Abänderung der Schlusserbeneinsetzung eines gemeinschaftlichen Testaments durch nachträgliche Anordnung der Nacherbfolge; Zuwendungsverzichtsvertrag mit dem Schlusserben
BGB § 2352
Abänderung der Schlusserbeneinsetzung eines gemeinschaftlichen Testaments durch nachträgliche Anordnung der Nacherbfolge; Zuwendungsverzichtsvertrag mit dem Schlusserben
I. Sachverhalt
Ehegatten haben sich in einem handschriftlichen
Testament gegenseitig und ihren Sohn, ersatzweise eine karitative Einrichtung, als Schlusserben eingesetzt. Die Wechselbezüglichkeit der Einsetzung der karitativen Einrichtung ist im Testament nicht ausdrücklich bestimmt. Auch ein Näheverhältnis des Erstverstorbenen zur karitativen Einrichtung ist nicht ersichtlich.
II. Frage
Kann der Längstlebende nach Zuwendungsverzicht des Schlusserben den bisherigen Schlusserben als Vorerben und eine weitere Person als Nacherben einsetzen?
III. Zur Rechtslage
1. Wahl der Einheitslösung und Bindung
Im vorliegenden Fall haben die Ehegatten in ihrem privatschriftlichen Testament offensichtlich die sog. Einheitslösung gewählt (vgl. § 2269 Abs. 1 BGB), in dem sie sich zunächst gegenseitig zu Vollerben und zum Schlusserben den gemeinsamen Sohn (ersatzweise die karitative Einrichtung) eingesetzt haben.
An die Schlusserbeneinsetzung des Sohnes ist der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden und Annahme der Erbschaft erbrechtlich gebunden (vgl. § 2271 Abs. 2 BGB), wenn es sich hierbei um eine wechselbezügliche Verfügung i. S. v. § 2270 BGB handelt. Dies dürfte anzunehmen sein (vgl. § 2270 Abs. 2 Var. 2 BGB).
Die erbrechtliche Bindungswirkung äußert sich dahingehend, dass eine neue letztwillige Verfügung des überlebenden Ehegatten in entsprechender Anwendung des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB insoweit unwirksam ist, als hierdurch ein bindend Bedachter beeinträchtigt wird. Eine derartige Beeinträchtigung liegt bspw. in den nachträglichen Beschränkungen durch Testamentsvollstreckung oder Nacherbfolge (wie im vorliegenden Fall).
2. Beseitigung der Bindung durch Zuwendungsverzicht des Schlusserben
Damit die Nacherbfolge wirksam angeordnet werden kann, ist erforderlich, dass sich der hierdurch potentiell Beeinträchtigte mit der Belastung einverstanden erklärt. Insoweit bedarf es des Abschlusses eines Zuwendungsverzichtsvertrages i. S. v. § 2352 BGB zwischen dem Erblasser und dem (potentiell beeinträchtigten) Schlusserben.
Ein Zuwendungsverzicht bewirkt nicht die Unwirksamkeit der Verfügung, auf die verzichtet wird. Durch den Zuwendungsverzicht als abstraktes Verfügungsgeschäft wird vielmehr die betreffende Verfügung von Todes wegen im Umfang des Verzichts „ihrer Wirkung entkleidet“. Aufgrund des Zuwendungsverzichts unterbleibt der Anfall der Zuwendung, wie wenn der Bedachte den Erbfall nicht erlebt hätte (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2352 Rn. 4).
Dabei ist anerkannt, dass sich ein Zuwendungsverzicht nicht auf die Zuwendung insgesamt beziehen muss. Möglich ist nach herrschender Ansicht vielmehr auch ein teilweiser (eingeschränkter) Zuwendungsverzicht, insbesondere dahingehend, dass durch ihn Beschränkungen und Beschwerungen des Bedachten, etwa durch Vermächtnisse, Auflagen, die Anordnung der Testamentsvollstreckung oder der Vor- und Nacherbfolge, zugelassen werden (vgl. BGH DNotZ 1978, 300; NJW 1982, 1100, 1102; OLG Köln FamRZ 1983, 837 m. Anm. Brems, FamRZ 1983, 1278; Palandt/Weidlich, § 2352 Rn. 4; BeckOGK-BGB/Everts, Std.: 1.12.2019, § 2352 Rn. 19 m. w. N.). Es ist also nicht erforderlich, durch einen umfassenden Zuwendungsverzicht erst die bindende Verfügung komplett zu beseitigen, um anschließend neu in modifizierter Form testieren zu
können.
3. Frage der Beeinträchtigung des Ersatzerben
Im vorliegenden Fall ist geplant, dass der zum Schlusserben eingesetzte Sohn den Zuwendungsverzichtsvertrag mit dem Erblasser abschließt. Im gemeinschaftlichen Testament war aber des Weiteren ersatzweise eine karitative Einrichtung als Schlusserbe eingesetzt. Diese karitative Einrichtung soll offensichtlich nicht am Zuwendungsverzichtsvertrag mitwirken.
Fraglich ist, ob diese durch die neue, geplante Verfügung beeinträchtigt werden kann. Ist jemand erbrechtlich bindend zum Schlusserben eingesetzt und wird eine neue Verfügung getroffen, in der bspw. ein anderer Ersatzschlusserbe bestimmt wird oder die Ersatzschlusserbeneinsetzung von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht wird, so kann hierin eine Beeinträchtigung des Ersatzschlusserben i. S. v. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB liegen, da sich hierdurch die Rechtsstellung des bindend Bedachten verschlechtert. Auch im vorliegenden Fall tritt in Folge der geplanten neuen Verfügung (Beschränkung des eingesetzten Schlusserben durch Nacherbfolge) eine Verschlechterung im Hinblick auf die Ersatzschlusserbenpostion ein, denn gem. § 2102 Abs. 1 BGB ist der Nacherbe zugleich Ersatzerbe (sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat). Sollte der Ersatzfall (Vorversterben des Vorerben oder Ausschlagung) eintreten, dann wäre folglich nicht die karitative Einrichtung, sondern primär der nun eingesetzte Nacherbe zur Schlusserbfolge berufen.
Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob hierin eine Beeinträchtigung gesehen werden kann, aber dahinstehen. Denn infolge einer etwaigen Beeinträchtigungswirkung wäre die neue Verfügung nur dann unwirksam, wenn die Ersatzschlusserbeneinsetzung erbrechtlich bindend erfolgt ist. Es müsste sich daher um eine wechselbezügliche Verfügung i. S. v. § 2270 BGB handeln. Ausweislich des mitgeteilten Sachverhalts enthielt das privatschriftliche Testament der Ehegatten keine Ausführungen zur Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeinsetzung. Folglich ist die Wechselbezüglichkeit für jede Verfügung gesondert durch Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Erst wenn die individuelle Auslegung kein eindeutiges Ergebnis ergibt, könnte auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden.
Handelt es sich beim eingesetzten Schlusserben um eine familienfremde Person, bspw. eine karitative Einrichtung, fehlt es regelmäßig an der Wechselbezüglichkeit, da das besondere Näheverhältnis des § 2270 Abs. 2 Var. 2 BGB in der Regel nicht gegeben sein wird (vgl. dazu BayObLG
Ausweislich des mitgeteilten Sachverhalts ist hier keine besondere Nähebeziehung gegeben. Dies spricht dafür, dass im vorliegenden Fall keine wechselbezügliche Ersatzschlusserbeneinsetzung der karitativen Organisation erfolgt ist, sodass die Ersatzschlusserbeneinsetzung auch jederzeit einseitig widerrufen oder zum Nachteil des Ersatzschlusserben abgeändert werden kann.
4. Ergebnis
Im vorliegenden Fall dürfte der Längstlebende nach (ggf. eingeschränktem) Zuwendungsverzicht des Schlusserben eine weitere Person als Nacherben einsetzen können. Die Verfügung wäre nicht in entsprechender Anwendung des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB wegen Beeinträchtigung des Ersatzschlusserben unwirksam, wenn die Ersatzschlusserbeneinsetzung nicht wechselbezüglich erfolgt ist. Für Letzteres bestehen nach dem mitgeteilten Sachverhalt keine Anhaltspunkte.
170502
Erscheinungsdatum:05.03.2020
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Gemeinschaftliches Testament
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 2352