02. November 2023
BGB § 650u; BGB § 650j

Bauträgervertrag; Erwerb durch Nachzügler; Vereinbarung des „Ist-Zustandes“ als geschuldete Beschaffenheit

BGB §§ 650u, 650j
Bauträgervertrag; Erwerb durch Nachzügler; Vereinbarung des „Ist-Zustandes“ als geschuldete Beschaffenheit

I. Sachverhalt
Ein Bauträger möchte eine bislang nicht genutzte Wohnung eines Mehrfamilienhauses veräußern. Die weiteren Wohnungen sind bereits veräußert und werden seit einiger Zeit genutzt, Gebrauchsspuren am Gemeinschaftseigentum sind sichtbar.

Der Erwerber hat den Vertragsgegenstand (Sonder- und Gemeinschaftseigentum) vor Vertragsschluss eingehend besichtigt. Im Vertrag soll vorrangig vor der Baubeschreibung der Ist-Zustand als geschuldete Beschaffenheit des Vertragsgegenstands vereinbart werden, sofern die Bauausführung sichtbar von der Baubeschreibung abweicht.

II. Frage
Kann der Ist-Zustand des Vertragsgegenstands als geschuldete Beschaffenheit vereinbart werden?

III. Zur Rechtslage
1. Abgrenzung zwischen Kaufvertrag und Bauträgervertrag bei fertiggestellten Objekten („Erwerb durch Nachzügler“)
Der Klärung bedarf zunächst, ob es sich bei dem in Rede stehenden Vertrag um einen Kaufvertrag oder einen Bauträgervertrag handelt.

Ein Bauträgervertrag ist ausweislich des § 650u Abs. 1 S. 1 BGB ein Vertrag, der die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks zum Gegenstand hat und der zugleich die Verpflichtung des Unternehmers enthält, dem Besteller das Eigentum an dem Grundstück zu übertragen oder ein Erbbaurecht zu bestellen oder zu übertragen. Im Hinblick auf die vom Bauträger übernommene Bauverpflichtung gelangt das Werkvertragsrecht zur Anwendung, während sich die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums am Grundstück nach Kaufvertragsrecht richtet, § 650u Abs. 1 S. 2 und 3 BGB.

Für sog. Nachzüglerfälle, wenn also der Bauträger eine Immobilie nach vollständiger Fertigstellung veräußert, gilt nach ständiger Rechtsprechung des BGH, dass sich die Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen grundsätzlich nach Werkvertragsrecht richten, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein (BGH DNotZ 2016, 525 Rn. 22 m. w. N.). Hierfür ist maßgeblich, ob sich aus dem Inhalt solcher Verträge, aus ihrem Zweck und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie aus der Interessenlage der Vertragsparteien die Verpflichtung des Veräußerers zu einer mangelfreien Errichtung des Bauwerks ergibt (BGH DNotZ 2016, 525 Rn. 23). Dies ist in aller Regel dann der Fall, wenn eine Immobilie nach der Verkehrsanschauung als neu errichtetes Objekt zu qualifizieren ist (vgl. BGH DNotZ 2016, 525 Rn. 25).

Aus der zum 1.1.2018 in Kraft getretenen Regelung des § 650u Abs. 1 S. 1 BGB, nach der ein Bauträgervertrag eine Pflicht zur „Errichtung“ eines Hauses voraussetzt, kann nach ganz h. M. nicht abgeleitet werden, dass die vorstehenden Abgrenzungskriterien aufgegeben und ein Nachzüglererwerb dem Kaufrecht unterstellt werden könne (Basty, Der Bauträgervertrag, 11. Aufl. 2023, Kap. 1 Rn. 12; a. A. nur MünchKommBGB/Busche, 9. Aufl. 2023, § 650u Rn. 14, der allerdings schon vor der Reform des Bauvertragsrechts entgegen der ständigen Rechtsprechung des BGH den Nachzüglererwerb dem Kaufrecht unterstellen wollte).

Wo die zeitliche Grenze für das Vorliegen eines dem Bauträgerrecht zu unterstellenden Nachzüglererwerbs zu ziehen ist, ist im Schrifttum seit jeher umstritten. Das Spektrum der vertretenen Ansichten reicht von zwei bis zu fünf Jahren nach Fertigstellung (vgl. die Nachweise bei Basty, Kap. 1 Rn. 13, dort insb. Fn. 24 und 25). Der BGH hatte bislang nur selten die Gelegenheit, sich hierzu zu positionieren. Ausdrücklich entschieden ist bislang lediglich, dass bei der Veräußerung einer Wohnung drei Jahre nach Errichtung und zwischenzeitlicher Vermietung im Regelfall keine Errichtungsverpflichtung mehr anzunehmen sein wird (BGH DNotZ 2016, 525 Rn. 25). Ob es dem BGH dabei alleine auf das Zeitmoment von drei Jahren oder zusätzlich auch auf die tatsächliche Nutzung der Wohnung infolge der Vermietung ankam, ist unklar (vgl. Basty, Kap. 1 Rn. 13). Hingegen liegt ein Bauträgervertrag mit Errichtungsverpflichtung vor, wenn das Bauvorhaben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses seit etwa zwei Jahren fertiggestellt und nach dem Vertrag in der verkauften Wohnung noch verschiedene Arbeiten zu leisten sind (BGH DNotZ 2016, 617 Tz. 29; hierzu auch Basty, Kap. 1 Rn. 13).

Im vorliegenden Fall handelt es sich somit vorrangig um eine seitens des DNotI nicht abschließend zu beurteilende Tatfrage, ob der Vertrag als Kaufvertrag oder als Bauträgervertrag zu qualifizieren ist. Zumindest die Gebäudeteile, die den Gegenstand des veräußerten Sondereigentums bilden, wird man mangels bisheriger Nutzung nach der Verkehrsanschauung als neu errichtet zu qualifizieren haben, wenn nicht wenigstens drei Jahre seit Fertigstellung vergangen sind. Sofern die Fertigstellung des Bauwerks insgesamt noch nicht allzu lang zurückliegt, dürfte auch der Gegenstand des Gemeinschaftseigentums noch nicht als gebrauchte, sondern als neu errichtete Immobilie zu betrachten sein. Gegenteiliges könnte wohl frühestens nach einer Nutzungsdauer von mindestens zwei bis drei Jahren angenommen werden (vgl. Basty, Kap. 14 Rn. 41, wonach jedenfalls eine Nutzungsdauer von bis zu einem Jahr nicht ausreichen soll; s. auch BGH DNotZ 2016, 617).

Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass hier ein Bauträgervertrag vorliegen dürfte, nach dessen Inhalt der Bauträger eine Errichtungspflicht sowohl hinsichtlich des veräußerten Sondereigentums als auch hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums schuldet. Der Vertrag ist daher als Bauträgervertrag i. S. d. § 650u BGB zu qualifizieren.

2. Vereinbarung des „Ist-Zustandes“ als geschuldete Beschaffenheit
In einem zweiten Schritt ist zu erörtern, ob die Vertragsbeteiligten den bei einer Besichtigung vorgefundenen, erkennbaren tatsächlichen Zustand des Bauwerks („Ist-Zustand“) zum Inhalt der werkvertraglich geschuldeten Beschaffenheit i. S. d. § 650u Abs. 1 S. 2, § 633 Abs. 1 S. 1 BGB machen können.

a) Entscheidung des BGH zur Beurkundungsbedürftigkeit einer Baubeschreibung
In diesem Zusammenhang ist zunächst auf die Entscheidung des BGH vom 10.2.2005 (DNotZ 2005, 467 m. Anm. Basty) hinzuweisen. Dort ist Folgendes ausgeführt:

„Der Bauträgervertrag, zu dessen Erfüllung der Kläger die Zahlung geleistet hat, ist gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Der Vertrag sah die Übertragung eines Grundstücksrechts vor. Er bedurfte daher gemäß § 313 Satz 1 BGB [= § 311b Abs. 1 BGB n. F.] der notariellen Beurkundung. Dies schließt alle Abreden ein, die Gegenstand der vertraglichen Pflichten der Parteien werden sollen. Eine Baubeschreibung, die Vertragsinhalt ist, muss beurkundet werden (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile v. 23. 9. 1977 - V ZR 90/75, BGHZ 69, 266; v. 6. 4. 1979 - V ZR 72/74, BGHZ 74, 346). Die Beurkundungsverpflichtung besteht unabhängig davon, ob und inwieweit der Bauträger die geschuldete Werkleistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich ausgeführt hat (vgl. BGH, Urt. v. 16. 12. 2004 - VII ZR 257/03, z.V.b.).“

(BGH DNotZ 2005, 467, 468 – Hervorhebungen durch DNotI)

Diese Entscheidung des BGH darf nicht etwa dahin missverstanden werden, bei einem Erwerb durch einen Nachzügler müsse das werkvertraglich geschuldete Leistungssoll stets durch eine Baubeschreibung konkretisiert werden. Im Grunde beschränkt sich die Kernaussage des BGH auf eine Selbstverständlichkeit: Die Beurkundungsbedürftigkeit nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB erfasst den Vertrag seinem ganzen Inhalt nach, also einschließlich aller Nebenabreden. Wenn eine Baubeschreibung nach dem Willen der Beteiligten Vertragsinhalt ist, bedarf sie damit auch der Beurkundung. Die Schlussfolgerung, dass eine Baubeschreibung stets zum Vertragsinhalt gemacht werden müsse, lässt sich daraus nicht ziehen (so auch Basty in seiner Urteilsanmerkung DNotZ 2005, 467, 470).

b) Bedeutung des § 650j BGB
Ebenso wenig kann der seit 2018 geltenden Norm des § 650j BGB entnommen werden, eine Baubeschreibung müsse zum Vertragsinhalt gemacht werden. Diese Norm statuiert lediglich eine vorvertragliche Informationspflicht. Eine nicht den Anforderungen des § 650j BGB genügende Baubeschreibung mag zwar zu einer für den Bauträger nachteiligen Auslegung des Bauträgervertrags nach Maßgabe des § 650k Abs. 2 BGB führen, nicht aber zur Nichtigkeit des Vertrags (Basty, Kap. 1 Rn. 121).

c) Meinungsstand in der Literatur
Es stellt sich vielmehr die grundsätzliche Frage, ob die Beteiligten eines Bauträger- bzw. eines Werkvertrags das geschuldete Leistungssoll durch den tatsächlich vorgefundenen Zustand definieren können. Diese Frage ist im Schrifttum umstritten.

Nach Basty soll dies (zumindest theoretisch) möglich sein (vgl. Kap. 1 Rn. 121). Er räumt jedoch ein, regelmäßig seien Leistungen über den sichtbaren Zustand hinaus geschuldet. Durch eine Besichtigung werde sich nicht der Umfang aller erforderlichen Arbeiten erschließen. Aus dem Zustand bei einer Besichtigung seien auch kaum Kriterien für die Auslegung des Vertrags im Hinblick auf die vom Bauträger insgesamt geschuldeten Leistungen abzuleiten (Basty, Kap. 11 Rn. 52). Somit sei es nur in seltenen Fällen gegeben, dass eine vorhandene Baubeschreibung nicht zum Vertragsinhalt gemacht werden solle (vgl. Basty, Kap. 1 Rn. 121). Basty empfiehlt letztlich die Mitbeurkundung einer Baubeschreibung anstelle der Verweisung auf den Ist-Zustand (Basty, Kap. 11 Rn. 52).

Folgt man der Ansicht von Basty, so obliegt es jedenfalls dem Notar gem. § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG, den Willen der Beteiligten besonders sorgfältig zu erforschen, ob nicht doch eine Baubeschreibung zum Vertragsinhalt gemacht werden soll. Hier dürfte ein erhöhtes Haftungsrisiko nach § 19 BNotO nicht von der Hand zu weisen sein (vgl. BeckOGK-BeurkG/Regler, Std.: 1.10.2023, § 17 Rn. 110). Denn typischerweise wird in erster Linie eine Baubeschreibung die Grundlage dafür sein, dass sich der Erwerber für den Vertragsschluss entschließt. Folglich wird es auch seinem Willen entsprechen, die Baubeschreibung ihrem vollen Umfang nach zum Vertragsinhalt zu machen (vgl. Basty, DNotZ 2005, 467, 470 f.).

Ebenso lassen auch Wolfsteiner/Bomhard (in: Kersten Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 27. Aufl. 2023, § 33 Rn. 38) eine Vereinbarung des gegenwärtigen Zustands als Sollzustand zu, allerdings mit der Einschränkung, dass das Bauwerk insbesondere unter Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik errichtet worden ist. Hertel (in: Limmer/Hertel/Frenz, Würzburger Notarhandbuch, 6. Aufl. 2022, Teil 2 Kap. 3 Rn. 55) äußert sich etwas zurückhaltender und möchte wohl eine derartige Vereinbarung ebenfalls zulassen, räumt aber ein, am sichersten sei eine ausdrückliche vertragliche Regelung der einzelnen Abweichungen des Ist-Zustandes von den Angaben in der Baubeschreibung.

Wochner führt aus, die Beteiligten könnten zwar eine von der Baubeschreibung abweichende Beschaffenheitsvereinbarung treffen. Diese müsse aber in den Bauträgervertrag ausdrücklich aufgenommen und der Erwerber darauf hingewiesen werden, in welchen Punkten der Bauträger von der Baubeschreibung abgewichen sei. Der allgemein gehaltene Hinweis, es gelte der derzeitige Zustand als vereinbart, dürfte überraschend i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB sein, gegen des AGB-rechtliche Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, verstoßen und die Rechte des Erwerbers unangemessen einschränken (Wochner, in: Heinemann, Kölner Formularbuch Grundstücksrecht, 3. Aufl. 2021, Kap. 7 Rn. 31).

Thode weist schließlich darauf hin, die Bezugnahme auf den bei einer Besichtigung vorgefundenen Zustand begründe ein hohes Maß an Auslegungsunsicherheit, weil der Vertrag auf die subjektiven Wahrnehmungen der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses rekurriere (Thode, ZNotP 2005, 162, 168).

d) Verweisung auf den Ist-Zustand als Widerspruch zur Nachzügler-Rechtsprechung
U. E. ist bereits ganz grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, ob die Bestimmung des werkvertraglich geschuldeten Leistungssolls durch einen tatsächlich vorgefundenen Ist-Zustand möglich ist. Hierfür spricht zwar im Ausgangspunkt, dass die Vertragsparteien den seitens des Bauträgers geschuldeten Werkerfolg innerhalb der Grenzen der §§ 134, 138 BGB privatautonom festlegen können (vgl. MünchKommBGB/Busche, 9. Aufl. 2023, § 631 Rn. 67). Man wird sich jedoch zu vergegenwärtigen haben, dass im typischen Fall eines Bauträgervertrags – wie auch beim typischen Werkvertrag – der Vertragsschluss vor Erbringung der Werkleistung stattfindet. In diesem Fall ist eine Verweisung auf den Ist-Zustand nicht möglich, da das Werk noch nicht hergestellt ist.

Nun unterstellt aber bekanntermaßen der BGH den Erwerb durch Nachzügler trotz Erbringung der Bauleistung vor Vertragsschluss dem Bauträger- bzw. Werkvertragsrecht, wenn sich aus dem Inhalt solcher Verträge, aus ihrem Zweck und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie aus der Interessenlage die Verpflichtung des Veräußerers zu einer mangelfreien Errichtung des Bauwerks ergibt (BGH DNotZ 2016, 856 Rn. 22). Darin ist in erster Linie eine Wertungsentscheidung zu sehen, dass es für den Inhalt der vertraglichen Pflichten nicht auf den (meist zufälligen) Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommen soll. Erklärt man den bei einer Besichtigung vorgefundenen Ist-Zustand zum vertraglich geschuldeten Soll, so konterkariert dies die Nachzügler-Rechtsprechung des BGH. Denn damit wäre das Bestehen werkvertraglicher Herstellungsansprüche denknotwendig ausgeschlossen, da der Bauträger genau das schuldet, was bei einer Besichtigung vorzufinden war. Mit anderen Worten: Falls die Parteien den bereits vorhandenen Ist-Zustand als vertraglich geschuldetes Soll vereinbaren wollen, kann deren Vertrag seinem Inhalt nach eigentlich keine werkvertragliche Errichtungspflicht mehr beinhalten. Der Vertrag müsste vielmehr konsequenterweise als Kaufvertrag qualifiziert werden. Dies wird aber bei Objekten, die nach der Verkehrsanschauung als neu errichtet zu qualifizieren sind, kaum jemals in Betracht kommen (vgl. BGH DNotZ 2016, 525 Tz. 25). Ebenso wäre eine Abnahme i. S. v. § 640 BGB redundant, wenn der Bauträger den Ist-Zustand schulden würde. Die Vereinbarung des werkvertraglich geschuldeten Solls i. S. v. § 631 Abs. 1 S. 1, Hs. 1 BGB durch Verweisung auf den Ist-Zustand widerspricht u. E. somit dem Wesen des Werkvertragsrechts.

Im Ergebnis sind wir daher der Auffassung, dass die werkvertraglichen Leistungspflichten des Bauträgers auch bei einem Erwerb durch einen Nachzügler nicht durch eine Verweisung auf den bei einer Besichtigung vorgefundenen Ist-Zustand bestimmt werden können.

Für das weitere Vorgehen im hier vorliegenden Fall wird es geboten sein, den Willen der Beteiligten sorgfältig zu erforschen, § 17 Abs. 1 BeurkG. Zumindest nach dem mitgeteilten Sachverhalt liegt es nahe, dass der Bauträger mit der Verweisung auf den Ist-Zustand in erster Linie sicherstellen möchte, nicht wegen etwaiger, bei einer Besichtigung unschwer erkennbarer Abweichung der tatsächlichen Bauausführung von der Baubeschreibung auf Mängelbeseitigung in Anspruch genommen zu werden. Denkbar wäre etwa, dass sich der Raumzuschnitt innerhalb des verkauften Sondereigentums gegenüber der ursprünglichen Planung geändert hat oder dass sich ein Fenster an einer anderen Stelle befindet. Insoweit wird der Notar neben den von Wochner vorgebrachten AGB-rechtlichen Bedenken (in: Kölner Formularbuch Grundstücksrecht, Kap. 7 Rn. 31 – dazu sogleich näher) schon beurkundungsrechtlich gehalten sein, die Erklärungen der Beteiligten „klar und unzweideutig“ in die Vertragsurkunde aufzunehmen, § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG. Diesen Anforderungen ist u. E. nur Genüge getan, wenn die einzelnen Abweichungen ausdrücklich im Vertrag dargestellt sind (i. Erg. wohl auch Thode, ZNotP 2005, 162, 167 f.).

3. Vereinbarkeit mit dem AGB-Recht
Weiterhin stellt sich die Frage, ob eine Verweisung auf den bei der Besichtigung vorgefundenen Zustand mit dem AGB-Recht vereinbar ist.

Insoweit sind zwei Ansatzpunkte denkbar. Versteht man die Verweisung auf den Ist-Zustand als Bestimmung des werkvertraglichen Leistungssolls, so kommt – so man dies entgegen der hier vertretenen Auffassung für möglich hält – (nur) ein Verstoß gegen das Transparenzgebot in Betracht (dazu nachfolgend lit. a; die Hauptleistungspflichten sind einer AGB-Inhaltskontrolle im Übrigen nicht zugänglich, vgl. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB). Denkbar ist allerdings auch, darin keine Abrede über die Hauptleistungspflichten, sondern eine Einschränkung der Gewährleistungsrechte zu sehen. In diesem Fall hat (auch) eine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle stattzufinden.

Im Rahmen der folgenden Ausführungen wird die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB, also das Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen, ohne nähere Prüfung unterstellt.

a) Transparenzgebot
Zunächst sei der von Wochner geäußerte Gedanke aufgegriffen, eine pauschale Verweisung auf den Ist-Zustand verstoße gegen das AGB-rechtliche Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (Wochner, Kap. 7 Rn. 31).

Auch wenn Wochner seine Ansicht nicht explizit begründet, dürfte sie u. E. zutreffen. Klargestellt sei zunächst, dass es für die Anwendbarkeit des Transparenzgebots nicht darauf ankommt, ob man in der Bezugnahme auf den Ist-Zustand eine Vereinbarung über die werkvertraglichen Hauptleistungspflichten des Bauträgers oder eine Regelung über Mängelgewährleistungsrechte erblickt. In beiden Fällen ist das Transparenzgebot anwendbar, vgl. § 307 Abs. 3 BGB (hierzu auch Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 307 Rn. 44 m. w. N.).

Weiter gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass das geschuldete Leistungssoll nicht durch objektive Kriterien, sondern durch die subjektive Wahrnehmung des Erwerbers bei der Besichtigung definiert wird (vgl. Thode, ZNotP 2005, 162, 168). Mit anderen Worten: Der Vertragsinhalt wird durch das definiert, was der Erwerber subjektiv bei einer Besichtigung erkennen kann. Hinzu kommt, dass sich der durchschnittliche Erwerber bei einer Besichtigung in aller Regel nur ein unzureichendes Bild vom Vertragsobjekt machen wird. Als Beispiel sei nur die Wohnungsgröße genannt. Diese ist zwar durchaus „erkennbar“. Gleichwohl wird die Wohnung bei einer Besichtigung meistens nicht ausgemessen; ohne Ausmessen aber wird jedenfalls ein Laie häufig keine hinreichende Vorstellung von der Größe des Objekts gewinnen können (Basty, DNotZ 2005, 467, 470). Somit bleibt es letztlich der Auslegung durch ein Gericht überlassen, welche Leistungen der Bauträger schuldet.

Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot ist, dass die Verweisung auf den Ist-Zustand unwirksam ist. Wird – wie hier wohl beabsichtigt – i. Ü. auf die Baubeschreibung verwiesen, so spricht viel dafür, dass der Vertrag i. Ü. wirksam bleibt und der Bauträger die Errichtung nach Maßgabe der Baubeschreibung schuldet, § 306 Abs. 1 BGB.

b) Verstoß gegen § 309 Nr. 8 lit. b BGB
Weiterhin könnte in der Verweisung auf den bei einer Besichtigung vorgefundenen Ist-Zustand ein Verstoß gegen § 309 Nr. 8 lit. b BGB liegen.

Diese Vorschrift ist allerdings nur anwendbar, wenn man in der entsprechenden Vertragsklausel keine Vereinbarung über die Hauptleistungspflichten sieht, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Die Rechtsprechung sieht (insbesondere beim Verkauf von Gebrauchtwagen) in der Abrede „gekauft wie gesehen“ keine Beschaffenheitsvereinbarung, sondern regelmäßig einen Haftungsausschluss für erkennbare Mängel (vgl. BGH NJW 2016, 2495 Tz. 22; NJW 1979, 1886, 1887; Grüneberg/Weidenkaff, § 444 Rn. 16). Es spricht viel dafür, eine „Besichtigungsklausel“ bei einem Bauträgervertrag in gleicher Weise zu verstehen (so wohl auch Basty, Kap. 11 Rn. 55), zumal da nach der hier vertretenen Auffassung eine Festlegung der werkvertraglichen Leistungspflichten durch Bezugnahme auf den Ist-Zustand schon gar nicht möglich sein dürfte (weil hierdurch letztlich die Nachzügler-Rspr. des BGH konterkariert würde).

Soweit der hiesige Vertrag eine Werkleistung bzw. ein neu errichtetes Objekt zum Gegenstand hat, würde die Klausel als unzulässiger Haftungsausschluss gegen § 309 Nr. 8 lit. b BGB verstoßen und wäre damit unwirksam. Im Schrifttum wird im Allgemeinen davon ausgegangen, zwischen dem Neuheits-Kriterium des § 309 Nr. 8 lit. b BGB und der Qualifizierung als dem Bauträgerrecht zu unterstellender Nachzüglererwerb bestehe ein Gleichlauf (Basty, Kap. 14 Rn. 42). Mit anderen Worten: Solange ein Nachzüglererwerb dem Bauträger- bzw. Werkvertragsrecht untersteht, ist auch § 309 Nr. 8 lit. b BGB anwendbar und daher ein Gewährleistungsausschluss unwirksam.

c) „Verschleiß-Klausel“
Ergänzend sei klargestellt, dass eine Klausel, nach der der übliche Verschleiß keinen Baumangel begründet, zwar zulässig, aber inhaltlich überflüssig und allenfalls aus Gründen der vertraglichen Klarheit sinnvoll ist. Denn der typischerweise entstehende gebrauchsbedingte Verschleiß begründet ohnehin keinen Mangel (Basty, Kap. 14 Rn. 14).

4. Abschließende Zusammenfassung
Der vorliegende Vertrag dürfte insgesamt als Bauträgervertrag zu qualifizieren sein, da sowohl die im gegenständlichen Bereich des Sondereigentums als auch die im Bereich des Gemeinschaftseigentums befindlichen Gebäudeteile nach der Verkehrsanschauung als neu errichtet anzusehen sein dürften und den Bauträger somit nach dem Inhalt des Vertrags eine werkvertragliche Herstellungspflicht trifft.

Ob bei einem Bauträgervertrag die geschuldete Werkleistung durch den bei einer Besichtigung vorgefundenen Zustand definiert werden kann, wird im Schrifttum uneinheitlich beurteilt. U. E. ist dies nicht möglich, da darin ein unauflöslicher Widerspruch zu der Qualifikation des Vertrags als Bauträgervertrag läge. Selbst diejenigen Stimmen in der Literatur, die eine Bezugnahme auf den Ist-Zustand grundsätzlich für möglich halten, betonen, dass dies regelmäßig nicht dem Willen der Beteiligten (insbesondere des Erwerbers) entsprechen werde. Darüber hinaus ist eine bloße Bezugnahme auf den Ist-Zustand zur Bestimmung des vertraglich geschuldeten Leistungssolls nach unserer Auffassung intransparent i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

Verweist ein Bauträgervertrag dennoch auf den bei einer Besichtigung vorgefundenen Ist-Zustand, so wird dies als Gewährleistungsausschluss für erkennbare Mängel anzusehen sein. Dieser ist bei einem dem Bauträgerrecht zuzuordnenden Erwerb durch Nachzügler gem. § 309 Nr. 8 lit. b BGB unwirksam.

Gutachten/Abruf-Nr:

199854

Erscheinungsdatum:

02.11.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Bauträgervertrag und Werkvertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 161-166

Normen in Titel:

BGB § 650u; BGB § 650j