkaufsberechtigte keine weitergehenden Kenntnisse erlangen kann als
ihm bereits zur Verfügung stehen. Hat er sich ursprünglich auf die Ungewissheit bei der
Begründung des Vorkaufsrechts eingelassen, muss er sich daran auch festhalten lassen,
sodass es nicht entscheidend ist, ob er sich zur Begründung des Rechts vormals die entsprechenden
Pläne hat vorlegen lassen. Hat er damals darauf verzichtet, dürfte ihm
auch jetzt kein weitergehendes Einsichtsrecht zustehen, weil es nicht angezeigt sein
dürfte, ihn jetzt von einer Ungewissheit, die er ursprünglich selbst akzeptiert hat, zu befreien.
Ob diese Voraussetzungen allerdings vorliegen, kann als Tatfrage diesseits nicht
beantwortet werden.

b) Anspruch auf Einsicht in die Teilungserklärung

Auch hinsichtlich der Einsicht in die Teilungserklärung wird man mit vergleichbaren
Argumenten einen Auskunftsanspruch zu bejahen haben. Nur durch die Teilungserklärung
kann der Vorkaufsberechtigte Art und Umfang des Sondereigentums in
vollem Umfang erkennen und sich daher ein zutreffendes Bild vom Gegenstand des
Kaufvertrages machen. Legt man die Rechtsprechungslinie des Reichsgerichts zugrunde,
handelt es sich ebenfalls um wesentliche Informationen, die für den Vorkaufsberechtigten
von Belang sind, um entscheiden zu können, ob er von seiner Befugnis
Gebrauch machen will. Insoweit dürften keine bedeutsamen Unterschiede zur
Behandlung des Lageplans bestehen, sodass der Anspruch auch nur dann ausgeschlossen
sein kann, wenn Art und Umfang des Sondereigentums schon Vorkaufsberechtigten
bereits deshalb bekannt sind oder sein müssten, weil er bereits der
ursprüngliche Berechtigte war und sich der Gegenstand seit Begründung des Vorkaufsrechts
nicht mehr verändert hat.

c) Konsequenzen für den Notar

Unabhängig davon, wie man allerdings die Rechtsfrage in Bezug auf das Bestehen des
Auskunftsanspruchs entscheidet, handelt es sich jedenfalls um keine Verpflichtung des
Notars. Der Auskunftsanspruch des Vorkaufsberechtigten ist grundsätzlich durch den
Vorkaufsverpflichteten zu erfüllen, sodass auch dieser im Zweifel verpflichtet ist, die
weitergehenden Informationen dem Vorkaufsberechtigten zur Verfügung zu stellen
(vgl. dazu BeckOGK-BGB/Daum, § 469 Rn. 12). Daher muss allein der Vorkaufsverpflichtete
den jeweiligen Anspruch erfüllen, sodass der Notar weder verpflichtet
noch berechtigt ist, eigenständig Unterlagen an den Vorkaufsberechtigten zu überlassen.
Es ist vielmehr am Verkäufer, die Entscheidung zu treffen, ob er derartige
Unterlagen überlassen will oder ggf. im Wege eines gerichtlichen Rechtstreits die Berechtigung
des Vorkaufsberechtigten hinsichtlich der Überlassung entsprechender
Unterlagen zu klären.

Auch aus § 133 GBO ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar sind Notare
nach dieser Vorschrift befugt, Personen, die ihnen ein berechtigtes Interesse nach § 12
GBO darlegen, Einsicht in das Grundbuch zu gewähren; dies schließt nach
überwiegender Ansicht allerdings die Einsicht in die Grundakten, insbes. die
Eintragungsbewilligungen nicht ein (Mai, notar 2015, 98, 100). Daher kommt es nicht
darauf an, ob die Ausübungsbefugnis hinsichtlich des Vorkaufsrechts ein berechtigtes
Interesse bietet, was wohl zu bejahen sein dürfte (s. zur Berechtigung von
Kaufinteressenten BeckOK-GBO/Wilsch, 41. Ed. 2021, § 12 Rn. 65). Der
Vorkaufsberechtigte müsste sich mithin stets selbst an das Grundbuchamt wenden, um
die entsprechende Auskunft zu erhalten und kann hierzu nicht auf § 133 GBO
zurückgreifen. Dem Notar steht kein originäres Recht zu, dem Auskunftssuchenden
Einsicht in die Grundakten und die Eintragungsbewilligungen zu gewähren. Er könnte
daher ausschließlich als Bote oder Stellvertreter für den Vorkaufsberechtigten tätig
werden und dessen Rechte gegenüber dem Grundbuchamt ausüben, um auf diese
Weise die entsprechenden Unterlagen zu erhalten. Eine eigenständige
Offenbarungspflicht oder ein Offenbarungsrecht hat der Notar gegenüber dem
Vorkaufsberechtigten aber keinesfalls.

Gutachten/Abruf-Nr:

183844

Erscheinungsdatum:

18.10.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf

Normen in Titel:

BGB § 469; BGB § 463