Erfordernis der Zusendung einer Ausfertigung eines notariell beurkundeten Angebots; Fehlen eines elektronischen Pendants zur Ausfertigung; Disposivität des Zugangs einer Willenserklärung in der vorgeschriebenen Form
BGB §§ 130, 145, 147, 311b; BeurkG §§ 39, 39a, 47, 49
Erfordernis der Zusendung einer Ausfertigung eines notariell beurkundeten Angebots; Fehlen eines elektronischen Pendants zur Ausfertigung; Disposivität des Zugangs einer Willenserklärung in der vorgeschriebenen Form
I. Sachverhalt
Ein Notar wurde gefragt, ob die Annahme eines Angebots auf Abschluss eines nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB beurkundungsbedürftigen Kaufvertrags auch möglich sei, wenn durch den Angebotsnotar eine signierte Ausfertigung bzw. eine signierte beglaubigte Kopie einer Ausfertigung über XNP/beN an ihn als Vollzugsnotar übermittelt wird, oder ob zwingend die Ausfertigung in Papierform vorliegen müsse.
Der Notar fragt sich in diesem Zusammenhang, wie es sich verhält, wenn die Ausfertigung des Angebots durch den Angebotsnotar per Post versandt wurde, aber nicht innerhalb der Frist beim Angebotsempfänger oder beim Vollzugsnotar vorliegt. Kann die Annahme dann aufgrund einer vorab elektronisch übermittelten signierten Ausfertigung bzw. signierten beglaubigten Kopie einer Ausfertigung des Kaufangebots erfolgen, wobei der Vollzug erst betrieben wird, wenn die Ausfertigung in Papierform vorliegt?
II. Zur Rechtslage
1. Empfangs- und Formbedürftigkeit des Angebots auf Abschluss des Kaufvertrags
Der Antrag (bzw. das Angebot) gem. § 145 BGB ist eine einseitige, empfangsbedürftige (vgl. BGH
Gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. Dieses Formerfordernis gilt auch im Falle der Aufspaltung des Vertragsschlusses in getrennte Urkunden über Angebot und Annahme. Auch hier müssen beide Erklärungen notariell beurkundet werden, wenn sie auf einen Vertrag i. S. d. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB gerichtet sind, vgl.
Das Angebot auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrages ist folglich eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der notariellen Beurkundung bedarf und dem bei Abgabe des Angebots abwesenden Vertragspartner gem.
2. Erfordernis des formgerechten Zugangs formbedürftiger Willenserklärungen
Gem.
Bei der Frage, wie der Zugang einer formbedürftigen Willenserklärung zu erfolgen hat, sind zwei Aspekte zu beachten: Einerseits, ob der Zugang als solcher, d. h. der Vorgang des Zugehens bzw. der Übermittlung der Erklärung, einer Form bedarf. Davon zu unterscheiden ist die Frage, was dem Empfänger zugehen muss (Tiedtke,
Der Zugang als solcher verlangt keine bestimmte Form. Er verlangt nur, dass die Willenserklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser von der Willenserklärung Kenntnis erlangen kann. Wie dies geschieht, regelt
Nach ständiger Rechtsprechung muss eine formbedürftige Willenserklärung jedoch nicht nur in der vorgeschriebenen Form abgegeben werden, sondern dem Empfänger auch in dieser Form zugehen (vgl. nur BGH
Strittig ist, welche Rechtsfolge sich daraus ergibt, wenn eine formbedürftige Willenserklärung nicht in der vorgeschriebenen Form zugeht. Nach teilweiser Ansicht handelt es sich hierbei nicht um ein Zugangs-, sondern vielmehr allein um ein Formproblem, sodass sich die Unwirksamkeit der Willenserklärung in diesem Fall nicht aus
3. (Keine) Erfüllung der Form durch Zugang einer beglaubigten Abschrift des Angebots
Dem Empfänger des Angebots müsste hier also das notariell beurkundete Angebot zugehen, um die Form des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB zu wahren.
Hierfür genügt der Zugang einer beglaubigten Abschrift der notariellen Angebotsurkunde nach allgemeiner Ansicht nicht. Denn nach einhelliger Ansicht wird eine empfangsbedürftige, einem Abwesenden gegenüber abgegebene Willenserklärung, die der notariellen Beurkundung bedarf, nur wirksam, wenn dem Erklärungsempfänger eine Ausfertigung der Notarurkunde i. S. d. § 47 BeurkG zugeht (
Dasselbe gilt für eine elektronisch beglaubigte Abschrift gem. § 39a BeurkG, da diese die gleiche Beweisqualität wie eine beglaubigte Abschrift in Papierform hat (vgl. nur
4. Keine elektronische Ausfertigung
Gem.
Eine Ausfertigung muss (auch nach Einführung der elektronischen Urkundensammlung und der Möglichkeit, elektronische Urschriften zu schaffen) stets in Papierform errichtet werden. Eine elektronische Ausfertigung bzw. ein Pendant zur Ausfertigung in der elektronischen Welt gibt es derzeit noch nicht (BeckOK-BeurkG/Winnen, Std.: 1.3.2023, § 49 Rn. 7; Siegel/Berthold,
Eine elektronisch signierte Ausfertigung gibt es also (derzeit) nicht. Dagegen können beglaubigte Abschriften (auch einer Ausfertigung) schon seit längerem elek-tronisch errichtet werden, vgl. § 39a BeurkG.
Da eine beglaubigte Abschrift jedoch für einen formgerechten Zugang eines Angebots auf Abschluss eines Grundstückkaufvertrages nicht genügt, müsste dem Vertragspartner also nach dem derzeitigen Stand eine Ausfertigung in Papierform übersandt werden.
5. Disposivität des Zugangserfordernisses
Ein konkludenter Verzicht auf den Zugang des Angebots in der vorgeschriebenen Form kann etwa darin zu sehen sein, dass der Antragende dem Angebotsempfänger lediglich eine (beglaubigte) Abschrift des Angebots übersendet und Letzterer die Annahme des Angebots in der erforderlichen Form erklärt (BGH
6. Ergebnis
Eine elektronisch signierte Ausfertigung gibt es nach geltendem Recht nicht. Eine (elektronisch) beglaubigte Kopie einer Ausfertigung des Angebots auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrags erfüllt nicht die Form des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB. Folglich geht das beurkundete Angebot dem Vertragspartner durch Übermittlung einer (elektronisch) beglaubigten Abschrift nicht formgerecht zu. Dies steht der Annahme und damit einem wirksamen Vertragsschluss jedoch nicht zwingend entgegen, da auf das Erfordernis des Zugangs des Angebots in der Form des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB (verkörpert durch die Ausfertigung) durch die Vertragsparteien (konkludent) verzichtet werden kann. Ob ein solcher Verzicht vorliegt ist indes eine Tatfrage, die einer Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles bedarf.
200341
Erscheinungsdatum:04.10.2023
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Beurkundungsverfahren
Beurkundungserfordernis
BGB § 147; BGB § 130; BeurkG § 49