15. November 2019
BGB § 472; BGB § 428; GBO § 47; BGB § 1094

Dingliches Vorkaufsrecht; Zulässigkeit eines Hinweises auf § 472 BGB

Gutachten-Abruf-Dienst
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 172606
letzte Aktualisierung: 15. November 2019

BGB §§ 1094 ff., 472, 428; GBO § 47
Dingliches Vorkaufsrecht; Zulässigkeit eines Hinweises auf § 472 BGB

I. Sachverhalt

Es wird ein dingliches Vorkaufsrecht zugunsten von zwei Berechtigten bestellt. Die entsprechende
Grundbucherklärung lautet:

„Der Eigentümer bewilligt hiermit zu Lasten des vorgenannten
Grundbesitzes und zugunsten von … und … als gemeinschaftlich
Berechtigte gem. § 472 BGB das vorstehend
bestellte Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall ...“

Das Grundbuchamt verweigert die Eintragung unter Hinweis darauf, dass eine Verlautbarung
von § 472 BGB im Grundbuch nicht möglich sei, da § 472 BGB kein Fall des § 47 GBO sei.

II. Frage

Ist die Auffassung des Grundbuchamtes zutreffend?

III. Zur Rechtslage

Die Eintragungsfähigkeit von § 472 BGB als Gemeinschaftsverhältnis bei einem dinglichen
Vorkaufsrecht i. S. d. §§ 1094 ff. BGB ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird vertreten,
dass die Anwendung von § 472 BGB auf ein mehreren Berechtigten zustehendes, dingliches
Vorkaufsrecht zwingend sei, weswegen § 472 BGB nicht nach § 47 Abs. 1 GBO eingetragen
werden könne (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 1407; Demharter,
Grundbuchordnung, 31. Aufl. 2018, § 47 Rn. 3, der dabei auch auf BGH FGPrax 2017, 54
verweist). Eine andere Meinung in der Literatur betrachtet dagegen auch die Gesamtberechtigung
nach § 428 BGB als zulässiges Gemeinschaftsverhältnis. Demzufolge sei auch die
Eintragung des Gemeinschaftsverhältnisses nach § 472 BGB erforderlich, um dieses Gemeinschaftsverhältnis
von der Gesamtberechtigung nach § 428 BGB abzugrenzen (Wegmann, in:
Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl. 2018, § 47 Rn. 105).

Die herrschende Ansicht differenziert zwischen der Ausübungsebene, auf die § 472 BGB
zwingend Anwendung finde, und der nach der Ausübung des Vorkaufsrechts entstehenden
Berechtigung an dem Auflassungsanspruch, den die Berechtigten als Gesamtgläubiger nach
§ 428 BGB, als Bruchteilsberechtigte gem. § 420 BGB und als Mitberechtigte gem. § 432 BGB
innehaben könnten. Demnach sei gem. § 47 Abs. 1 GBO in das Grundbuch lediglich einzutragen,
dass § 472 BGB auf das Vorkaufsrecht Anwendung findet. Eine Angabe des durch die
Vorkaufsrechtsausübung zustande gekommenen Gemeinschaftsverhältnisses könne dagegen
nicht verlangt werden (Hügel/Reetz, GBO, 3. Aufl. 2016, § 47 Rn. 6; BeckOK-GBO/Hügel,
36. Ed. Std.: 1.6.2019, § 47 Rn 6-6d, der ebenfalls auf BGH FGPrax 2017, 54 verweist; s. auch
Keller, in: KEHE, GBO, 8. Aufl. 2019, § 47 Rn. 11; Meikel/Böhringer, GBO, 11. Aufl. 2015,
§ 47 Rn. 166; Franck, in: Kersten/Bühling, Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
26. Aufl. 2019, § 62 Rn. 26).

Anders als die Literatur setzt die Rechtsprechung sich nicht ausdrücklich mit der aufgeworfenen
Frage auseinander, scheint jedoch die Eintragung eines Hinweises auf § 472 BGB für möglich zu
halten. Der BGH setzt in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1997 (NJW 1997, 3235) ebenso
wie das LG Saarbrücken (BeckRS 2009, 89463) die Zulässigkeit einer Eintragung in das Grundbuch
mit dem Inhalt, dass § 472 BGB (§ 513 BGB a. F. in der Entscheidung des BGH) Anwendung
findet, voraus. Eine neuere Entscheidung des BGH (FGPrax 2017, 54) wird zwar auch
von der ablehnenden Literaturmeinung zitiert, befasst sich jedoch nicht unmittelbar mit der
Zulässigkeit eines Hinweises auf § 472 BGB. Vielmehr erörtert das Gericht primär die Frage, ob
auch eine gemeinschaftliche Berechtigung nach § 428 BGB materiell-rechtlich zulässig sei. Dies
wird letztlich verneint. Anschließend stellt der BGH allerdings fest, dass das eingetragene Vorkaufsrecht
dennoch nicht wegen inhaltlicher Unzulässigkeit gelöscht werden müsse. Vielmehr
sei statt des eingetragenen Vorkaufsrechts in Gesamtberechtigung nach § 428 BGB ein Vorkaufsrecht
mit gemeinschaftlicher Berechtigung nach § 472 BGB entstanden. Eine Eintragung
der Berechtigung nach § 472 BGB sei nicht erforderlich, da diese sich schon unmittelbar aus
dem Gesetz (§§ 1098 Abs. 1, 472 BGB) ergebe. Zusammengenommen könnten die beiden vorgenannten
Entscheidungen so verstanden werden, dass eine klarstellende Eintragung von § 472
BGB für das Gemeinschaftsverhältnis zulässig, aber nicht zwingend notwendig ist.

Dieser Ansicht der Rechtsprechung würden wir uns anschließen und dementsprechend die Auffassung
des Grundbuchamtes als unzutreffend betrachten.

Gutachten/Abruf-Nr:

172606

Erscheinungsdatum:

15.11.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dingliches Vorkaufsrecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Kaufvertrag
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

BGB § 472; BGB § 428; GBO § 47; BGB § 1094