03. Juli 2020
BGB § 2032; BGB § 2041

Voraussetzungen für Grundstückserwerb in Erbengemeinschaft; Bedeutung der erbrechtlichen Surrogation

BGB §§ 2032, 2041
Voraussetzungen für Grundstückserwerb in Erbengemeinschaft; Bedeutung der erbrechtlichen Surrogation

I. Sachverhalt
a) Herr und Frau G sind in Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen. Sie wollen von ihrem Nachbarn ein Flurstück (22 m²) hinzuerwerben. Im entsprechenden Grundbuch ist ebenfalls eine Erbengemeinschaft (nach Herrn N) eingetragen.

b) Im Grundbuch sind als Eigentümer eingetragen Herr W als Miteigentümer zu 1/2 und die Erbengemeinschaft nach dem Bruder von Herrn W, bestehend aus vier Erben (Frau BW und ihre drei Kinder K1 bis K3), ebenfalls zu 1/2. Herr W und die Erbengemeinschaft sind sich einig, dass sie das Grundstück real teilen wollen. Die Vermessung ist erfolgt. Es sind zwei Flurstücke gebildet worden. Das kleinere soll Herr W bekommen; das größere Grundstück soll an die Erbengemeinschaft übertragen werden. Dafür sollen ihm die Erben aus dem Nachlass einen Ausgleich zahlen.

II. Fragen
1. Kann in Sachverhalt a) das Flurstück durch die Erbengemeinschaft (also durch „Herrn G und Frau G in Erbengemeinschaft“) erworben werden?

2. Kann in Sachverhalt b) die Erbengemeinschaft, bestehend aus Frau BW und K1 bis K3 das nach Realteilung entstandene Grundstück erwerben?

III. Zur Rechtslage
1. Erwerb des Grundstücks (Sachverhalt a)
a) Einführung; gesetzliche Begrenzung der erbrechtlichen Surrogationstatbestände
Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben (§ 2032 Abs. 1 BGB). Zur Erbengemeinschaft hat die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt (BGH NJW 2002, 3389 ff.; BGH NJW 2006, 3715 f.; hierzu etwa BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, Std.: 1.10.2019, § 2032 Rn. 12.2), dass die Erbengemeinschaft als solche nicht rechtsfähig ist. Das Gegenteil folgt aus Sicht des BGH nicht aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR durch das Grundsatzurteil BGHZ 146, 341 ff. Denn kennzeichnend für die Erbengemeinschaft ist ihre Begründung mit dem Erbfall ipso iure, wohingegen die GbR rechtsgeschäftlich begründet wird. Ferner ist die Erbengemeinschaft keine werbende Gemeinschaft, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet (vgl. BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, § 2032 Rn. 12.2.). Dementsprechend kommt als Erwerber von Grundbesitz in einem Kauf- oder Tauschvertrag nicht die Erbengemeinschaft als solche in Betracht, sondern nur die konkreten natürlichen Personen, die unter den gesetzlichen Voraussetzungen im Berechtigungsverhältnis der Erbengemeinschaft gem. §§ 2032 ff. BGB, 47 GBO erwerben.

Wie bereits angedeutet, ist die Erbengemeinschaft eine unabhängig vom Willen der Erben kraft Gesetzes entstehende Zufallsgemeinschaft, die auf der vom Erblasser angeordneten gesetzlichen oder testamentarischen Erbfolge beruht. Sie ist auf Auseinandersetzung und anschließende Auflösung angelegt. Die Erbengemeinschaft kann daher weder vertraglich begründet noch nach erfolgter Auflösung wieder hergestellt werden. Dass ein nicht bereits beim Erbfall im Nachlass vorhandener Vermögenswert den Erben im Berechtigungsverhältnis der gesamthänderischen Erbengemeinschaft zusteht, kann mangels Zulassung einer dahingehenden rechtsgeschäftlichen Gestaltung daher nur auf einem gesetzlichen Tatbestand beruhen, also gem. § 2032 Abs. 2 BGB bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft auf § 2041 BGB (s. zum Ganzen etwa MünchKommBGB/Gergen, 8. Aufl. 2020, § 2032 Rn. 4, 8; Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2032 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, § 2032 Rn. 2). Daraus ergibt sich, dass Miterben nach dem Erbfall in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit nur im Rahmen von § 2041 BGB Eigentum für den Nachlass erwerben können; dies gilt auch für Grundeigentum (BGH DNotZ 2018, 52 Rn. 10; OLG Köln OLGZ 1965, 117; Demharter, GBO, 31. Aufl. 2018, § 20 Rn. 33).

b) Exkurs: Bedeutung dieser Begrenzung beim Behindertentestament
Bedeutung erlangt diese Beschränkung beispielhaft bei Vermögenserwerben und Nachlassumschichtungen, wenn der Erblasser ein klassisches Behindertentestament errichtet hatte. Hier besteht an der Fortdauer der Schutzinstrumente der Testamentsvollstreckung (vgl. § 2214 BGB) und der Nacherbenbindung (§§ 2100, 2139 BGB) auch nach derartigen Transaktionen besonderes Interesse (s. G. Müller, NotBZ 2017, 81 ff.). Die entsprechende Anwendung des § 2041 BGB auf die der Testamentsvollstreckung unterliegende Vermögensmasse ist allgemein anerkannt (BGH ZEV 2012, 103; Bengel/Reimann/Schaub, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 6. Aufl. 2017, 4. Kap. Rn 67 ff; Meikel/Böhringer, GBO, 11. Aufl. 2015, § 52 Rn 4, 22). Über die Surrogationsvorschriften hinaus ist aber für die rechtsgeschäftliche Erstreckung der Testamentsvollstreckung durch gemeinsamen Willensakt von Erben und Testamentsvollstrecker kein Raum, da die Eigenanordnung der Testamentsvollstreckung durch den Erblasser zwingend ist (vgl. §§ 2197, 2198, 2200 BGB). § 2065 Abs. 1 BGB verbietet insoweit eine „Vertretung im Willen“ (vgl. KG OLGE 44, 100, 102; BeckOGK-BGB/Grotheer, Std.: 1.3.2020, § 2197 Rn 64 f., 207 ff; Reimann/Klinger, in: Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 6. Aufl. 2017, § 7 Rn 131). Dieselbe Begrenzung gilt auch für die Nacherbenbindung nach §§ 2100 ff. BGB: Diese kann – über den hier einschlägigen Surrogationstatbestand des § 2111 BGB, insbesondere auch die Inventareinverleibung nach § 2111 Abs. 2 BGB hinaus – ebenfalls nicht durch einseitige Zuweisungserklärung des Vorerben begründet werden, selbst nicht bei zusätzlicher Zustimmung des Nacherben hierzu, da die beteiligten Erben nicht beliebig privatautonom eine res extra commercium schaffen können (vgl. im Detail BeckOGK-BGB/Müller-Christmann, Std.: 15.1.2020, § 2111 Rn. 100 f.; KGJ 40, 183, 185 ff.; OLG Stuttgart DNotZ 1974, 365; Staudinger/Avenarius, BGB, 2019, § 2111 Rn 6 f.; umfassend, aber im Ergebnis ebenso ablehnend zur Ausweitung dinglicher Surrogationswirkung kraft Parteiwillens: Stiebitz, Die Surrogation im Erbrecht, 2007, S. 248 ff.).

c) Rechtsfolgen der Surrogation nach § 2041 BGB
Die von § 2041 BGB angeordnete Surrogation bezweckt den Schutz des Nachlasswertes und seiner wirtschaftlichen Einheit als Gesamthandsvermögen. Die Norm dient so allen Miterben und Nachlassgläubigern (s. etwa BGH NJW 1987, 434 f.). Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2041 BGB im konkreten Fall erfüllt, so ist die als Rechtsfolge kraft Gesetzes angeordnete dingliche Surrogation nicht dispositiv, weder für den Erblasser noch für die Erben (BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, § 2041 Rn. 1; umfassend und kritisch: Stiebitz, S. 48 ff). Surrogation nach § 2041 BGB tritt also bei Nachlassverwaltungsmaßnahmen gesetzlich auch dann ein, wenn der einzeln auftretende Miterbe unter Einsatz von Nachlassmitteln dennoch lediglich eigenen Namens erwerben will (vgl. BGH NJW 1968, 1824; zuvor bereits OLG München NJW 1956, 1880). Wünschen die erwerbenden Personen bei Eingreifen des § 2041 BGB ein anderes Rechtsverhältnis, so könnte dies also nur nachfolgend durch gesonderte einvernehmliche rechtsgeschäftliche Erklärungen aller Miterben erreicht werden, die den gewünschten Berechtigungszustand herstellen. Der Erwerb des „Mini-Flurstückes“ erfolgt durch Herrn und Frau G im Berechtigungsverhältnis der Erbengemeinschaft, also gesetzlich zwingend dann, wenn das Erwerbsgeschäft ein Rechtsgeschäft ist, das sich auf den Nachlass bezieht (§ 2041 S. 1 Var. 3 BGB; sog. Beziehungssurrogation). Die weiteren Tatbestände der dinglichen Surrogation nach § 2041 S. 1 BGB (Rechtsurrogation nach § 2041 S. 1 Var. 1 BGB, Ersatzsurrogation nach § 2041 S. 1 Var. 2 BGB) kommen hier offensichtlich nicht in Betracht.

d) Würdigung des Sachverhalts a); Einsatz von Nachlassmitteln als notwendige Voraussetzung der Surrogation nach § 2041 BGB?
Dementsprechend erwerben Herr und Frau G das betreffende Flurstück gem. § 2041 S. 1 Var. 3 BGB jedenfalls dann in Erbengemeinschaft, wenn sie für die Bezahlung des Kaufpreises Nachlassmittel aufwenden. Ein solcher Erwerb durch Rechtsgeschäft mit Mitteln des Nachlasses genügt nach ganz herrschender Auffassung, um den Tatbestand der Beziehungssurrogation nach § 2041 S. 1 Var. 3 BGB zu erfüllen (so etwa BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, § 2041 Rn 10.2 ff.; Staudinger/Löhnig, BGB, 2016, § 2041 Rn 8; BeckOK-BGB/Lohmann, Std.: 1.2.2020, § 2041 Rn 3; Palandt/Weidlich, § 2041 BGB Rn 2; ebenso aber auch MünchKommBGB/Gergen, § 2041 Rn. 20 ff., der im Übrigen eine restriktive Position zur Surrogation vertritt).

Es stellt sich die Frage, ob dieser Einsatz von Nachlassmitteln zur Begleichung des Kaufpreises notwendige Voraussetzung für den Eintritt der Surrogationsfolge des § 2041 S. 1 Var. 3 BGB ist oder ob die Surrogation auch bei einem Erwerb mit nachlassfremden Mitteln eingreift. Diese Frage wird von Gergen (in MünchKommBGB, § 2041 Rn. 25) verneint: In diesem Fall stünden einer Surrogationswirkung allgemeine erbrechtliche Prinzipien entgegen. Die Erbengemeinschaft sei ihrer Funktion nach eine Abwicklungsgemeinschaft, die in der Regel nur für eine gewisse Übergangszeit bestehe und deren natürliches Ziel es sei, sich aufzulösen. Diesem typischen Zweck würde es zuwiderlaufen, durch Zulassung von unter Umständen erheblichem Vermögenserwerb zum Gesamthandseigentum den Fortbestand der Erbengemeinschaft auf längere Dauer in besonderer Weise zu fördern. Sachgerechte Formen einer gemeinschaftlichen Zweckverfolgung mittels gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens seien durch die Gesellschaft des BGB und des HGB bereitgestellt.

Demgegenüber hält die h. M., insbesondere auch der BGH (DNotZ 2018, 52 Rn. 12), das Eingreifen der Beziehungssurrogation auch bei Einsatz nachlassfremder Mittel fürmöglich (Staudinger/Löhnig, BGB, 2016, § 2041 Rn. 7; Palandt/Weidlich, § 2041 Rn. 2; Erman/Bayer, BGB, 15. Aufl. 2017, § 2041 Rn. 4b). Für die Zulassung der Surrogation auch beim Einsatz nachlassfremder Mittel spricht bereits der vom historischen Gesetzgeber mit Bedacht abweichend von §§ 2019, 2111 BGB formulierte Wortlaut des § 2041 BGB, der den Erwerb „mit Mitteln der Erbschaft“ gerade nicht zur Voraussetzung für die Surrogationswirkung erhebt (ausführlich BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, § 2041 Rn. 10.13 unter Rückgriff auf Ann, Die Erbengemeinschaft, 2001, S. 208). Wir halten diese Auffassung bei grammatischer Gesetzesauslegung für zutreffend. Vom Standpunkt der h. M. aus sind die Voraussetzungen der Beziehungssurrogation gem. § 2041 S. 1 Var. 3 BGB bei Einsatz nachlassfremder Mittel also ebenfalls erfüllbar, nämlich wenn der Erwerb nach der Willensrichtung des rechtsgeschäftlich Handelnden dem Nachlass zugutekommen soll (subjektive Komponente) und weiter ein innerer Zusammenhang mit dem Nachlass besteht (objektive Komponente), der auch in einer wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit begründet sein kann (BGH DNotZ 2018, 52 Rn. 12; OLG Düsseldorf OLGR 1998, 121, 122 f.).

Die geforderte subjektive Komponente geht im unterbreiteten Sachverhalt schon daraus hervor, dass Herr und Frau G in Erbengemeinschaft erwerben wollen. Die weiter erforderliche wirtschaftliche Zweckmäßigkeit für den Nachlass wird man hier darin erkennen können, dass der Erwerb des Nachbargrundstücks räumlich der Abrundung des Nachlassgrundbesitzes dient und auf diese Weise der Werterhöhung des im räumlichen Zusammenhang stehenden Nachlassgrundvermögens dient.

e) Ergebnis im Sachverhalt a)
Im Ergebnis erwerben Herr und Frau G deswegen im Sachverhalt a) nach unserer Einschätzung das Nachbargrundstück im Berechtigungsverhältnis der Erbengemeinschaft unabhängig davon, ob der Kaufpreis hierfür aus Nachlassmitteln oder aus Eigenvermögen des Herrn und der Frau G stammt. Da der Erwerb in Erbengemeinschaft unter den hier erfüllten gesetzlichen Voraussetzungen zwingend ist, wäre ein abweichendes Berechtigungsverhältnis nur durch nachfolgende rechtsgeschäftliche Erklärungen der Erwerber denkbar.

2. Realteilung; Ergebnis im Sachverhalt lit. b)
Auch im Fall der Realteilung werden Frau BW und K1 bis K3 im Berechtigungsverhältnis der Erbengemeinschaft (nur) dann erwerben, wenn die Voraussetzungen des § 2041 S. 1 Var. 3 BGB hierbei erfüllt sind. Diese sind im Sachverhalt b) aber nach unserer Einschätzung zu bejahen, da Frau BW und K1 bis K3 für den Erwerb des nach der Realteilung auf sie entfallenden selbständigen Grundstückes im Nachlass vorhandene Mittel aufwenden, nämlich den hälftigen Mitteigentumsanteil an dem Stammgrundstück, der ihnen in Erbengemeinschaft zusteht. Diesen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Stammgrundstück geben sie auf und erhalten dafür im Wege der Auseinandersetzung nach Realteilung zu Alleineigentum ein rechtlich selbständiges (kleineres) Grundstück. Durch diesen objektiven Einsatz von Nachlassmitteln sind die Voraussetzungen des § 2041 S. 1 Var. 3 BGB nach einhelliger Auffassung erfüllt (s. als Parallelfall OLG Köln BeckRS 1987, 2469 = Rpfleger 1987, 409 f. zu einem Tauschvertrag). Die Bildung von Bruchteilseigentum gemäß den Erbquoten im Wege einer Teilerbauseinandersetzung ist im Sachverhalt b) also nicht erforderlich, um den geplanten Erwerb von Frau BW und K1 bis K3 zu gestalten.

Gutachten/Abruf-Nr:

177481

Erscheinungsdatum:

03.07.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 99-101

Normen in Titel:

BGB § 2032; BGB § 2041