24. Januar 2020
BGB § 2368; BGB § 892; BGB § 2366

Gutgläubiger Grundstückserwerb aufgrund Verfügung des Testamentsvollstreckers; Streit über Testierfähigkeit des Erblassers

BGB §§ 2368, 2366, 892
Gutgläubiger Grundstückserwerb aufgrund Verfügung des Testamentsvollstreckers; Streit über Testierfähigkeit des Erblassers

I. Sachverhalt
Der Erblasser setzte durch notarielles Testament verschiedene Erben ein und ordnete Testamentsvollstreckung zur Abwicklung an. Sein einziger Sohn wurde testamentarisch nicht berücksichtigt.

Zum Nachlass gehört ein Grundstück. Der Testamentsvollstrecker verkaufte dieses auf Basis und unter Vorlage des Testaments und der Eröffnungsniederschrift. Nach Abschluss des notariellen Kaufvertrags drohte der (enterbte) Sohn die Anfechtung des Testaments wegen angeblicher Geschäftsunfähigkeit des Erblassers an und behielt sich gerichtliche Schritte vor.

Dem Käufer des Grundstücks ist dies bekannt. Eine Klage ist allerdings bisher nicht erhoben worden. Das Nachlassgericht sieht keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Testaments. Der Testamentsvollstrecker und die testamentarisch eingesetzten Erben haben nunmehr einen Erbschein und ein Testamentsvollstreckerzeugnis beantragt, um einen gutgläubigen Erwerb des Grundstückserwerbers zu ermöglichen. Dessen Rechtsanwalt wendet allerdings ein, dass auch in diesem Fall kein gutgläubiger Erwerb möglich sei, da dem Käufer bekannt sei, dass der enterbte Sohn möglicherweise die Unwirksamkeit des Testaments herbeiführen könne (selbst wenn dafür derzeit keine Anhaltspunkte bestünden).

II. Fragen
1. Wie lässt sich ein rechtssicherer Erwerb des Käufers sicherstellen, auch wenn ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Testaments im Raum steht?

2. Wie weit reicht allgemein der Gutglaubensschutz beim Testamentsvollstreckerzeugnis?

III. Zur Rechtslage
1. Positive Reichweite des Schutzes durch ein Testamentsvollstreckerzeugnis
Auf das Testamentsvollstreckerzeugnis sind gem. § 2368 S. 2 Hs. 1 BGB die Vorschriften über den Erbschein (insbesondere §§ 2365, 2366 BGB) entspre­chend anzuwenden.

Sollte das Testamentsvollstreckerzeugnis unrichtig sein, so geht die Fiktionswirkung gem. §§ 2368 S. 2 Hs. 1, 2365 BGB dahin, dass der Testamentsvollstrecker das darin bezeugte Amt einschließlich evtl. angegebener Erweiterungen erlangt hat und durch keine anderen als die angegebenen Anordnungen beschränkt ist. Fehlt es tatsächlich an der Rechtsmacht, so wird sie dem gutgläubigen Dritten gegen­über durch das Zeugnis fingiert. Geschäfte des Scheintestamentsvollstreckers sind daher hinsichtlich ihrer Wirksamkeit gegenüber einem gutgläubigen Dritten denjenigen des wirklichen Testamentsvollstreckers gleichgestellt. Das Zeugnis legitimiert den Testamentsvollstrecker bei allen Rechtsgeschäften, die er kraft seiner Amtsstellung vorzunehmen hat (s. nur MünchKommBGB/Grziwotz, 8. Aufl. 2020, § 2368 Rn. 45, 47; Staudinger/Herzog, BGB, 2016, § 2368 Rn. 25; Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2368 Rn. 8). Der Schutz des öffentlichen Glaubens aufgrund des Testamentsvollstreckerzeugnisses erstreckt sich auch auf Verpflichtungsgeschäfte: Der Scheintestamentsvollstrecker kann daher den Nachlass und somit den wirklichen Erben nach §§ 2206, 2207 BGB wirksam verpflichten (NK-BGB/Kroiß, 5. Aufl. 2018, § 2368 Rn. 21; MünchKommBGB/Grziwotz, § 2368 Rn. 48; Palandt/Weidlich, § 2368 Rn. 8). Der Gutglaubensschutz greift selbst dann ein, wenn der Testamentsvollstrecker dem Käufer das Testamentsvollstreckerzeugnis nicht vorgelegt hat (s. nur BGH NJW 1963, 1972, 1974 zum Erbschein).

Insgesamt werden über die §§ 2365 ff. BGB also Geschäfte des Scheintestamentsvollstreckers denjenigen eines tatsächlichen Testamentsvollstreckers gleichgestellt. Zimmermann (Die Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2020, Rn. 276) bringt dafür folgendes anschauliche Beispiel: Veräußert ein Testamentsvollstrecker aus dem Nachlass ein Bild an D, dann wird D geschützt (und hat wirksam erworben), wenn sich später herausstellt, dass der Erblasser geisteskrank war, also nicht wirksam testieren und auch nicht wirksam einen Testamentsvollstrecker ernennen konnte.

Der Anwendungsbereich des Gutglaubensschutzes nach Maßgabe der §§ 2368 S. 2 Hs. 1, 2366 BGB ist folglich grundsätzlich eröffnet, wenn – wie im geschilderten Sachverhalt – die Testierfähigkeit des Erblassers zweifelhaft ist und möglicherweise fehlt. Allerdings ist der Gutglaubensschutz in mehrfacher Hinsicht beschränkt.

2. Begrenzung des Schutzes
a) Nachlasszugehörigkeit
Das Testamentsvollstreckerzeugnis begründet nach § 2368 BGB keine Fiktion des Inhalts, dass der veräußerte Gegenstand zum Nachlass gehört. Diese Begrenzung gilt gem. § 2366 BGB auch für den Erbschein, der den gutgläubigen Geschäftspartner „nur“ ebenso stellt wie beim Erwerb vom wahren Erben. Insoweit ist in beiden Fällen ein gutgläubiger Erwerb lediglich nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 892 f., 932 ff. BGB möglich, falls die jeweils geforderte objektive Rechtscheinsbasis (Grundbucheintragung, Besitzstand) im Einzelnen gegeben ist (MünchKommBGB/Grziwotz, § 2368 Rn. 47; Palandt/Weidlich, § 2368 Rn. 8, § 2366 Rn. 4 ff.).

Sollte mithin bereits die Grundbucheintragung auf den Erblasser unrichtig gewesen sein und das veräußerte Grundstück folglich nicht zu seinem Nachlass gehören, so würde das erteilte Testamentsvollstreckerzeugnis über §§ 2368 S. 2 Hs. 1, 2366 BGB nicht über diesen Mangel hinweghelfen. Deswegen ist in der Tat nachdrück­lich anzuraten, dass die Erben die Grundbuchberichtigung auf die Erbengemeinschaft aufgrund des zu erteilenden Erbscheins durchführen lassen. Sind sodann die Erben in Erbengemeinschaft samt Testamentsvollstreckervermerk gem. § 52 GBO im Grundbuch eingetragen, so könnte ein evtl. bereits in der Person des Erblassers fehlendes Grundstückseigentum über § 892 Abs. 1 BGB überwunden werden. Es ist in dieser Hinsicht ausreichend, wenn das Grundbuch spätestens gleichzeitig mit der Eigentumsumschreibung berichtigt wird. Die noch ausstehende Grundbuchbe­richtigung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags hindert nach der neueren Rechtsprechung einen gutgläubigen Erwerb gem. § 892 BGB nicht (BGH NJW 2003, 202, 203; NJW 1980, 2413, 2414; BayObLG NJW 2003, 3785; zu § 892 BGB s. näher Gutachten DNotI-Report 2019, 37).

b) Kraftloswerden des Zeugnisses
Der durch das Testamentsvollstreckerzeugnis vermittelte Gutglaubensschutz entfällt, wenn das Zeugnis kraftlos wird. Dies ist gem. § 2368 S. 2 Hs. 2 BGB mit der Beendigung des Amts des konkret amtierenden Testamentsvollstreckers der Fall. Als Beendigungsgrund in Betracht kommen etwa Erledigung der Aufgabe, Zeitablauf, Bedingungseintritt, Kündigung oder Entlassung. Die Beendigung nach § 2368 S. 2 Hs. 2 BGB lässt das Zeugnis – im Gegensatz zum Erbschein – von selbst kraftlos werden. Ein förmliches Einziehungsverfahren nach § 2361 BGB ist dazu keine Voraussetzung (s. nur MünchKommBGB/Grziwotz, § 2368 Rn. 50; Staudinger/Herzog, § 2368 Rn. 30). Kraft Gesetzes erlischt das Testamentsvollstreckeramt auch nach §§ 2225, 2201 BGB, wenn der Testamentsvollstrecker geschäftsunfähig wird oder nach § 1896 BGB zur Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten einen Betreuer erhält (Fallbeispiel: BayObLG DNotZ 1996, 102; s. auch Staudinger/Herzog, § 2368 Rn. 30; allg. MünchKommBGB/Grziwotz, § 2368 Rn. 50). Der eingeschränkte Gutglaubensschutz durch das Testamentsvollstreckerzeugnis hilft über eine solche gesetzliche Amtsbeendigung also nicht hinweg.

Die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers muss grundsätzlich bis zur Vollendung des Rechtserwerbs durch Eigentumsumschreibung vorliegen (vgl. BeckOGK-BGB/Kesseler, Std.: 1.1.2019, § 878 Rn. 2; Palandt/Herrler, § 878 Rn. 1). Eine Vorverlagerung des insoweit maßgeblichen Zeitpunkts auf die Antragstellung beim Grundbuchamt analog § 878 BGB wird für den Testamentsvollstrecker von der immer noch überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung abgelehnt: Der nachträgliche Fortfall der Verfügungsbefugnis sei systematisch etwas anderes als der in § 878 BGB geregelte nachträgliche Eintritt einer Verfügungsbeschränkung (in diesem Sinne etwa BayObLG MittBayNot 1999, 82, 84 = DNotI-Report 1998, 221; OLG Brandenburg VIZ 1995, 365, 366; OLG Celle NJW 1953, 945; Gegenansicht mit Überblick bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 124; MünchKommBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, § 878 Rn. 11; Palandt/Herrler, § 878 Rn. 11).

Bei Anhaltspunkten für eine Amtsbeendigung dürfte es sich daher als sicherster Weg (dazu allg. Winkler, BeurkG, 19. Aufl. 2019, § 17 Rn. 210) empfehlen, die Urkunde von den testamentarisch berufenen Erben zusätzlich genehmigen zu lassen. Dann läge – wenn keine Ersatztestamentsvollstreckung angeordnet ist – zusätzlich die Zustimmung der in diesem Fall Verfügungsberechtigten vor; eine vorzeitige Beendigung des Amts des konkreten Testamentsvollstreckers wäre insoweit unschädlich (ausf. zum Problem Zahn, MittRhNotK 2000, 90, 103 ff., 108 f.). Im vorliegenden Fall steht allerdings nicht die Beendigung des Amts im Raum, sondern eine mögliche Unwirksamkeit der Anordnung der Testamentsvollstreckung. Letztere erfasst § 2368 S. 2 Hs. 2 BGB aber gerade nicht.

c) Positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Zeugnisses
Ausgeschlossen ist der Schutz des guten Glaubens des Erwerbers hinsichtlich des Testamentsvollstreckerzeugnisses darüber hinaus gem. §§ 2368 S. 2 Hs. 1, 2366 Hs. 2 BGB, wenn der Erwerber die Unrichtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses kennt. Ebenso entfällt der durch das Grundbuch nach Grundbuchberichtigung auf die Erben vermittelte Gutglaubensschutz gem. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn der Erwerber die Unrichtigkeit kennt. Erforderlich ist insoweit positive Kenntnis der Unrichtigkeit des Inhalts von Erbschein bzw. Testamentsvollstreckerzeugnis. Eine auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis zerstört den Gutglaubensschutz nach der klaren gesetzlichen Anordnung dagegen noch nicht (vgl. Staudinger/Herzog, § 2366 Rn. 10; MünchKommBGB/Grziwotz, § 2366 Rn. 27 ff.; Palandt/Weidlich, § 2366 Rn. 2 m. w. N.). Auch die bloße Kenntnis von der Anhängigkeit eines Rechtsstreits über das Erbrecht entzieht den Gutglaubensschutz nicht (Staudinger/Herzog, § 2366 Rn. 12). Eine Testamentsanfechtung im technischen Sinne nach den §§ 2078 ff. BGB, für die hinsichtlich des Gutglaubensschutzes wei­ter einschränkend § 142 Abs. 2 BGB von Bedeutung wäre (Staudinger/Herzog, § 2366 Rn. 12), steht bei einem Streit um die Testierfähigkeit des Erblassers nicht im Raum.

Die Kenntnis davon, dass die Testierfähigkeit des Erblassers möglicherweise zweifelhaft war und der enterbte Sohn daher möglicherweise einen Rechtsstreit einleiten will, genügt mithin nicht, um dem Käufer den Gutglaubensschutz gem. §§ 2368 S. 2 Hs. 1, 2366 BGB sowie – nach Grundbuchberichtigung – gem. § 892 BGB zu entziehen.

3. Fazit für den vorliegenden Fall
Im Ergebnis dürfte es u. E. anzuraten sein, aufgrund des noch zu erteilenden Erbscheins spätestens bis zur Eigentumsumschreibung auf den Käufer zugleich das Grundbuch auf die Erben berichtigen zu lassen. Bei Anhaltspunkten für eine Amtsbeendigung sollten die Testamentserben zusätzlich die Urkunde genehmigen, damit die Schwächen des Gutglaubensschutzes nach § 2368 S. 2 Hs. 2 BGB überwunden werden.

Schaden würde dem Käufer aufgrund des weiterreichenden Gutglaubensschutzes gem. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB dann nur die noch eintretende positive Kenntnis, dass die eingetragenen Erben nicht die Eigentümer sind, oder die Eintragung eines Widerspruchs. Allein die Ankündigung eines enterbten Kindes, es werde das Testament anfechten, dürfte eine solche positive Kenntnis nicht vermitteln. Falls – wie üblich – zur Absicherung des Eigentumsverschaffungsanspruchs des Käufers zunächst eine Vormerkung (§ 883 BGB) eingetragen wird, ist nach h. M. der maßgebliche Zeitpunkt für die Voraussetzungen des § 892 BGB (die die Rechtszuständigkeit des Vormerkungsschuldners ersetzen) bereits der Zeitpunkt des Entstehens der Vormerkung (s. etwa BGH NJW 1981, 446, 447; Urt. v. 20.7.2007, BeckRS 2007, 13424, Tz. 20; Staudinger/Picker, 2019, § 892 Rn. 187). Späteres Bösgläubigwerden des Käufers oder die spätere Eintragung eines Widerspruchs würden diesem dann nicht mehr schaden.

Gutachten/Abruf-Nr:

170623

Erscheinungsdatum:

24.01.2020

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 11-13

Normen in Titel:

BGB § 2368; BGB § 892; BGB § 2366