15. Juli 2022
ZPO § 189; ZPO § 173

Zustellung eines Schriftstücks an das besondere elektronische Anwaltspostfach eines Anwaltsnotar statt an dessen besonderes elektronisches Notarpostfach

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 190867
letzte Aktualisierung: 1 5 . Juli 2022

ZPO §§ 173, 189
Zustellung eines Schriftstücks an das besondere elektronische Anwaltspostfach eines
Anwaltsnotar statt an dessen besonderes elektronisches Notarpostfach

I. Sachverhalt

Ein Notar hat einen Hofübergabevertrag beurkundet. Dieser bedarf zu seiner Wirksamkeit
landwirtschaftsgerichtlicher Genehmigung. Der rechtsbehelfsfähige Beschluss des Landwirtschaftsgerichts
wurde dem Anwaltsnotar über dessen Anwaltspostfach (beA) zugestellt.

II. Frage

Ist die Zustellung von Gerichtspost in notariellen Angelegenheiten (z.B. Zwischenverfügungen,
(betreuungsgerichtliche) Genehmigungen etc.) durch Übermittlung an das Anwaltspostfach (BeA)
eines Anwaltsnotars zulässig und wirksam oder hat die Zustellung zwingend über das Notarpostfach
(beN) des Anwaltsnotars zu erfolgen?

III. Zur Rechtslage:

Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind nach § 9 LwVfG für Verfahren des Landwirtschaftsgerichts
die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit sinngemäß anzuwenden. Die Bekanntgabe eines Dokuments
kann gemäß § 15 Abs. 2 FamFG durch Zustellung nach den §§ 166-195 ZPO bewirkt werden.

Gemäß § 173 Abs. 1 ZPO können elektronische Dokumente elektronisch nur auf einem sicheren
Übermittlungsweg zugestellt werden. Einen solchen sicheren Übermittlungsweg haben gemäß
§ 173 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO Rechtsanwälte und Notare zu eröffnen. Demnach kann die Zustellung
grundsätzlich an einen Anwalt über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach
(„Anwaltspostfach“), an einen Notar über sein besonderes elektronisches Notarpostfach („Notarpostfach“)
erfolgen.

Im geschilderten Sachverhalt wurde einem Anwaltsnotar in einer Sache, die er als Notar beurkundet
hat, ein rechtsbehelfsfähiger Beschluss über sein Anwaltspostfach zugestellt. § 173 ZPO regelt
zwar nicht explizit, dass eine Zustellung an einen Anwaltsnotar, der in einer Sache als Notar tätig
war, nur an sein Notarpostfach erfolgen kann. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine Zustellung
grundsätzlich an dasjenige Postfach, dessen berufliche Tätigkeit der Inhaber im konkreten
Fall ausübt, erfolgen soll.

Zwar könnte man einerseits anführen, dass es für eine Zustellung im prozessualen Sinn genügt,
wenn der Empfänger eindeutig als Inhaber eines besonderen Postfachs identifiziert werden kann
(vgl. BT-Drs. 19/28399, 35) und damit die Anforderungen des § 173 ZPO erfüllt worden sind.
Den Notar als Person konnte man eindeutig als Empfänger identifizieren, da sowohl sein Anwaltspostfach
als auch sein Notarpostfach auf dessen konkreten Namen lauten. Andererseits
ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, dass die sogenannte passive Nutzungspflicht des
elektronischen Rechtsverkehrs ausschließlich die in professioneller Eigenschaft am Verfahren Beteiligten
in den elektronischen Rechtsverkehr einbeziehen soll (BT-Drs. 19/28399, 35). Im vorliegenden
Fall war jedoch nicht der Anwalt, sondern nur der Notar in professioneller Eigenschaft
am Verfahren beteiligt. Gegen diese Sichtweise spricht jedoch wiederum, dass der Anwaltsnotar
grundsätzlich in professioneller Eigenschaft tätig ist, wenn er als Anwalt oder als Notar handelt.
Wenn man im Rahmen der Zustellung streng zwischen diesen beiden professionellen Tätigkeiten
unterscheidet, wäre dies bloße Förmelei, die sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung ergibt.

Diese stellt nämlich lediglich darauf ab, dass die in professioneller Eigenschaft am Verfahren
Beteiligten in den elektronischen Rechtsverkehr einbezogen werden sollen, unterscheidet aber
nicht zwischen verschiedenen professionellen Tätigkeiten.

Aus der Gesetzesbegründung zu § 173 ZPO ergibt sich ferner, dass zum Beispiel Beamte, die
aufgrund und im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig mit dem Gericht kommunizieren,
in den elektronischen Rechtsverkehr eingebunden werden können. Ein Beamter, der als Privatperson
oder in dienstlicher Eigenschaft z.B. als Zeuge mit dem Gericht kommuniziert, soll jedoch
nicht verpflichtet werden, einen sicheren Übermittlungsweg zu eröffnen (BT-Drs. 19/28399, 35).

Überträgt man diese Sichtweise auf einen Anwaltsnotar, könnte man argumentieren, dass dieser
in seiner Eigenschaft als Anwalt auch über das Anwaltspostfach mit dem Gericht kommunizieren
soll, aber in seiner Eigenschaft als Notar gerade nicht.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob man die Gesetzesbegründung, die zwischen Beamten im
Rahmen ihrer privaten und beruflichen Tätigkeit unterscheidet, ohne Weiteres auf einen
Anwaltsnotar übertragen kann, der sowohl als Anwalt als auch als Notar in beruflicher Eigenschaft
auftritt. Tritt der Anwaltsnotar nach außen als Anwalt und Notar auf, wäre es bloße Förmelei,
wenn man darauf bestünde, dass das Gericht zwischen beiden Tätigkeiten unterscheiden müsste
und eine Zustellung nur wirksam an das konkrete Notarpostfach, nicht jedoch an das
Anwaltspostfach erfolgen könne.

Somit müsste eine Zustellung grundsätzlich auch an das Anwaltspostfach möglich sein,
insbesondere in Fällen, in denen der Anwaltsnotar selbst nicht zwischen seinen Tätigkeiten als
Anwalt und als Notar unterscheidet, nach außen als Anwalt und Notar auftritt und mit einem
solchen Briefkopf, der ihn als Anwalt und als Notar ausweist, mit dem Gericht kommuniziert.
Möglicherweise könnte man im vorliegenden Fall den Rechtsgedanken des § 177 ZPO fruchtbar
machen, die Norm ggf. analog anwenden. Demnach kann das Schriftstück der Person, der
zugestellt werden soll, an jedem Ort übergeben werden, an dem sie angetroffen wird. Der Notar
wurde hier durch die Zustellung an das elektronische Postfach zwar nicht persönlich
„angetroffen“, aber es könnte insofern eine vergleichbare Interessenlage und eine planwidrige
Regelungslücke vorliegen. Der Gesetzgeber hat die Situation, dass ein Anwaltsnotar über zwei
elektronische Postfächer verfügt und versehentlich an das „falsche“ Postfach zugestellt wird, nicht
bedacht. Fraglich ist jedoch, ob die Interessenlagen bei einer persönlichen Zustellung und einer
elektronischen Zustellung wirklich vergleichbar sind. § 177 ZPO soll die Zustellung vereinfachen,
wenn der Zustellungsadressat an einem anderen Ort als der eigentlichen Zustellungsadresse
angetroffen wird, und dient zugleich der Beschleunigung des Verfahrens (vgl.
MüKoZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl. 2020, § 177 Rn. 1). Ferner geht § 177 ZPO von dem
Leitbild einer unmittelbaren Zustellung durch persönliche Übergabe aus und gilt für alle
Zustellungsadressaten, sofern diese vom Zusteller sicher identifiziert werden können
(MüKoZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl. 2020, § 177 Rn. 1). Im Gegensatz zur elektronischen
Zustellung wird bei § 177 ZPO das zuzustellende Schriftstück zwar persönlich übergeben,
allerdings ermöglicht auch die elektronische Zustellung grundsätzlich die sichere Identifizierung
des Zustellungsadressaten. Auch der Zweck der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung
wird erreicht, wenn das Gericht nicht erneut an das Notarpostfach zustellen müsste, sondern man
eine Zustellung an das Anwaltspostfach genügen ließe. Daher müssten sich nach u. E. die
Grundsätze von § 177 ZPO auch auf die elektronische Zustellung übertragen lassen. Denn die
Norm zeigt, dass nicht am förmlichen Kriterium einer bestimmten „Zustellungsadresse“ zu haften
ist, sondern es um die effektive, tatsächliche Zustellung geht.

Geht man davon aus, dass ein Schriftstück an einen Anwaltsnotar, der im konkreten Sachverhalt
als Notar tätig war, auch an dessen Anwaltspostfach wirksam zugestellt werden kann, fehlt es im
vorliegend geschilderten Fall wohl dennoch an einer wirksamen Zustellung. Die Zustellung
erfolgt nämlich erst dann rechtlich wirksam, wenn der Empfänger gemäß § 173 Abs. 3 S. 1
ZPO durch Zurücksenden des elektronischen Empfangsbekenntnisses bestätigt, vom
übermittelten Dokument Kenntnis genommen zu haben (Biallaß, NJW 2019, 3495, 3495).
Mangels Angaben im geschilderten Sachverhalt wird davon ausgegangen, dass ein solches
Empfangsbekenntnis dem Gericht bisher nicht übermittelt wurde. Damit entsprach die
Zustellung grundsätzlich nicht den Erfordernissen des § 173 ZPO.

Allerdings könnte der Zustellungsmangel gemäß § 189 ZPO geheilt sein. Das Dokument ist dem
Notar über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften
i. S. d. § 189 ZPO zugegangen. In diesem Fall gilt das Dokument in dem Zeitpunkt
als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war,
tatsächlich zugegangen ist. Der Notar konnte, obwohl das Dokument sich in seinem Anwaltspostfach
statt Notarpostfach befand, von dem Inhalt des Dokuments Kenntnis nehmen. Damit
ist ihm das Dokument zu dem Zeitpunkt, als er tatsächlich Kenntnis davon nahm, zugegangen.
Es liegt auch kein Verstoß gegen Zustellungsvorschriften vor, der ausnahmsweise nicht nach
§ 189 ZPO geheilt werden kann. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn gegen die Art der
Zustellung (Zustellung im Partei- statt im Amtsbetrieb und umgekehrt) verstoßen worden wäre
(vgl. BeckOK-ZPO/Dörndorfer, Std.: 1.12.2021, § 189 Rn. 3; Musielak/Voit/Wittschier, ZPO,
18. Aufl. 2021, § 189 Rn. 2; je m. w. Nachw.). Hier wurde das Dokument jedoch lediglich an das
falsche elektronische Postfach gesendet.

Auch wenn das Gericht das Dokument nicht mit Zustellungswillen an den Adressaten gesandt
hätte, könnte dieser Fehler nicht nach § 189 ZPO geheilt werden (vgl. BGH BeckRS 2010, 15168,
Rn. 17; Saenger/Siebert, Zivilprozessordnung, 9. Aufl. 2021, § 189 Rn. 5). Hier ist jedoch davon
auszugehen, dass das Gericht mit Zustellungswillen handelte, indem es das Dokument dem Notar
als konkreter Person (mit dessen Namensbezeichnung) zustellte; das Gericht wählte also die richtige
Person, irrte sich aber in Bezug auf das Postfach.

Im geschilderten Sachverhalt ist unbekannt, ob bisher ein Empfangsbekenntnis an das Gericht
gemäß § 173 Abs. 3 S. 1 ZPO gesendet wurde. Fehlt ein solches Empfangsbekenntnis, kann dieser
Mangel nach § 189 ZPO geheilt werden (vgl. Musielak/Voit/Wittschier, § 174 Rn. 5). Der Umstand,
dass ein Rechtsanwalt oder Notar die Übermittlung des Empfangsbekenntnisses unterlässt,
hindert nämlich nicht die Heilung des Zustellungsmangels nach § 189 ZPO, wenn neben dem
tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Dokuments die erforderliche Empfangsbereitschaft des
Zustellungsempfängers anderweitig festgestellt werden konnte (Musielak/Voit/Wittschier, § 174
Rn. 5; Biallaß, NJW 2019, 3495, 3496). Benötigt wird also zumindest eine konkludente Äußerung
der Bereitschaft des Adressaten, das Schriftstück entgegenzunehmen (Biallaß, NJW 2019, 3495,
3496). Das OVG Saarlouis (NJW 2019, 2636) bestätigte eine solche Empfangsbereitschaft in einem
Fall, in dem der Prozessbevollmächtigte einen Berufungszulassungsantrag bezüglich des am
5.3.2019 zugestellten Urteils stellte und gleichzeitig mitteilte, dass er nicht von einer wirksamen
Zustellung am 5.3.2019 ausginge. In einem anderen Sachverhalt, in dem dem Bevollmächtigten
des Klägers die Ladung zur mündlichen Verhandlung über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach
zugestellt wurde und niemand zur mündlichen Verhandlung für den Kläger erschien,
vertrat das VG Leipzig (BeckRS 2019, 10081) trotz fehlender geäußerter Empfangsbereitschaft
des Adressaten die Auffassung, dass kein Zweifel an der Zustellung bestünde, da der Prozessbevollmächtigte
gem. § 31a Abs. 6 BRAO verpflichtet sei, Zustellungen und den Zugang von
Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen (s. auch Biallaß, NJW 2019, 3495, 3497).

Dieses Urteil des VG Leipzig kann man jedoch nicht auf den vorliegend geschilderten Sachverhalt
übertragen, da ein Notar nicht nach § 31 a Abs. 6 BRAO verpflichtet ist, Zugang von Mitteilungen
über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen. Umgekehrt ist der
Anwaltsnotar auch nicht verpflichtet, über sein Anwaltspostfach Mitteilungen zur Kenntnis zu
nehmen, die an ihn als Notar gerichtet sind.

Im konkret geschilderten Fall kommt es also darauf an, ob eine Empfangsbereitschaft des Adressaten,
d. h. die Bereitschaft, das Schriftstück als zugestellt entgegenzunehmen, festgestellt werden
kann. Diese Auslegungsfrage müssten im Zweifel die Gerichte beantworten. Möglicherweise
könnte man aber anführen, dass der Anwaltsnotar empfangsbereit war, da er den Inhalt des
Dokuments zur Kenntnis nahm.

Zusammenfassend ist nach u. E. die Zustellung an das besondere elektronische Anwaltspostfach
eines Anwaltsnotars, der in der Sache als Notar tätig war, nicht wirksam nach § 173 ZPO, wenn
es an der Rücksendung eines elektronischen Empfangsbekenntnisses fehlt.. Allerdings kann nach
u. E. dieser Zustellungsmangel gemäß § 189 ZPO geheilt werden, wenn die erforderliche
Empfangsbereitschaft des Anwaltsnotars festgestellt werden kann. Diese Fragen werden jedoch –
soweit ersichtlich – bisher nicht in der Literatur und Rechtsprechung diskutiert. Wie ein Gericht
in einem solchen Fall entscheiden würde, kann daher nicht abschließend beurteilt werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

190867

Erscheinungsdatum:

15.07.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

ZPO § 189; ZPO § 173