01. Juli 2011
BGB § 1192; GBO § 45; BGB § 879

Nießbrauch und Pfandrecht an einem Miterbenanteil; Bestellung einer Grundschuld am Grundstück der Erbengemeinschaft; Rangrücktritt des Nießbrauchsberechtigten bzw. des Pfandgläubigers hinter eine Grundschuld; Rangfähigkeit von Verfügungsbeschränkungen

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G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s Abruf-Nr.: 103765# l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 15. Juli 2011

GBO § 45; BGB §§ 879, 1192 Nießbrauch und Pfandrecht an einem Miterbenanteil; Bestellung einer Grundschuld am Grundstück der Erbengemeinschaft; Rangrücktritt des Nießbrauchsberechtigten bzw. des Pfandgläubigers hinter eine Grundschuld; Rangfähigkeit von Verfügungsbeschränkungen

I. Sachverhalt Ein Grundstück steht zusammen mit anderen Grundstücken in Erbengemeinschaft zwischen Mutter und Tochter. Am Erbanteil der Tochter ist ein Nießbrauchsrecht zugunsten der Mutter eingetragen. Weiterhin ist dieser Erbteil verpfändet. Beide Erben haben ein Grundstück aus dem Nachlass mit einer Grundschuld belastet. Die Gläubigerin ist der Ansicht, dass hinsichtlich Nießbrauch und Verpfändungsvermerk ein Rangrücktritt hinter die neu bestellte Grundschuld erforderlich sei. II. Frage Ist ein Rangrücktritt zugunsten der Grundschuldgläubigerin erforderlich? III. Zur Rechtslage 1. Nießbrauch an einem Erbteil Vorliegend ist der Erbteil der Tochter zum einen mit einem Nießbrauchsrecht zugunsten der Mutter belastet. Gemäß § 1068 Abs. 1 BGB kann Gegenstand des Nießbrauchs auch ein Recht sein. Daher kann anerkanntermaßen ein derartiger Rechtsnießbrauch auch an einem Erbteil bestellt werden (Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1089 Rn. 2; Staudinger/Frank, BGB, 2009, § 1089 Rn. 25; R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 4. Aufl. 2011, § 10 Rn. 168). Für die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Recht gelten gemäß § 1069 Abs. 1 BGB die für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften. Die dingliche Bestellung des Nießbrauchs an einem Erbteil ist daher notariell zu beurkunden, §§ 1069, 2033 Abs. 1 BGB (Staudinger/Frank, BGB, § 1089 Rn. 27; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl. 2001, § 1089 Rn. 4; Palandt/Bassenge, BGB, § 1089 Rn. 2).

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Zwar spricht der Umstand, dass es sich bei einem Nießbrauch an einem Erbteil nicht um einen Sachnießbrauch, sondern um einen reinen Rechtsnießbrauch handelt, gegen die Möglichkeit, diesen im Grundbuch einzutragen. Da allerdings der Nießbrauch an einem Erbteil ­ ebenso wie seine Verpfändung oder Pfändung ­ eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis über den nießbrauchbelasteten Gegenstand des Miterben bewirkt, kann diese Verfügungsbeschränkung anerkanntermaßen berichtigend im Grundbuch eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks eingetragen werden (OLG Hamm DNotZ 1977, 376; Staudinger/Frank, BGB, § 1089 Rn. 30; KEHE/Eickmann, Grundbuchrecht, 6. Aufl. 2006, Einl. D 39; Demharter, GBO, 27. Aufl. 2010, Anh. zu § 13 Rn. 33; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl. 2008, Rn. 1366 f., 1659 ff.; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl. 2009, § 10 GBV Rn. 34; kritisch: Lindemeier, DNotZ 1999, 876, 878 ff.; gegen die Eintragungsfähigkeit einer aus einem Nießbrauch an einem GbR-Anteil resultierenden Verfügungsbeschränkung jüngst: OLG München MittBayNot 2011, 221). 2. Verpfändung des Erbteils Des Weiteren wurde der Erbteil der Tochter vorliegend zugunsten eines Dritten verpfändet. Im Gegensatz zum Nießbrauch handelt es sich bei einem rechtsgeschäftlich bestellten Pfandrecht um ein akzessorisches Recht. Dabei kann zur Sicherung einer Forderung gemäß §§ 1272, 1274, 2033 BGB auch ein Erbteil verpfändet werden. Ohne Forderung kann ein Pfandrecht nicht entstehen (Palandt/Bassenge, BGB, § 1204 Rn. 13). Akzessorietät bedeutet in diesem Sinne, dass das Pfandrecht an eine bestimmte oder doch wenigstens bestimmbare Forderung geknüpft ist. Möglich ist dabei nach § 1204 Abs. 2 BGB auch die Anknüpfung an eine künftige oder bedingte Forderung. Entscheidend ist dabei, dass die zu sichernde Forderung nach ihrem Entstehungsgrund, nicht aber der Höhe nach oder dem Höchstbetrag nach bestimmbar ist (Palandt/Bassenge, BGB, § 1204 Rn. 11 m. w. N.). Soweit ein Pfandrecht an einem Erbteil wirksam bestellt werden kann, kann diese Verpfändung auch im Grundbuch eingetragen werden (Palandt/Edenhofer, BGB, § 2033 Rn. 18 m. w. N.), weil die Verpfändung eine Veränderung der Verfügungsbefugnis sämtlicher Miterben zur Folge hat (Demharter, GBO, Anh. zu § 13 Rn. 33; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1366 f., 1659 ff.; Meikel/Böttcher, GBO, § 10 GBV Rn. 34). Die Eintragung ist Grundbuchberichtigung (RGZ 90, 232; OLG Hamm OLGZ 1977, 283; OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 205). Die Eintragung erfolgt demnach auf (schriftlichen) Antrag des Gläubigers (§ 13 Abs. 1 GBO). Zustimmung des Schuldners und der übrigen Erben ist nicht nötig (RGZ 90, 237). 3. Notwendige Zustimmung der Berechtigten (§§ 1071, 1276 BGB) Nach §§ 1071, 1276 BGB kann ein verpfändetes oder einem Nießbrauch unterliegendes Recht nur mit der Zustimmung des Pfandgläubigers bzw. Nießbrauchsberechtigten aufgehoben oder in einer diesen beeinträchtigenden Weise geändert werden. Nach der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Literatur fällt darunter auch die erhebliche Wertminderung des belasteten Miterbenanteils durch Verfügung über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück (Staudinger/Werner, BGB, Neubearb. 2010, § 2033 Rn. 27 f.; zur Erbteilsverpfändung: RGZ 90, 232, 236; BayObLGZ 1959, 50, 58; Staudinger/Wiegand, BGB, 2009, § 1276 Rn. 8; MünchKomm/Damrau, BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 Rn. 42; Erker/Oppelt, in: Scherer, Münchner Anwaltshandbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2010, § 26 Rn. 29; Muscheler, ZErb 2010, 40, 43; zur Nießbrauchsbestellung: Erker/Oppelt, in: Scherer, Münchner Anwaltshandbuch Erbrecht, § 26 Rn. 27; vgl. auch: Demharter, GBO, Anh. zu § 13 Rn. 33). Dieser Ansatz wird teilweise als

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,,Aushöhlungstheorie" bezeichnet (vgl. Stürner/Münch, WuB VI E, § 859 ZPO 1.87, 1289/1290). Daneben wird die Beschränkung der Verwaltungsbefugnis des Miterben bei der Verpfändung des Miterbenanteils auch auf die §§ 1258 Abs. 1, 1273 Abs. 2 BGB und bei der Bestellung eines Nießbrauchs an dem Miterbenanteil auf §§ 1068 Abs. 2, 1066 BGB gestützt (vgl. Lindemeier, DNotZ 1999, 876, 879). Unterbleibt die notwendige Zustimmung des jeweiligen Berechtigten zur Verfügung der Miterben über den Nachlassgegenstand, dürfte die Verfügung dem Berechtigten gegenüber (relativ) unwirksam sein (so zur Verpfändung MünchKomm/Damrau, BGB, § 1274 Rn. 43). 4. Fehlende Rangfähigkeit von Verfügungsbeschränkungen Werden die Nießbrauchsbestellung bzw. die Verpfändung an dem Miterbenanteil im Grundbuch eingetragen, so handelt es sich um die Eintragung einer Verfügungsbeschränkung im Wege der Grundbuchberichtigung (Demharter, GBO, Anh. zu § 13 Rn. 33; OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 205). Als Einschränkungen der Verfügungsmacht des Rechtsinhabers sind diese Verfügungsbeschränkungen nicht im materiell-rechtlichen Sinne (§ 879 BGB) rangfähig (MünchKomm/Kohler, BGB, 5. Aufl. 2009, § 879 Rn. 11; RGZ 135, 378, 384; Soergel/Stürner, BGB, § 879 Rn. 2; a. A. allerdings Hesse, DFG 1938, 35, 86 f.). Ihr Verhältnis zu den das Grundstück belastenden Rechten ist vielmehr nach den §§ 878, 892, 893 BGB zu beurteilen (Staudinger/Kutter, BGB, 2007, § 879 Rn. 12). Davon zu trennen ist jedoch die Frage, ob Verfügungsbeschränkungen zumindest in einem formalen Rangverhältnis zu den eingetragenen Rechten, insbesondere zu Grundpfandrechten stehen. Hier geht es letztlich um die Anwendung von § 45 GBO. In der Literatur wird vielfach darauf hingewiesen, dass das zeitliche Verhältnis der Eintragung zwischen Verfügungsbeschränkung und Grundpfandrechten wegen § 892 BGB von großer Bedeutung ist. Zwar sei in § 45 GBO ­ ähnlich wie in § 879 BGB ­ nur von Rechten die Rede, weswegen eine Meinung die Anwendung der Vorschrift auf Verfügungsbeschränkungen verneint (s. hierzu die Nachweise bei Böttcher, Rpfleger 1983, 49, 55 Fn. 76). Die wohl überwiegende Ansicht erklärt dagegen unter Hinweis auf § 892 BGB die Kenntlichmachung des formalen Rangverhältnisses zwischen einem dinglichen Recht und einer Verfügungsbeschränkung für zulässig (Böttcher, Rpfleger 1983, 49, 55; KEHE/Eickmann, Grundbuchrecht, § 45 GBO Rn. 10; Palandt/Bassenge, BGB, § 879 Rn. 6; MünchKomm/Kohler, BGB, § 879 Rn. 11). Dementsprechend geht Böttcher von einer analogen Anwendung des § 45 GBO aus, wenn es darum geht, den formalen Rang eines eingetragenen Rechts vor einer Verfügungsbeschränkung zu verlautbaren (Böttcher, Rpfleger 1983, 49, 53). Teilweise wird in diesem Zusammenhang auch von einem deklaratorischen Rangvermerk bzw. Wirksamkeitsvermerk gesprochen, mit dem klarzustellen sei, dass das eingetragene Recht trotz Verfügungsbeschränkung bzw. infolge Zustimmung des Geschützten wirksam sei (MünchKomm/Kohler, BGB, § 879 Rn. 11). Wie Eickmann anmerkt, betrifft der ,,Vorrang" in diesem Zusammenhang weniger die ,,Befriedigungsreihenfolge" in der Zwangsversteigerung als vielmehr die ,,Wirksamkeitsreihenfolge" bei der Bestellung (KEHE/Eickmann, Grundbuchrecht, § 45 GBO Rn. 10).

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Fazit Vor diesem Hintergrund hat die Gläubigerin in Ihrem Fall u. E. teilweise recht. Die Forderung eines Rangrücktritts erscheint grundbuchverfahrensrechtlich jedenfalls berechtigt (§ 45 GBO), ist materiell-rechtlich aber nur im Hinblick auf die Verlautbarung der Wirksamkeit angezeigt.

Gutachten/Abruf-Nr:

103765

Erscheinungsdatum:

01.07.2011

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundpfandrechte
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

BGB § 1192; GBO § 45; BGB § 879