Fortbestand einer gelöschten GmbH wegen nicht gekündigten Beherrschungsvertrags
Fortbestand einer gelöschten GmbH wegen nicht gekündigten Beherrschungsvertrags
I. Sachverhalt
Im Jahre 1997 schlossen die A-GmbH als herrschende und die B-GmbH als beherrschte Gesellschaft einen Beherrschungsvertrag. Die B-GmbH ist als Untergesellschaft zudem Vertragspartei eines Gewinnabführungsvertrags mit der C-GmbH. Die A-GmbH wurde im Jahre 2014 im Handelsregister gelöscht, nachdem das Ende der Liquidation gem.
II. Fragen
1. Ist die A-GmbH bei dieser Sachlage erloschen, wenn es kein weiteres Vermögen gab?
2. Falls nein: Kann das Registerblatt der A-GmbH wieder angelegt werden oder ist lediglich ein Nachtragsliquidator zu bestellen?
III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzlich: Voraussetzungen der Vollbeendigung der GmbH
Nach der heute überwiegend vertretenen Lehre vom Doppeltatbestand setzt die Vollbeendigung einer GmbH (ihr Erlöschen als Rechtssubjekt) kumulativ die Eintragung ihres Erlöschens und die tatsächliche Vermögenslosigkeit der Gesellschaft voraus (BAG
Umstritten ist, ob auch sonstige offene Abwicklungsmaßnahmen die Bestellung eines Nachtragsliquidators rechtfertigen, wozu in der Praxis häufig die Abgabe von Löschungsbewilligungen gehört (vgl. KG
2. Vermögen bzw. Abwicklungsbedarf aufgrund nicht gekündigten Beherrschungsvertrags?
a) Auswirkung der Auflösung auf Beherrschungsvertrag
Vor diesem Hintergrund dürfte im konkreten Fall eines nicht gekündigten Beherrschungsvertrags mit der gelöschten GmbH als herrschender Gesellschaft Folgendes gelten: Die Löschung der GmbH im Handelsregister hat nur dann zu ihrer Vollbeendigung und damit zu ihrem Untergang geführt, wenn diese zur Gänze vermögenslos war und (nach der Lehre vom erweiterten Doppeltatbestand) kein sonstiger Abwicklungsbedarf mehr bestanden hat. Dies wäre nur der Fall, wenn auch der noch im Handelsregister eingetragene Beherrschungsvertrag mit der abhängigen B-GmbH beendet worden wäre. An einer Beendigung durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung fehlt es indes, ebenso an einem Aufhebungsvertrag.
Allerdings entspricht es der wohl h. L., dass bereits mit der Auflösung der herrschenden GmbH (dem ersten Schritt auf dem Wege zur Vollbeendigung) ein Beherrschungsvertrag kraft Gesetzes, also ohne Zutun einer der Vertragsparteien endet (für Unternehmensverträge Henssler/Strohn/Paschos, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, § 297 AktG Rn. 13; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2010, § 54 Rn. 119; jedenfalls für den Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 297 Rn. 22; GroßkommAktG/Hopt/Wiedemann, 4. Aufl. 2013, § 297 Rn. 135; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 71 Rn. 207; Wilhelm, Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, 1976, S. 33 f.). Zur Begründung wird – wenn überhaupt eine solche gegeben wird – auf die Zweckänderung bei der aufgelösten Gesellschaft weg von einer werbenden hin zu einer liquidierenden Gesellschaft verwiesen. Der Liquidationszweck sei mit der Konzernleitungsfunktion der herrschenden GmbH nicht vereinbar; zumindest sei es nicht vom Zustimmungsbeschluss der beherrschten GmbH zum Beherrschungsvertrag gedeckt, dass das Weisungsrecht nunmehr aufgrund des Liquidationszwecks inhaltlich verändert sei (GroßkommAktG/Hopt/Wiedemann, § 297 Rn. 135).
Eine vor allem von Koppensteiner (in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. 2004, § 297 Rn. 44) und Karsten Schmidt (
Anders verhält es sich indes mit einer weiteren in der Literatur vertretenen Ansicht, derzufolge die Auflösung der herrschenden Gesellschaft eines Beherrschungsvertrags nur zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht der beherrschten Gesellschaft führt (Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl. 2019, § 297 AktG Rn. 50; MünchKommAktG/Altmeppen, 4. Aufl. 2015, § 297 Rn. 113; Spindler/Stilz/Veil, AktG, 4. Aufl. 2019, § 297 Rn. 40; Göhmann/Winnen,
b) Konsequenzen für die Abwicklung
Folgt man der zuletzt genannten, auch von uns favorisierten Meinung, hätte dies zur Konsequenz, dass der Beherrschungsvertrag trotz Löschung der GmbH im Handelsregister noch fortbestünde. Er könnte allerdings von der abhängigen Gesellschaft gekündigt werden; schon zur Entgegennahme dieser schriftlichen Kündigung (§ 297 Abs. 3 AktG) müsste ein Rechtssubjekt als Adressat der Kündigung fortbestehen. Bereits dies spricht dafür, den Fortbestand der gelöschten GmbH anzunehmen. Insoweit könnte es erforderlich sein (wollte man nicht mit der oben zitierten Literaturansicht den Verwahrer für Bücher und Schriften bemühen), einen Nachtragsliquidator entsprechend
Folgt man dagegen der h. L., die eine automatische Beendigung des Beherrschungsvertrags befürwortet, hätte dies vorliegend auf den ersten Blick wohl zur Konsequenz, dass die gelöschte GmbH mangels fortbestehenden Beherrschungsvertrags weder über Vermögen verfügte noch in sonstiger Weise abwicklungsbedürftig wäre (sodass dahinstehen kann, ob – was wohl eher fernliegt – die bloße Berechtigung zur Weisungserteilung, die der isolierte Beherrschungsvertrag ohne Gewinnabführungsvertrag vermittelt, einen für den Gläubigerzugriff bedeutsamen Vermögenswert darstellt). An einem solchen Ergebnis wäre u. E. allerdings zu zweifeln. Es ist zu bedenken, dass bei einer automatischen Beendigung des Beherrschungsvertrags kraft Auflösung der beherrschten GmbH diese entsprechend
Die damit noch ausstehende Anmeldung der Beendigung des Beherrschungsvertrags ist ihrerseits allerdings kein sonstiger Abwicklungsbedarf der gelöschten GmbH, denn für die Anmeldung ist die Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft (hier: Geschäftsführung der B-GmbH) zuständig, nicht diejenige der herrschenden Gesellschaft (vgl. Emmerich, § 298 AktG Rn. 4). Gleichwohl ist fraglich, ob für die Entgegennahme der Gläubigermeldung nach nachgeholter Anmeldung und Eintragung mitsamt Bekanntmachung der Beendigung und evtl. sogar für die Pflicht zur Sicherheitsleistung vom Fortbestand der gelöschten GmbH auszugehen ist. Die Pflicht zur Sicherheitsleistung als solche kann u. E. den Fortbestand der GmbH noch nicht rechtfertigen; denn falls die GmbH ordnungsgemäß liquidiert wurde, erlöschen Verbindlichkeiten mit dem Erlöschen der GmbH. Anderes gilt, sofern die Liquidatoren die GmbH nicht ordnungsgemäß liquidiert haben und deshalb Schadensersatzansprüche der GmbH gegen die Liquidatoren erwachsen sein sollten. Eine solche Pflichtwidrigkeit dürfte aber wohl nicht bereits in der unterbliebenen Anmeldung der Beendigung des Beherrschungsvertrags liegen – eben weil diese nicht in den Pflichtenkreis der herrschenden Gesellschaft fällt. Ggf. könnte man aber die Pflichtwidrigkeit darin erblicken, dass nach Ablauf des Sperrjahres (womöglich) das Restvermögen unter die Gesellschafter verteilt wurde, obwohl die Pflicht zur Sicherheitsleistung aus
3. Ergebnis
Im Ergebnis erscheint es u. E. näherliegend, vom Fortbestand der gelöschten GmbH wegen fortwirkenden Abwicklungsbedarfs auszugehen. Insoweit wäre nach h. M. ein Nachtragsliquidator zu bestellen. Da nicht höchstrichterlich gesichert ist, dass der Beherrschungsvertrag kraft Gesetzes mit Auflösung der herrschenden GmbH endet, läge der sicherste Weg darin, dass die abhängige GmbH den Beherrschungsvertrag gegenüber dem Nachtragsliquidator kündigte oder mit der GmbH einen Aufhebungsvertrag schlösse.
171791
Erscheinungsdatum:26.09.2019
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:GmbH
Erschienen in: Normen in Titel:GmbHG § 74 Abs. 1; AktG § 293; AktG § 298