04. Oktober 2023
BGB § 147; BGB § 130; BeurkG § 49

Erfordernis der Zusendung einer Ausfertigung eines notariell beurkundeten Angebots; Fehlen eines elektronischen Pendants zur Ausfertigung; Disposivität des Zugangs einer Willenserklärung in der vorgeschriebenen Form

BGB §§ 130, 145, 147, 311b; BeurkG §§ 39, 39a, 47, 49
Erfordernis der Zusendung einer Ausfertigung eines notariell beurkundeten Angebots; Fehlen eines elektronischen Pendants zur Ausfertigung; Disposivität des Zugangs einer Willenserklärung in der vorgeschriebenen Form

I. Sachverhalt
Ein Notar wurde gefragt, ob die Annahme eines Angebots auf Abschluss eines nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB beurkundungsbedürftigen Kaufvertrags auch möglich sei, wenn durch den Angebotsnotar eine signierte Ausfertigung bzw. eine signierte beglaubigte Kopie einer Ausfertigung über XNP/beN an ihn als Vollzugsnotar übermittelt wird, oder ob zwingend die Ausfertigung in Papierform vorliegen müsse.

Der Notar fragt sich in diesem Zusammenhang, wie es sich verhält, wenn die Ausfertigung des Angebots durch den Angebotsnotar per Post versandt wurde, aber nicht innerhalb der Frist beim Angebotsempfänger oder beim Vollzugsnotar vorliegt. Kann die Annahme dann aufgrund einer vorab elektronisch übermittelten signierten Ausfertigung bzw. signierten beglaubigten Kopie einer Ausfertigung des Kaufangebots erfolgen, wobei der Vollzug erst betrieben wird, wenn die Ausfertigung in Papierform vorliegt?

II. Zur Rechtslage
1. Empfangs- und Formbedürftigkeit des Angebots auf Abschluss des Kaufvertrags
Der Antrag (bzw. das Angebot) gem. § 145 BGB ist eine einseitige, empfangsbedürftige (vgl. BGH NJW-RR 2015, 735 Rn. 10 f.; NJW 1995, 2217; Staudinger/Bork, BGB, 2020, § 145 Rn. 16) Willenserklärung, die auf den Abschluss eines Vertrags gerichtet ist (BeckOK-BGB/H.-W. Eckert, Std.: 1.8.2023, § 145 Rn. 30; MünchKommBGB/Busche, 9. Aufl. 2021, § 145 Rn. 5; zur Annahme bei notariell beurkundeten Verträgen s. § 152 BGB). Als solche wird der einem Abwesendengegenüber gemachte Antrag gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB mit dem Zugang bei diesem wirksam, sofern er durch verkörperte Willenserklärung erfolgt (Staudinger/Bork, § 145 Rn. 16; MünchKommBGB/Einsele, 9. Aufl. 2021, § 130 Rn. 17). Der Antrag muss daher, um wirksam zu werden, so in den Bereich des Empfängers gelangen, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. nur BGH NJW 2014, 1010 Rn. 8).

Gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. Dieses Formerfordernis gilt auch im Falle der Aufspaltung des Vertragsschlusses in getrennte Urkunden über Angebot und Annahme. Auch hier müssen beide Erklärungen notariell beurkundet werden, wenn sie auf einen Vertrag i. S. d. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB gerichtet sind, vgl. §§ 128, 152 BGB (BGH Urt. v. 28.9.1962 – V ZR 8/61, BeckRS 1962, 31187000; BeckOGK-BGB/Schreindorfer, Std.: 1.7.2023, § 311b Rn. 110, 112; MünchKommBGB/Einsele, § 128 Rn. 6; MünchKommBGB/Ruhwinkel, 9. Aufl. 2022, § 311b Rn. 28; Staudinger/Bork, § 145 Rn. 16).

Das Angebot auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrages ist folglich eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der notariellen Beurkundung bedarf und dem bei Abgabe des Angebots abwesenden Vertragspartner gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugehen muss.

2. Erfordernis des formgerechten Zugangs formbedürftiger Willenserklärungen
Gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem Abwesenden gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht.

Bei der Frage, wie der Zugang einer formbedürftigen Willenserklärung zu erfolgen hat, sind zwei Aspekte zu beachten: Einerseits, ob der Zugang als solcher, d. h. der Vorgang des Zugehens bzw. der Übermittlung der Erklärung, einer Form bedarf. Davon zu unterscheiden ist die Frage, was dem Empfänger zugehen muss (Tiedtke, BB 1989, 924, 925; vgl. auch BGH NJW 1962, 736, 738).

Der Zugang als solcher verlangt keine bestimmte Form. Er verlangt nur, dass die Willenserklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser von der Willenserklärung Kenntnis erlangen kann. Wie dies geschieht, regelt § 130 Abs. 1 BGB jedoch nicht, eine Form hierfür ist nicht vorgeschrieben (BGH NJW 1962, 736, 738; Tiedtke, BB 1989, 924, 925).
Nach ständiger Rechtsprechung muss eine formbedürftige Willenserklärung jedoch nicht nur in der vorgeschriebenen Form abgegeben werden, sondern dem Empfänger auch in dieser Form zugehen (vgl. nur BGH NJW-RR 2015, 735 Rn. 11; NJW 2006, 681 Rn. 13). Dem Empfänger muss nämlich die Willenserklärung zugehen, worunter bei formbedürftigen Willenserklärungen die Erklärung in der vorgeschriebenen Form zu verstehen ist, da nur diese eine wirksame Erklärung darstellt (BGHZ 31, 5 Rn. 6; BGH NJW 1962, 736, 738; Tiedtke, BB 1989, 924, 925).

Strittig ist, welche Rechtsfolge sich daraus ergibt, wenn eine formbedürftige Willenserklärung nicht in der vorgeschriebenen Form zugeht. Nach teilweiser Ansicht handelt es sich hierbei nicht um ein Zugangs-, sondern vielmehr allein um ein Formproblem, sodass sich die Unwirksamkeit der Willenserklärung in diesem Fall nicht aus § 130 Abs. 1 BGB, sondern aus § 125 S. 1 BGB ergibt (Staudinger/Singer/Benedict, § 130 Rn. 93; OLG Koblenz MittBayNot 2006, 35). Nach der Gegenansicht liegt in diesem Fall kein Formmangel vor, sondern es fehlt am Zugang der Willenserklärung (BGHZ 31, 5 Rn. 14; BGH NJW 1995, 2217; Schippers, DNotZ 2006, 726, 732). Beide Ansichten kommen allerdings für die hier zu begutachtende Frage zu demselben Ergebnis (vgl. Ziff. 3, 5), sodass der Meinungsstreit dahinstehen kann.

3. (Keine) Erfüllung der Form durch Zugang einer beglaubigten Abschrift des Angebots
Dem Empfänger des Angebots müsste hier also das notariell beurkundete Angebot zugehen, um die Form des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB zu wahren.

Hierfür genügt der Zugang einer beglaubigten Abschrift der notariellen Angebotsurkunde nach allgemeiner Ansicht nicht. Denn nach einhelliger Ansicht wird eine empfangsbedürftige, einem Abwesenden gegenüber abgegebene Willenserklärung, die der notariellen Beurkundung bedarf, nur wirksam, wenn dem Erklärungsempfänger eine Ausfertigung der Notarurkunde i. S. d. § 47 BeurkG zugeht (BGHZ 31, 5 Rn. 6; BGH NJW 1962, 736, 738; NJW 1995, 2217; NJW-RR 2015, 735 Rn. 11; OLG Koblenz MittBayNot 2006, 35; BeckOK-BGB/Wendtland, Std.: 1.8.2023, § 128 Rn. 5; MünchKommBGB/Einsele, § 130 Rn. 33; Staudinger/Singer/Benedict, § 130 Rn. 93). Denn nach dem in Ziff. 2 genannten Grundsatz muss eine formbedürftige Willenserklärung dem Empfänger in der vorgeschriebenen Form auch zugehen, um wirksam zu werden. Dem Vertragspartner muss also die notariell beurkundete Erklärung „selbst“ entweder in Urschrift (was i. H. a. § 45 Abs. 1 BeurkG grundsätzlich ausscheidet) oder in Gestalt der Ausfertigung, die die Urschrift im Rechtsverkehr vertritt (vgl. § 47 BeurkG) und denselben öffentlichen Glauben wie die Urschrift besitzt, zugehen (BGHZ 31, 5 Rn. 6; BGH NJW 1995, 2217, 2218; NJW 1962, 736, 738). Eine beglaubigte Abschrift kann die Urschrift (bzw. die Ausfertigung) hierbei nicht ersetzen, da sie lediglich die Übereinstimmung der Abschrift mit einer Urkunde beweist, also nicht die empfangsbedürftige Erklärung selbst ist (BGHZ 31, 5 Rn. 6; BGH NJW 1962, 736, 738; MünchKommBGB/Einsele, § 130 Rn. 33).

Dasselbe gilt für eine elektronisch beglaubigte Abschrift gem. § 39a BeurkG, da diese die gleiche Beweisqualität wie eine beglaubigte Abschrift in Papierform hat (vgl. nur DNotI-Report 2011, 89, 90 m. w. N.).

4. Keine elektronische Ausfertigung
Gem. § 49 Abs. 1 BeurkG besteht die Ausfertigung, jeweils mit einem Ausfertigungsvermerk versehen, in (Nr. 1) einer Abschrift der Urschrift, der elektronischen Urschrift oder der elektronischen Fassung der Urschrift oder (Nr. 2) einem Ausdruck der elektronischen Urschrift oder der elektronischen Fassung der Urschrift.

Eine Ausfertigung muss (auch nach Einführung der elektronischen Urkundensammlung und der Möglichkeit, elektronische Urschriften zu schaffen) stets in Papierform errichtet werden. Eine elektronische Ausfertigung bzw. ein Pendant zur Ausfertigung in der elektronischen Welt gibt es derzeit noch nicht (BeckOK-BeurkG/Winnen, Std.: 1.3.2023, § 49 Rn. 7; Siegel/Berthold, DNotZ 2022, 429, 433; Danninger/Stepien, DNotZ 2021, 812, 813, 816).

Eine elektronisch signierte Ausfertigung gibt es also (derzeit) nicht. Dagegen können beglaubigte Abschriften (auch einer Ausfertigung) schon seit längerem elek-tronisch errichtet werden, vgl. § 39a BeurkG.

Da eine beglaubigte Abschrift jedoch für einen formgerechten Zugang eines Angebots auf Abschluss eines Grundstückkaufvertrages nicht genügt, müsste dem Vertragspartner also nach dem derzeitigen Stand eine Ausfertigung in Papierform übersandt werden.

5. Disposivität des Zugangserfordernisses
§ 130 Abs. 1 BGB ist jedoch im Gegensatz zu den gesetzlichen Formvorschriften wie etwa § 311b Abs. 1 S. 1 BGB dispositiv. Folglich kann auf das Erfordernis des Zugangs einer Willenserklärung in der vorgeschriebenen Form – anders als auf die Form selbst – verzichtet werden (BGH NJW 1995, 2217; NJW-RR 2015, 735 Rn. 12; Staudinger/Singer/Benedict, § 130 Rn. 93; MünchKommBGB/Einsele, § 130 Rn. 33). Durch eine entsprechende Einigung können somit abweichend von den gesetzlichen Vorschriften Zugangserleichterungen vereinbart werden (BGH NJW 1995, 2217; NJW-RR 2015, 735 Rn. 12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.9.2018 – 3 Kart 113/17, BeckRS 2018, 24411 Rn. 45; OLG Koblenz MittBayNot 2006, 35; BeckOK-BGB/Wendtland, § 130 Rn. 11). Unberührt bleibt freilich das Erfordernis, die Abgabe des Angebots gem. § 311 Abs. 1 S. 1 BGB notariell zu beurkunden.

Ein konkludenter Verzicht auf den Zugang des Angebots in der vorgeschriebenen Form kann etwa darin zu sehen sein, dass der Antragende dem Angebotsempfänger lediglich eine (beglaubigte) Abschrift des Angebots übersendet und Letzterer die Annahme des Angebots in der erforderlichen Form erklärt (BGH NJW 1995, 2217, 2218).

6. Ergebnis
Eine elektronisch signierte Ausfertigung gibt es nach geltendem Recht nicht. Eine (elektronisch) beglaubigte Kopie einer Ausfertigung des Angebots auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrags erfüllt nicht die Form des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB. Folglich geht das beurkundete Angebot dem Vertragspartner durch Übermittlung einer (elektronisch) beglaubigten Abschrift nicht formgerecht zu. Dies steht der Annahme und damit einem wirksamen Vertragsschluss jedoch nicht zwingend entgegen, da auf das Erfordernis des Zugangs des Angebots in der Form des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB (verkörpert durch die Ausfertigung) durch die Vertragsparteien (konkludent) verzichtet werden kann. Ob ein solcher Verzicht vorliegt ist indes eine Tatfrage, die einer Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles bedarf.

Gutachten/Abruf-Nr:

200341

Erscheinungsdatum:

04.10.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren
Beurkundungserfordernis

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 145-147

Normen in Titel:

BGB § 147; BGB § 130; BeurkG § 49