14. Mai 2021
BGB § 1767

Volljährigenadoption eines Geschäftsunfähigen; Vertretung bei Antragstellung; Bestellung eines Ergänzungsbetreuers; Genehmigungserfordernis

BGB § 1767
Volljährigenadoption eines Geschäftsunfähigen; Vertretung bei Antragstellung; Bestellung eines Ergänzungsbetreuers; Genehmigungserfordernis

I. Sachverhalt
Das leibliche Kind der Ehefrau soll von deren Ehemann adoptiert werden (Stiefkindadoption). Das anzunehmende Kind ist volljährig, aber geschäftsunfähig. Die leibliche Mutter des Kindes ist dessen gerichtlich bestellte Betreuerin. Ersatzbetreuer ist der Stiefvater, der das Kind adoptieren möchte.

II. Fragen
1. Kann der gerichtlich bestellte Betreuer eines volljährigen Geschäftsunfähigen für den Betreuten wirksam die Einwilligung in dessen Adoption (mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption) durch den Stiefvater erteilen?

2. Bedarf der Adoptionsantrag der Genehmigung durch das Betreuungsgericht?

3. Kann die Mutter des Anzunehmenden, die auch dessen gerichtlich bestellte Betreuerin ist, diesen bei der Abgabe der Einwilligungserklärung wirksam vertreten, ohne dass es der Bestellung eines Ergänzungsbetreuers bedarf?

III. Zur Rechtslage
1. Vorbemerkung
Zunächst bleibt kurz darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen der Volljährigenadoption zwei Formen gibt, die unterschieden werden müssen: die „normale“ Volljährigenadoption i. S. d. §§ 1767 ff. BGB mit schwachen Wirkungen sowie die Volljährigenadoption mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme (§ 1772 BGB). Letztere ist nur unter den in § 1772 BGB geregelten, besonderen Voraussetzungen zulässig und hätte zur Folge, dass der Anzunehmende –wie im Falle der Minderjährigenadoption – vollständig in die Familie des Stiefvaters integriert würde, während das Verwandtschaftsverhältnis zum leiblichen Vater und dessen Verwandten erlöschen würde (vgl. § 1772 BGB i. V. m. §§ 1754 Abs. 1, 1755 Abs. 1, 2 BGB; als Stiefkindadoption blieben die Verwandtschaftsbeziehungen zur leiblichen Mutter und deren Verwandten bestehen). Da folglich die Verwandtschaftsbeziehungen zu den leiblichen Verwandten – vorliegend nur zu dem leiblichen Vater – betroffen sind, ist nach § 1772 Abs. 1 S. 2 BGB der Ausspruch einer Volljährigenadoption mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption nur zulässig, wenn der Adoption nicht die überwiegenden Interessen der Eltern – vorliegend nur des leiblichen Vaters – des Anzunehmenden entgegenstehen. Im Adoptionsverfahren sind daher zwingend die Interessen des leiblichen Vaters zu berücksichtigen und dieser zudem am Verfahren zu beteiligen (§ 188 Abs. 1 Nr. 1b FamFG).

Soll lediglich ein Verwandtschaftsverhältnis zum Stiefvater hergestellt werden, ohne dass eine Verwandtschaftsbeziehung auch zu dessen Verwandten entstehen soll und ohne dass die Verwandtschaftsbeziehung zum leiblichen Vater beendet werden soll, wäre demgegenüber eine „normale“ Volljährigenadoption i. S. v. § 1767 BGB ausreichend. Voraussetzung wäre dann nur, dass die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist (vgl. § 1767 Abs. 1 BGB).

Vor Antragstellung muss daher ggf. mit den Beteiligten geklärt werden, ob wirklich eine Volljährigenadoption mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption durchgeführt werden soll oder eine „normale“ Volljährigenadoption genügen würde.

2. Vertretung bei Antragstellung
Die Volljährigenadoption erfolgt in jedem Fall gem. § 1768 Abs. 1 S. 1 BGB durch Beschluss des Familiengerichts. Erforderlich sind hierfür Anträge des Annehmenden und des Anzunehmenden, die notariell beurkundet werden müssen (vgl. § 1767 Abs. 2 i. V. m. § 1752 Abs. 2 S. 2 BGB).

Ist der Anzunehmende – wie im vorliegenden Fall – geschäftsunfähig i. S. v. § 104 Nr. 2 BGB, muss für diesen der Antrag gem. § 1768 Abs. 2 BGB durch seinen gesetzlichen Vertreter gestellt werden. Gesetzlicher Vertreter des Volljährigen ist sein Betreuer (§§ 1896, 1902 BGB) im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises. Ob der Aufgabenkreis des Betreuers im vorliegenden Fall den Antrag umfasst, ist Tatfrage.

Möchte der gesetzliche Vertreter den von ihm Vertretenen selbst annehmen, muss nach überwiegender Ansicht der Kommentarliteratur ein Ergänzungspfleger i. S. v. § 1909 BGB bestellt werden, da sie dies als unzulässiges In-sich-Geschäft i. S. d. §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB einordnet (so Staudinger/Helms, BGB, 2019, § 1768 Rn. 4; NK-BGB/Dahm, 4. Aufl. 2021, § 1768 Rn. 2; Palandt/Götz, BGB, 80. Aufl. 2021, § 1768 Rn. 2). Für den Betreuer, auf den die Vertretungsverbote der §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB über § 1908i Abs. 1 S. 1 entsprechend Anwendung finden, dürfte dies ebenfalls gelten. Möchte der Betreuer selbst den Betreuten annehmen, bedürfte es somit der Bestellung eines Ergänzungsbetreuers i. S. v. § 1899 Abs. 4 BGB.

Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Stiefvater, der die Adoption vornehmen will, nicht primärer gesetzlicher Vertreter (Hauptbetreuer) des Geschäftsunfähigen ist, sondern lediglich Ergänzungsbetreuer. Daher könnte die Mutter, die Hauptbetreuerin ist, möglicherweise den Geschäftsunfähigen bei der Antragstellung vertreten. Wenn die h. M. in der Literatur aber in Bezug auf den Annehmenden ein Vertretungsverbot i. S. d. §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB bejaht, dürfte für dessen Ehegatten (hier: Kindesmutter) das Vertretungsverbot des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB eingreifen, das über § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB entsprechende Anwendung findet. Aus Sicht der Betreuerin (Kindesmutter) läge bei dem Antrag ein Rechtsgeschäft mit ihrem Ehegatten vor, bei dem sie den Betreuten (ihr Kind) vertreten will (§ 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Nach unserer Auffassung ist daher davon auszugehen, dass für die Antragstellung die Bestellung eines (weiteren) Ergänzungsbetreuers für das volljährige Kind erforderlich ist, da sowohl die Mutter als auch der Stiefvater von der Vertretung des Anzunehmenden ausgeschlossen sind.

3. Erfordernis einer Genehmigung?
Ein Genehmigungserfordernis für die Antragstellung durch den gesetzlichen Vertreter sieht § 1768 Abs. 2 BGB nicht vor. Auch ansonsten ist kein Genehmigungserfordernis hierfür ersichtlich.

Dies erscheint aus unserer Sicht auch überzeugend, da die beantragte Adoption ohnehin umfassend durch das Familiengericht zu prüfen ist. Sie wird nur dann durch Beschluss ausgesprochen, wenn die gesetzlich geregelten materiellen und formellen Voraussetzungen der Adoption vorliegen, das Gericht also insbesondere davon überzeugt ist, dass die Adoption dem Wohl des Anzunehmenden entspricht und diese auch sittlich gerechtfertigt ist (vgl. § 1767 Abs. 1 BGB). Im Falle einer Volljährigenadoption mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption müssen – wie unter 1. ausgeführt – zusätzlich die besonderen Voraussetzungen des § 1772 BGB erfüllt sein.

Gutachten/Abruf-Nr:

182632

Erscheinungsdatum:

14.05.2021

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 76-77

Normen in Titel:

BGB § 1767