05. März 2020
BGB § 2352

Abänderung der Schlusserbeneinsetzung eines gemeinschaftlichen Testaments durch nachträgliche Anordnung der Nacherbfolge; Zu­wendungsverzichtsvertrag mit dem Schlusserben

BGB § 2352
Abänderung der Schlusserbeneinsetzung eines gemeinschaftlichen Testaments durch nachträgliche Anordnung der Nacherbfolge; Zu­wendungsverzichtsvertrag mit dem Schlusserben
I. Sachverhalt
Ehegatten haben sich in einem handschriftlichen
Testament gegenseitig und ihren Sohn, ersatz­weise eine karitative Einrichtung, als Schlusserben eingesetzt. Die Wechselbezüglichkeit der Ein­setzung der karitativen Einrichtung ist im Testament nicht ausdrücklich bestimmt. Auch ein Näheverhältnis des Erstverstorbenen zur karitativen Einrichtung ist nicht ersichtlich.

II. Frage
Kann der Längstlebende nach Zuwendungsverzicht des Schlusserben den bisherigen Schluss­erben als Vorerben und eine weitere Person als Nacherben einsetzen?

III. Zur Rechtslage
1. Wahl der Einheitslösung und Bindung
Im vorliegenden Fall haben die Ehegatten in ihrem privatschriftlichen Testament offen­sichtlich die sog. Einheitslösung gewählt (vgl. § 2269 Abs. 1 BGB), in dem sie sich zunächst gegenseitig zu Vollerben und zum Schlusserben den gemeinsamen Sohn (ersatzweise die ka­ritative Einrichtung) eingesetzt haben.

An die Schlusserbeneinsetzung des Sohnes ist der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden und Annahme der Erbschaft erbrechtlich gebunden (vgl. § 2271 Abs. 2 BGB), wenn es sich hierbei um eine wechselbezügliche Verfügung i. S. v. § 2270 BGB han­delt. Dies dürfte anzunehmen sein (vgl. § 2270 Abs. 2 Var. 2 BGB).

Die erbrechtliche Bindungswirkung äußert sich dahingehend, dass eine neue letztwillige Verfügung des überlebenden Ehegatten in entsprechender Anwendung des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB insoweit unwirksam ist, als hierdurch ein bindend Bedachter beeinträchtigt wird. Eine derartige Beeinträchtigung liegt bspw. in den nachträglichen Beschränkungen durch Testamentsvollstreckung oder Nacherbfolge (wie im vorliegenden Fall).

2. Beseitigung der Bindung durch Zuwendungsverzicht des Schlusserben
Damit die Nacherbfolge wirksam angeordnet werden kann, ist erforderlich, dass sich der hierdurch potentiell Beeinträchtigte mit der Belastung einverstanden erklärt. Insoweit bedarf es des Abschlusses eines Zuwendungsverzichtsvertrages i. S. v. § 2352 BGB zwischen dem Erblasser und dem (potentiell beeinträchtigten) Schlusserben.

Ein Zuwendungsverzicht bewirkt nicht die Unwirksamkeit der Verfügung, auf die verzichtet wird. Durch den Zuwendungsverzicht als abstraktes Verfügungsgeschäft wird vielmehr die betreffende Verfügung von Todes wegen im Umfang des Verzichts „ihrer Wirkung ent­kleidet“. Aufgrund des Zuwendungsverzichts unterbleibt der Anfall der Zuwendung, wie wenn der Bedachte den Erbfall nicht erlebt hätte (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2352 Rn. 4).

Dabei ist anerkannt, dass sich ein Zuwendungsverzicht nicht auf die Zuwendung insgesamt beziehen muss. Möglich ist nach herrschender Ansicht vielmehr auch ein teilweiser (ein­geschränkter) Zuwendungsverzicht, insbesondere dahingehend, dass durch ihn Beschränkungen und Beschwerungen des Bedachten, etwa durch Vermächtnisse, Auflagen, die Anordnung der Testamentsvollstreckung oder der Vor- und Nacherbfolge, zugelassen werden (vgl. BGH DNotZ 1978, 300; NJW 1982, 1100, 1102; OLG Köln FamRZ 1983, 837 m. Anm. Brems, FamRZ 1983, 1278; Palandt/Weidlich, § 2352 Rn. 4; BeckOGK-BGB/Everts, Std.: 1.12.2019, § 2352 Rn. 19 m. w. N.). Es ist also nicht erforderlich, durch einen umfassenden Zuwendungsverzicht erst die bindende Verfügung komplett zu beseitigen, um anschließend neu in modifizierter Form testieren zu
können.

3. Frage der Beeinträchtigung des Ersatzerben
Im vorliegenden Fall ist geplant, dass der zum Schlusserben eingesetzte Sohn den Zu­wendungsverzichtsvertrag mit dem Erblasser abschließt. Im gemeinschaftlichen Testament war aber des Weiteren ersatzweise eine karitative Einrichtung als Schlusserbe ein­gesetzt. Diese karitative Einrichtung soll offensichtlich nicht am Zuwendungsverzichts­vertrag mitwirken.

Fraglich ist, ob diese durch die neue, geplante Verfügung beeinträchtigt werden kann. Ist jemand erbrechtlich bindend zum Schlusserben eingesetzt und wird eine neue Verfügung getroffen, in der bspw. ein anderer Ersatzschlusserbe bestimmt wird oder die Ersatz­schlusserbeneinsetzung von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht wird, so kann hierin eine Beeinträchtigung des Ersatzschlusserben i. S. v. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB liegen, da sich hierdurch die Rechtsstellung des bindend Bedachten verschlechtert. Auch im vor­liegenden Fall tritt in Folge der geplanten neuen Verfügung (Beschränkung des eingesetzten Schlusserben durch Nacherbfolge) eine Verschlechterung im Hinblick auf die Ersatz­schlusserbenpostion ein, denn gem. § 2102 Abs. 1 BGB ist der Nacherbe zugleich Ersatzerbe (sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat). Sollte der Ersatzfall (Vorversterben des Vorerben oder Ausschlagung) eintreten, dann wäre folglich nicht die karitative Einrichtung, sondern primär der nun eingesetzte Nacherbe zur Schlusserbfolge berufen.

Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob hierin eine Beeinträchtigung gesehen werden kann, aber dahinstehen. Denn infolge einer etwaigen Beeinträchtigungswirkung wäre die neue Verfügung nur dann unwirksam, wenn die Ersatzschlusserbeneinsetzung erbrechtlich bindend erfolgt ist. Es müsste sich daher um eine wechselbezügliche Verfügung i. S. v. § 2270 BGB handeln. Aus­weislich des mitgeteilten Sachverhalts enthielt das privatschriftliche Testament der Ehe­gatten keine Ausführungen zur Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeinsetzung. Folglich ist die Wechselbezüglichkeit für jede Verfügung gesondert durch Auslegung nach den all­gemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Erst wenn die individuelle Auslegung kein ein­deutiges Er­gebnis ergibt, könnte auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB zurück­gegriffen werden.

Handelt es sich beim eingesetzten Schlusserben um eine familienfremde Person, bspw. eine karitative Einrichtung, fehlt es regelmäßig an der Wechselbezüglichkeit, da das be­sondere Näheverhältnis des § 2270 Abs. 2 Var. 2 BGB in der Regel nicht gegeben sein wird (vgl. dazu BayObLG FamRZ 1986, 604; OLG Düsseldorf ZErb 2001, 29 [Ls.]). Lediglich im Ein­zelfall kann dies anders sein, wenn eine besondere Nähebeziehung zur Organisation bzw. Einrichtung vorliegt, bspw. weil es sich um eine von den Ehegatten gemeinsam er­richtete Stiftung (quasi ihr Lebenswerk) handelt (vgl. dazu OLG München ZEV 2000, 104).

Ausweislich des mitgeteilten Sachverhalts ist hier keine besondere Nähebeziehung gegeben. Dies spricht dafür, dass im vorliegenden Fall keine wechselbezüg­liche Ersatzschlusserbeneinsetzung der karitativen Organisation erfolgt ist, sodass die Ersatz­schlusserbeneinsetzung auch jederzeit einseitig widerrufen oder zum Nachteil des Ersatzschlusserben abgeändert werden kann.
4. Ergebnis
Im vorliegenden Fall dürfte der Längstlebende nach (ggf. eingeschränktem) Zuwendungsverzicht des Schlusserben eine weitere Person als Nacherben einsetzen können. Die Verfügung wäre nicht in ent­sprechender Anwendung des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB wegen Beeinträchtigung des Ersatz­schlusserben unwirksam, wenn die Ersatzschlusserbeneinsetzung nicht wechsel­bezüglich erfolgt ist. Für Letzteres bestehen nach dem mitgeteilten Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

Gutachten/Abruf-Nr:

170502

Erscheinungsdatum:

05.03.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Gemeinschaftliches Testament

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 33-35

Normen in Titel:

BGB § 2352